EINE WELTGESCHICHTE

VOM URKNALL BIS MORGEN


Auf unserer Reise durch die Weltgeschichte haben wir mit dem Urknall begonnen, staunend die Entstehung des Lebens und die Entwicklung des Menschen beobachtet und sind über Mesopotamien und Ägypten in die Zeit der historischen Geschichtserzählung eingestiegen. Danach wir uns mit der griechischen Antike beschäftigt und sind mit Alexander bis nach Indien gezogen. Die Geschichte des Römischen Reichs hat uns lange beschäftigt. Ganz durch sind wir damit auch noch nicht, haben aber ein wenig die Perspektive gewechselt und erleben die Zeit der Völkerwanderung auch aus Sicht der verschiedenen Beteiligten.

 

Auf der Seite "Warum? Wie ? Was?" kannst Du sehen, welche Blogfolgen in welche Rubrik gehören und was die nächsten Kapitel sein werden.

 

Wer an neue Folgen erinnert werden möchte, kann gerne das Kontaktformular nutzen.

Die Folgen bauen aufeinander auf. Neueinsteiger im Zweifel also auch gerne mal in die Vorfolgen zurückblättern.


Der Unterschied zwischen Vergangenheit und Gegenwart und Zukunft ist eine Illusion, wenn auch eine sehr hartnäckige.

Albert Einstein


Die aktuelle Folge

(118) Das Ende des Vandalischen Reiches

Mit 50 alt?

Auf Geiserich folgte sein Sohn Hunerich. Er war Ende 50, in der Zeit des 5. Jahrhunderts also ein relativ alter Mann - wiewohl natürlich die körperlichen und geistigen Fähigkeiten durchaus zu denen heutiger Altersgenossen vergleichbar waren. Viele Menschen starben damals aber bereits im Säuglings- oder Kindesalter, das Angebot gesundheitsfördernder Nahrungsergänzungsmittel war deutlich eingeschränkter als heute und gegen viele Krankheiten gab es noch keine Vakzine oder wirksame Therapien. Ein Paradies für Impfgegner? Wenn man da fünfzig Jahre durchhielt, dann war das auf jeden Fall schon was.

 

Ausgleich mit Odoaker

Die Nachwelt ging nicht sanft mit Hunerich um, obwohl er sich zumindest außenpolitisch um eine nachhaltige Konsolidierung der Verhältnisse bemühte. Es war klar, dass die Kraft der Vandalen nicht ausreichte, ihr flächenmäßig sehr großes Einflussgebiet, immerhin das gesamte westliche Mittelmeer und Nordafrika, wirklich zu kontrollieren. Sie nutzten die See nur zum Transport von Landsoldaten, eine eigene seekriegsfähige Flotte existierte nicht wirklich. Zudem bestand die vandalische Oberschicht aus wenigen zehntausend, maximal einhunderttausend Menschen, die eine ungleich größere Bevölkerung von vielleicht zehn Millionen Einwohnern allein in Nordafrika beherrschen sollte.

 

Bereits 477 verpachtete Hunerich dem mittlerweile in Italien regierenden Odoaker Sizilien, eine Insel, die die Vandalen nie wirklich gesamthaft unter Kontrolle gehabt hatten. Odoaker konnte so die Getreideversorgung für Italien ein wenig mehr absichern und wurde von weiteren Kämpfen vor seiner Haustür verschont. Die Vandalen mussten sich zudem immer mehr um ihren eigenen Hinterhof in Nordafrika kümmern, da die Berberstämme im Süden – wie für die Römer so auch für die Vandalen ein beliebtes und notwendiges Reservoir an Soldaten – zunehmend obstinater wurden. Schon die Karthager hatten ja weiland diese Probleme.

 

Todesstrafe oder Eselsritt?

Die schlechten Noten der Nachwelt für Hunerich waren nicht ganz unbegründet. Er ging insbesondere in den letzten Jahren seiner Herrschaft nicht besonders sanft mit den Menschen um, die sich nicht zum homöischen Glauben bekannten. Er muss sie mit höchster Brutalität verfolgt haben, selbst wenn wir einrechnen, dass die uns erhaltenen Schilderungen aus römischer und nicht aus vandalischer Perspektive geschrieben sind.

 

Hunerich versuchte auf diese Weise, den homöischen Klerus eng an sich zu binden. Damit bezweckte er auch, dessen Unterstützung für die Thronfolge seines Sohnes Hilderich zu gewinnen. Wir erinnern, dass Geiserich die lineare Nachfolgeregelung abgeschafft hatte. Nicht der direkte Nachkomme sollte nächster König werden, sondern das älteste Familienmitglied. Potentielle Rivalen seines Sohnes aus der eigenen Familie schaltete Hunerich nun konsequent aus. Dies betraf die Söhne seines verstorbenen Bruders Gento (gest. vor 477) sowie seinen anderen Bruder Theuderich (gest. 479/481) und dessen Familie. Exekution, Verbannung und das Herumführen auf Eseln waren probate Mittel, jemanden von der Thronfolge auszuschalten. Wenn man die Wahl gehabt hätte, wären sicherlich viele Mitglieder der Königsfamilie auf Eseln zu bestaunen gewesen, so waren es nur die jüngeren Kinder Theuderichs. Ich überlege jetzt immer, was es zu bedeuten hat, dass meine Eltern mich als Kleinkind im Urlaub in Timmendorf immer auf Ponys im Kreis haben reiten lassen. Aber es waren immerhin ja keine Esel…

 

Auch Ratgeber Geiserichs, darunter sogar Angehörige des Klerus, fielen dieser Straforgie zum Opfer. Genützt hat das alles nichts.

 

Es kehrt etwa Ruhe ein

Nachfolger Hunerichs wurde 484 entsprechend der von Geiserich festgelegten Ordnung mit Gunthamund (um 450 bis 496, reg. 484 bis 496) ein Sohn des Gento. Nach dem Schreckensregime seines Onkels musste dieser wenig tun, um wieder etwas Ruhe einkehren zu lassen. Auch wenn er die Grundsätze Hunerichs hinsichtlich des homöischen Glaubens weiter hochhielt, war er in der Wahl der Mittel doch deutlich moderater. Aufgrund der Streitigkeiten zwischen Odoaker, Westgoten, Ostgoten und Konstantinopel hatte er zumindest außenpolitisch keine Bedrohungen zu fürchten.

 

Ihm folgte 496 sein Bruder Thrasamund, eher ein Intellektueller und damit ein wirklicher Gegenentwurf zu Männern wie Geiserich oder Hunerich. Wobei wir seine eher gemäßigten Handlungen nicht als Ausdruck einer hohen inneren Toleranz werten dürfen. Er suchte nur andere Mittel, das vandalische Konzept des Homöismus durchzusetzen. So lud er zwar zu Diskussionsrunden mit den Nizänern, verbot aber die Wiederbesetzung katholischer Bischofssitze in seinem Reich.

 

Eine Frau und 6000 Krieger

Politisch musste Thrasamund Niederlagen gegen die Berber hinnehmen, denen es sogar gelang, kurzzeitig die Küstenstadt Leptis Magna – zwischen Tripolis und Misrata gelegen – einzunehmen.

 

Zur Absicherung der eigenen Position suchte der König die Verbindung zu den Ostgoten und heiratete im Jahr 500 Amalafrida (um 460 bis um 525), die Schwester des ostgotischen Herrschers Theoderich. Den schauen wir uns später noch genauer an. Amalafrida war zu diesem Zeitpunkt bereits 40 Jahre, Thrasamund war ihr zweiter Mann. Neben Lilybaeum, wir erinnern uns dieses wehrhaften Ortes auf Sizilien, brachte sie auch eintausend Soldaten und fünftausend bewaffnete Diener mit in die Ehe. Dies war eine ordentliche Streitmacht, die die Vandalen eigentlich gut gebrauchen konnten, die ihnen aber auch ein wenig das Gefühl gaben, plötzlich eine Besatzungsmacht in den eigenen Mauern zu haben.

 

Das Verhältnis zwischen Vandalen und Goten war ja traditionell angespannt, da reichte diese Heirat nicht aus, für eine nachhaltige Entspannung zu sorgen. Thrasamund verweigerte beispielsweise seine Unterstützung, als 507/08 Truppen aus Konstantinopel an der italischen Küste auftauchten und das ostgotische Reich bedrohten. Keine Basis für eine gute Zusammenarbeit zwischen Vandalen und Goten.

 

Immerhin hinterließ er nach langer, 27-jähriger Regierungszeit seinem Nachfolger zwar ein territorial weitgehend vollständiges vandalisches Reich. Lediglich an der Südgrenze waren die Bergregionen wieder dauerhaft den Berbern zugefallen. Es stand jedoch bei weitem nicht auf so festen Füßen, wie es vielleicht zu Zeiten Geiserichs gewesen sein mag.

 

Hilderich hilft den Katholiken

Nachfolger wurde Hilderich, den sein Vater Hunerich ja gerne schon als direkten Nachfolger etabliert hätte. Nun hatte er endlich mit über 70 Jahren das richtige Alter, um vom Seniorenrat gemäß Geiserichs Vorgabe zum König der Vandalen und Alanen gewählt zu werden. Der neue König sah sich insbesondere als Enkel Valentinians und suchte daher außenpolitisch die Nähe zum Römischen Reich, das es jetzt ja nurmehr in der oströmischen Ausfertigung gab. Justinian hatte in diesen Jahren auch noch nicht die Idee, das Gesamtreich wiederherstellen zu wollen.

 

Einen wesentlichen Konfliktstoff zwischen beiden Reichen beseitigte Hilderich, indem er die Unterdrückung der katholischen Kirche beendete. Vertriebene Bischöfe konnten zurückkehren, neue Kirchen wurden gebaut.

 

Amalafrida putscht ohne Erfolg

Es überrascht nicht, dass diese Politik nicht nur Freunde fand. Insbesondere die Ostgoten in Italien schauten mit großem Misstrauen auf ein mögliches Bündnis zwischen Konstantinopel und Karthago. Amalafrida fühlte sich dem Reich ihres Bruders noch so verbunden, dass sie einen Putsch gegen den Nachfolger ihres Mannes anstrengte. Militärisch hatte sie mit den mitgebrachten Soldaten durchaus ein Pfund, mit dem sie wuchern konnte. Es wucherte jedoch nicht genug. Hilderich konnte den Putsch niederschlagen, Amalafrida wurde gefangen und um 525 getötet.

 

Nun wäre eine deutliche Reaktion der Ostgoten zu erwarten gewesen. Diese blieb jedoch aus. König Theoderich ließ zwar einen Flottenangriff vorbereiten, verstarb dann aber plötzlich und die Aktion wurde abgeblasen. Auf Theoderich folgte sein Enkel Athalarich (516 bis 534, reg. 526 bis 534), der allerdings erst zehn Jahre alt war, so dass seine Mutter, Theoderichs Tochter Amalasuintha (gest. 535), die Regierungsgeschäfte führte. Diese verfolgte einen deutlich ostromfreundlicheren Kurs, so dass Hilderich von einem gotischen Angriff verschont blieb.

 

Gelimer putscht mit Erfolg…

Der für ihn glückliche Umstand des Todes Theoderichs rettete Hilderich jedoch nicht. Sein Problem waren drei Männer. Der Berberfürst Antalas (etwa 500 bis nach 548), der sein Einflussgebiet im Süden zunehmend erweiterte, sein Neffe Hoamer (gest. vor 533), hochgelobt als »Achilleis der Vandalen«, der Antalas 530 trotzdem auf dem Schlachtfeld unterlag, und der designierte Thronfolger Gelimer (um 480 bis 553, reg. 530 bis 534), der diese Niederlage ausnutzte. Gelimer hatte Sorge, dass Hilderich ebenso wie Hunerich eine Änderung der Thronfolgeregelung anstreben könnte, um seine eigenen Nachkommen, also seinen Neffen Hoamer, auf den Thron zu hieven.

 

Gelimer, der Sohn eines Cousins Hilderichs, ließ also erzählen, dass Hilderich das Reich unter die Oberherrschaft Ostroms stellen wolle, ein Verrat an dem Erbe Geiserichs. Nicht zuletzt aufgrund der Religionspolitik Hilderichs glaubten viele Vandalen Gelimer. Wir haben den Sieg gegen Castinus von 422 noch in Erinnerung, der die hohe Bedeutung des homöischen Bekenntnisses für die Vandalen begründete. Dieses aufzugeben, schien vielen in der Tat als Verrat. Hilderich wurde 530 ab- und gefangengesetzt. Gelimer wurde König. Er war der letzte der Vandalenherrscher und regierte nur vier Jahre.

 

…und flieht nach Papua

Wir können es jetzt kurz machen. Justinian akzeptierte die Erhebung Gelimers nicht und schickte seinen Feldherrn Belisar nach Afrika. Dieser hatte durchschlagenden Erfolg, umfassender und schneller, als er es erwartet hatte. Ihm half der glückliche Umstand, dass ein Großteil der vandalischen Truppen auf Sardinien mit der Niederschlagung eines Aufstands beschäftigt war. Gelimer wurde in zwei Schlachten geschlagen und schließlich 534 in der Festung Papua im algerischen Teil des Atlasgebirges (und nicht etwa in Neuguinea), in die er sich zurückgezogen hatte, gefangen genommen. In Konstantinopel musste er sich vor Justinian in den Staub werfen, wobei der das Bibelwort vanitas vanitatum et omnia vanitas (Eitelkeit der Eitelkeiten, und alles ist Eitelkeit) zitiert haben soll. Das hatte zumindest Stil. Dann durfte er auf einem Landgut in Galatien in Kleinasien seinen Lebensabend genießen.

 

Das war's mit den Vandalen

Das Vandalenreich war nach 534 Geschichte. Nordafrika, Sardinien und Korsika wurden in das Oströmische Reich integriert, die vandalischen Krieger in das oströmische Heer aufgenommen und an der Ostfront gegen die Perser eingesetzt. Über ein Jahrhundert lang hatten die Vandalen die Mittelmeerwelt in Angst und Schrecken versetzt und nun genügte Herrn Belisar ein kleines Heer, um diesem Spuk ein Ende zu machen.

 

Zwar gab es in Folge weiterhin Aufstände vornehmlich von den Berbern, an denen sich auch in Afrika verbliebene Vandalen beteiligten. So konnte im Jahr 546 ein gewisser Guntarith (gest. 546) sogar noch einmal Karthago erobern. Die oströmische Besatzung erwies sich allerdings immer als stärker. Wir können auch nicht wirklich von vandalischen Aufständen sprechen. Das Manko des Vandalenreiches war, dass es zu wenig Vandalen gab. Die herausragende Bedeutung des homöischen Bekenntnisses für die Vandalen verhinderte, dass sie in ihrer neuen Heimat wirklich Wurzeln schlagen konnten, sich beispielsweise mit der Führungsschicht vor Ort über Eheschließungen verbanden. War das Festhalten und starke Betonen der homöischen Lehre zu Beginn einer der wesentlichen Erfolgsfaktoren für den Zusammenhalt und den darauf gründenden Siegeszug der Vandalen unter Geiserich, war es am Ende auch ein wichtiger Grund für das Ende der vandalischen Herrschaft. 442 war es in dem Abkommen mit Westrom gelungen, ein souveränes, nicht durch irgendein Foederatentum abhängiges Reich zu schaffen. Letztlich scheiterten die Vandalen doch an der Unfähigkeit – oder vielleicht in den seinerzeitigen machtpolitischen Konstellationen: Unmöglichkeit –, daraus durch Weiterentwicklung und Anpassung der eigenen Positionen ein unabhängiges Reich mit einer eigenständigen Perspektive zu schaffen.

 

Das nächste Mal schauen wir auf die Sueben, die wir ja in Spanien zurückgelassen hatten.

Nun freilich starren Sinnes zu behaupten, dass das, was ich gesprochen habe, auch unbedingte Wahrheit sei, das schickt sich nicht für einen, der zu denken pflegt.

Platon