Beginnend mit dem Kambrium begeben wir uns nun auf eine Reise durch insgesamt elf Perioden der Erdgeschichte, genauer des Phanerozoikums, also des Zeitalters des sichtbaren Lebens.
Die aktuelle Periode, in der wir leben, nennt sich Quartär, in dem man zwischen den Epochen des Pleistozäns und des Holozäns unterscheidet. Manche diskutieren derzeit, ob angesichts der menschengemachten Auswirkungen auf die Lebenswelten unseres Planeten mittlerweile von der neuen Epoche des Anthropozäns gesprochen werden muss. Dafür wäre festzulegen, anhand welcher typischen, nachweisbaren Merkmale dieses Zeitalter zu definieren ist. Da dies sowohl für den Beginn der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert als auch für den stärkeren Einsatz synthetischer Materialien, wie Kunststoffe im 20. Jahrhundert schwierig ist, will man dies jetzt anhand des durch die Atomwaffentests um 1950 freigesetzten Plutoniums definieren. Auch den Kontrollmesspunkt hat man mit dem Crawford Lake in Kanada bereits festgelegt. Es mag also bald die offizielle Ernennung des Anthropozäns erdgeschichtliche Epoche erfolgen.
Bis wir mit diesem Blog dort angekommen sind, dauert es noch ein wenig. Vielleicht hat man sich bis dahin zumindest über die Nomenklatur geeinigt. Die meist nicht so schönen Inhalte, die zu dieser Diskussion führen - von der Umweltverschmutzung bis zum Artensterben - werden wir unabhängig von einer epochalen Bezeichnung auch dann auf jeden Fall noch spüren. Der Mensch als vernunftbegabtes Wesen, das ist eben auch nur eine These.
Je näher wir der Gegenwart kommen, desto präziser und vielfältiger lässt sich die Vergangenheit beschreiben. Ich möchte der Gefahr, zu ausufernd zu werden, dadurch begegnen, dass ich die Beschreibung der erdgeschichtlichen Entwicklung auf der Ebene der Perioden, in diesem Blogbeitrag also des Kambriums, belasse und auf eine weitere Detaillierung in Epochen verzichte. So kommen wir auf der Zeitschiene voran und Du bekommst trotzdem ein paar der erdgeschichtlichen Begriffe mit und bist am Ende zumindest für die 4.000-Euro-Frage bei »Wer wird Millionär?« gewappnet. Einen Überblick über die Abfolge der Erdzeitalter findest Du im Internet in vielen Darstellungen, zum Beispiel hier.
Pflanzen, Tiere, Destruenten
Wir wollen, um ein wenig Geschwindigkeit zu gewinnen, die Einzeller, die Pilze und die Pflanzen ein wenig in Ruhe lassen und uns auf die Entwicklung der Tierwelt hin zum Menschen konzentrieren. Tiere stellten insofern eine neue Lebensform dar, als dass die sich von anderen Organismen ernährten. In der Nahrungskette gibt es drei grundsätzliche Stufen: die Pflanzen quasi als Produzenten, die Pflanzenfresser und die Fleischfresser. Ausscheidungen und tote Tiere werden dann von sogenannten Zersetzern oder Destruenten, zumeist Bakterien oder Pilze, abgebaut und in ihre anorganischen Bestandteile zerlegt. Diese dienen dann den Pflanzen wiederum als Nahrung. Ein wunderbarer Kreislauf - wenn man nicht gerade einem hungrigen Fleischfresser gegenübersteht. Der Begriff Destruent klingt ein wenig destruktiv, ihre Wirkung ist aber eigentlich im Gegenteil für alle hilfreich lebensnotwendig.
Größere tierische Organismen sind schon aus der Zeit vor dem Kambrium bekannt. Berühmt sind die sogenannten Ediacara-Organismen, benannt nach dem ersten Fundort, den Ediacara Hills in Südaustralien. Es gab sowohl schwebende Exemplare, ähnlich den Quallen, als auch am Boden fest verankerte, so wie Seeanemonen. Diese Lebewesen existierten etwa vor 580 bis 540 Millionen Jahren zur Zeit des ausgehenden Proterozoikums.
An dieser Stelle lohnt es sich, noch einmal darauf hinzuweisen, dass wir hier immer nur auf dem aktuellen Stand des Wissens aufbauen können. Eine Zeit lang dachte man nämlich, dass die Ediacara-Organismen die ältesten mehrzelligen tierischen Organismen seien. Mit neuen Funden und Forschungen verändert sich das Wissen allerdings ständig. Beispielsweise gibt es an Riffen in Nordwestkanada Funde, die auf eine Population von Schwämmen hinweisen, die vor 890 Millionen Jahren existiert haben sollen, also deutlich früher als die Ediacara-Organismen. 300 Millionen Jahre können wir schon als »deutlich« bezeichnen, oder? Den Homo sapiens gibt es erst seit einem Tausendstel dieser Zeitspanne. Und das kommt uns schon lange vor. Dann wären Schwämme also die ältesten Tiere, wobei es nach aktuellen Forschungen vielleicht doch eher die Rippenquallen waren. Das nächste Mal duschen wir also trotzdem bitte mit etwas mehr Ehrfurcht. Die Schwämme konnten zu dieser frühen, noch sehr sauerstoffarmen Zeit nur überleben, weil sie in der Nähe von Cyanobakterien siedelten, die in ihrem unmittelbaren Umfeld durch ihre Photosynthese eine höhere Sauerstoffsättigung im Meereswasser produzierten. Wir müssen deshalb aber nicht zwingend bei offenem Fenster duschen.
Leitfossilien - oder eben nicht
Nun aber endlich zum Kambrium, das vor 541 Millionen Jahren begann und satte 55,6 Millionen Jahre dauerte. Diese Genauigkeit verwundert zunächst. Bei den Größenordnungen wäre die Erwartung doch eher, dass man beim Beginn von »vor etwa 540 Millionen Jahren« spräche und das Ende nicht auf »vor 485,4 Millionen Jahren« terminierte. Woher kommen diese Zahlen? Das Kambrium, benannt übrigens nach Cambria, dem lateinischen Namen für Wales, zeichnet sich durch das massive Auftreten von Fossilien aus. Zur genauen Abgrenzung nutzt die Wissenschaft vornehmlich das GSSP-System. Das nennt sich ausgeschrieben Global Stratotyp Section and Point und beschreibt in der Regel durch das erst- bzw. letztmalige Auftreten eines bestimmten Fossils den Beginn einer neuen Zeitstufe.
Der Beginn des Kambriums wurde gleichgesetzt mit dem ersten Auftreten des Trichophycus pedum. Blöd ist nur, dass man dieses Spurenfossil mittlerweile auch in tieferen und damit älteren Gesteinsschichten gefunden hat. Diese Spuren sehen ein wenig so aus wie die Hinterlassenschaften der Wattwürmer – zumindest für Nordseeurlauber ein Begriff. Gleichwohl behielt man das Startdatum für das Kambrium bei. Warum? Die Datierung von sehr alten Funden erfolgt mittlerweile mit radiometrischen Methoden, die sich am Gehalt des Kohlenstoff-Isotops C-14 in den Fossilien orientieren. Dieser Wert änderte sich mit einem grundlegenden Wechsel der fossilen Fauna aber auch vor eben 541 Millionen Jahren. Insofern bleiben die Forscher bei dieser Jahresangabe. Dann muss man auch nicht alle Veröffentlichungen umschreiben. Vielleicht findet sich ja noch ein freundliches Leitfossil, was besser zu diesem Wert passt als das Trichophycus pedum.
Kambrium - Quell des Lebens
Im Kambrium war ordentlich was los. Nahezu alle heutigen Tierarten lassen sich auf Stämme zurückführen, die sich zu Beginn des Kambriums in einer Zeitspanne von nur fünf bis zehn Millionen Jahren entwickelt haben. Erstmals tauchen Lebewesen mit radial- oder links-rechts-symmetrischen Strukturen und einer von oben nach unten verlaufenden Längsachse auf. Wir wissen das, weil sich die entsprechenden Fossilien erhalten haben. So gibt es mit dem in Südaustralien entdeckten reiskorngroßen Ikaria warioota ein Nachweis eines etwa 555 Millionen Jahre alten zweiseitensymmetrischen Tieres. Sehr alt und weit verbreitet sind kleine Röhrchen, in denen Tierchen namens Cloudina gewohnt haben. Es handelt sich bei diesen Röhren um die sehr frühe Form eines Skeletts, also einer Struktur, in die wie in unseren Knochen Mineralien wie Kalziumphosphat oder Kalziumkarbonat eingelagert sind.
Die Cloudina wurden dann von den Trilobiten abgelöst, die so ähnlich wie Asseln ausgesehen haben, also Gliederfüßer mit aufgrund von Gelenken beweglichen Gliedmaßen waren. Und sie hatten Augen! Damit hatten sie als Räuber deutliche Vorteile bei der Nahrungssuche. Nach den Spielregeln der Evolution hatten in Folge dann die Beutetiere die besseren Überlebenschancen, die ebenfalls lernten zu sehen. Aus diesem Wettrüsten, aus denen sich die Sinnesorgane und Skelettstrukturen, wie beispielsweise Panzerungen entwickelten, entstand im Kambrium die Vielfalt des Lebens. In China fand man mit Myllokunmingia das älteste Wirbeltier, einen Fisch, der sich vor 530 Millionen Jahren entwickelt hatte.
Wieso war das Leben im Übergang und zu Beginn des Kambriums so weit, dass plötzlich diese Vielfalt entstand? Zum einen war es sicherlich nicht plötzlich, es wird sicherlich ein paar Momente gedauert haben. In erdgeschichtlichen Dimensionen gedacht ist der Begriff der kambrischen Explosion des Lebens aber durchaus nachvollziehbar. Der Eindruck eines Entwicklungssprungs hat seine Ursache zum einen darin, dass durch die Skelettbildung die Wahrscheinlichkeit, dass sich Fossilien über die Jahrmillionen erhalten haben, deutlich erhöht hat, wir also einfach eine deutlich höhere Chance haben, Zeitzeugen zu entdecken. Zum anderen wurden die Lebewesen größer und damit ebenfalls leichter auffindbar. Urknallmäßig explodiert ist also erst einmal gar nichts, aber natürlich machte das Leben deutliche Fortschritte. Hierbei wird auch die sukzessive Erhöhung der Sauerstoffkonzentration in den Meeren und in der Atmosphäre eine Rolle gespielt haben.
Kontinente
An dieser Stelle ist vielleicht ein kleiner Exkurs zu einer Entwicklung hilfreich, die sonst in unsere Geschichte nicht so recht reinpasst. Wir hatten ja hie und da bereits auf die Veränderung der Lebensbedingungen hingewiesen, die durch Eiszeiten, Vulkanausbrüche und weitere Nettigkeiten dieser Sorte entstanden sind. Dabei haben wir gelernt, dass es in der Erdgeschichte eine Zeit gab, in der der ganze Planet nach – vorsichtig gesagt – längerem Regen von Wasser bedeckt war. Vor etwa 2,7 Milliarden Jahren müssen sich dann doch die ersten Landmassen über den Wasserspiegel erhoben haben, wie Forscher aus Gesteinsverwitterungen ableiten können. Es gibt wenig gesicherte Erkenntnisse, aber einiges an Theorien. Urkontinente wie Kenorland oder Columbia werden postuliert. Rodinia nach dem russischen Wort für »Heimatland« beziehungsweise »gebären« ist ein favorisierter Kandidat als Urkontinent. Vor 1,3 Milliarden bis 900 Millionen Jahren soll er sich gebildet haben. Vor etwa 750 Millionen Jahren mag er dann wieder zerbrochen sein, aus seinen Bruchstücken bildete sich Pannotia (vor 600 bis 550 Millionen Jahren). Die genauen Zeitabschnitte, Größen und Formen bleiben im Dunkeln.
Nach Pannotia gab es dann Gondwana, den Namen hat vielleicht der ein oder andere schon gehört. Gondwana existierte vom Beginn des Kambriums bis etwa vor 150 Millionen Jahren und erstreckte sich hauptsächlich auf der Südhalbkugel. Im Norden verwalteten Baltica, Sibiria und Laurentia das Erbe Pannotias. Gondwana war die Mutter unserer heutigen Kontinente Südamerika, Afrika (einschließlich der arabischen Halbinsel), Australien und der Antarktis. Baltica umfasste Skandinavien und das heutige Nordosteuropa, Laurentia Nordamerika und Grönland. Sibiria muss ich nicht erklären, oder? Der restliche Teil Europas, also Norddeutschland, England, Wales, Irland bis hin zu Neufundland kommen aus einer Abbruchkante des Südkontinents Gondwana, die sich Avalonia nannte und nach Norden driftete. Also selbst die Norddeutschen stammen eigentlich aus dem Südkontinent Gondwana, haben aber dann wohl schnell erkannt, dass sie eher in den Norden gehören. So traf es sich gut, dass sie mit Avalonia in heimatliche Gefilde treiben konnten.
Aber Gondwana war ja noch nicht das Ende der ganzen tektonischen Verschiebungen. Baltica und Laurentia vereinigten sich zu Laurussia, Avalonia gesellte sich dazu. In Struktur und Ausdehnung unumstritten ist erst Pangäa, das vor etwa 325 Millionen Jahren im Karbon entstand, indem Laurussia mit Gondwana und Sibiria zusammenstieß. In Pangäa waren also wieder alle versammelt. Es hatte die Form eines »C«, das Meer im Bauch des Cs nennt man Thetys, das auf der Rückseite Panthalassa. Thetys ist in der griechischen Mythologie die Schwester des Titanen Okeanos, Panthalassa setzt sich aus dem griechischen pan für »alles« und thalassa für »Meer« zusammen. Aus Pangäa bildeten sich dann die heutigen Kontinente beginnend in der Trias mit der Trennung in Laurasia im Norden und erneut Gondwana im Süden. Eine mögliche Visualisierung findest Du hier. Diese Entwicklung geht weiter, Gebirge und Vulkanketten wie der Pazifische Feuerring, der von Neuseeland einmal um den Pazifik herum bis nach Chile reicht, sind Zeugen dieser ständigen Bewegung der Erdkruste. In etwa 200 bis 250 Millionen Jahren erwartet man wieder einen Zusammenschluss zu einem Superkontinent, Amasien oder Neopangäa soll er heißen. Vielleicht fällt Dir ja noch etwas Besseres ein, ein wenig Zeit zur Namensfindung haben wir ja auch hier noch.
Warum haben wir uns das jetzt gerade angeschaut? Wie kamen wir von den Augen der Trilobiten zur Kontinentalverschiebung? Unser Kopf ist klein und viele Dinge liegen dort nebeneinander. Nein, neben der Kraft der Evolution haben wohl auch solche Umweltveränderungen den Entwicklungsprozess des Lebens beschleunigt. Alles Leben fand ja noch im Wasser statt. Durch die tektonischen Veränderungen und einen steigenden Meeresspiegel wurden Nährstoffe des Landsockels für die Tierwelt verfügbar. Und wie wir von unseren Großmüttern wissen, wächst man schneller, wenn man ordentlich isst. Es wird also vermutet, dass der Speiseplan reichhaltiger wurde und auch dadurch die Entwicklung des Lebens Fahrt aufnahm.