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(5) Ordovizium bis Devon

Ordovizium - und ein Massenaussterben

Wir haben jetzt noch etwa 500 Millionen Jahre der Erdgeschichte vor, aber auch bereits über vier Milliarden Jahre hinter uns. Eigentlich könnten wir mit diesem Tempo jetzt schnell fertig werden. Wäre aber irgendwie schade, wir würden doch viel verpassen. Spätestens wenn sich Menschen auf der Erde tummeln, werden wir auch deutlich an Geschwindigkeit verlieren. Ein wenig müssen wir uns aber noch gedulden, bis es so weit ist.

 

Mit dem Kambrium haben wir gerade den Schritt ins Erdaltertum getan, in dem jetzt die Periode des Ordoviziums, und dann mit dem Silur, Devon, Karbon und Perm noch vier weitere folgen. Dann, vor 252 Millionen Jahren verabschiedet es sich und wir wechseln ins Mesozoikum oder Erdmittelalter.

 

In diesen 250 Millionen Jahren erwarten uns noch drei weitere Massenaussterben. Wenn Du es weniger martialisch willst: der Wissenschaftler spricht auch vom »Faunenwechsel«. Ein kluges Wording macht viel aus, das kennen wir aus Politik, Wirtschaft und eben auch aus der Wissenschaft. Da später noch zwei weitere in der Erdneuzeit folgten, spricht man von den Big Five. Wir wissen es ein wenig besser, da wir uns an das Aussterben im Ediacarium vor 550 Millionen Jahren erinnern. Auch die Große Sauerstoffkatastrophe vor 2,4 Milliarden Jahren haben wir nicht vergessen, auch wenn dort noch nicht von einer Fauna im eigentlichen Sinn gesprochen werden kann.

 

Das erste in der klassischen Zählung, Big First sozusagen, fand vor 445 Millionen Jahren im Ordovizium statt, und wird entsprechend das ordovizische Massenaussterben genannt. Ihm fielen 85 Prozent der Arten, 60 Prozent der Gattungen und 26 Prozent der Familien aller Meeresbewohner zum Opfer. Zur Einordnung: Wir sind als Homo sapiens eine Art der Gattung Homo (Menschen) in der Familie der Menschenaffen. Die Klassifizierung setzt sich weiter fort mit der Ordnung der Primaten, der Klasse der Säugetiere, dem Stamm der Wirbeltiere und dem Reich der vielzelligen Tiere. Aber Biologieblogs können andere besser schreiben.

 

Warum kam es zu dieser Katastrophe? In dieser Zeit summierten sich viele Effekte. (1) Die Sonneneinstrahlung reduzierte sich in dieser Zeit signifikant und löste eine globale Abkühlung aus. Hinzu kam (2), dass wohl schon erste Flechten, Symbiosen aus Algen und Pilzen, das Landleben kennenlernen wollten. Ihre Besiedlung der Felsen förderte die Verwitterung der Gesteine, die wiederum der Atmosphäre CO2 entzog und somit für einen negativen Treibhauseffekt sorgten, was die Temperaturen weiter sinken ließ. (3) Gondwana war in Richtung Südpol gewandert und vergletscherte zusehends. Eine stärkere Vereisung senkt den Wasserspiegel, damit wurden die Lebensräume im Meer enger und unwirtlicher. Die Flachwasserbiotope trockneten schlicht aus, deren Bewohner trockneten mit, was ihnen nicht gut bekam. (4) Hinzu kamen deutliche Veränderungen hinsichtlich der Chemie im Meerwasser. Die Konzentration wichtiger Spurenelemente wie Selen sank deutlich. Auf der anderen Seite lösten sich toxische Schwermetalle wie Arsen, Blei oder Mangan aus dem Meeresboden, was den Meeresbewohnern auch nicht gut bekam. Man findet bei den Fossilien aus dieser Zeit einen hohen Prozentsatz von Missbildungen.

Alle diese Gründe waren für viele Muscheln, Moostierchen, Trilobiten und einige andere zu viel des Schlechten. Ob dann (5) wirklich noch ein extraterristrischer Gammablitz hinzukam, ein Ereignis, dass in 10 Sekunden mehr Energie freisetzt also unsere Sonne während ihrer gesamten Lebenszeit, und das Leben auf der Erde durch diese Strahlung in großen Teilen vernichtet wurde, ist momentan eine zusätzliche These. Die Ungewissheit, wie hier die Dinge wirklich zusammengespielt haben, halten wir locker aus, und sind sehr froh, das alles aus gebührender zeitlicher Entfernung schildern zu dürfen.

 

Silur - Pflanzen wachsen an Land und in die Höhe

Auf das Ordovizium folgte das Silur, wie das Ordovizium benannt nach einem keltischen Volksstamm aus Südwales. Von diesen war in der Zeit vor 443,4 Millionen bis 419,2 Millionen Jahren aber noch nicht die Rede. Den unerwartet ausgeprägten walisischen Einfluss in unserer Frühgeschichte haben wir den Herren Sedgwick (Kambrium) und Murchison (Silur) zu verdanken, die in den 1830er Jahren in diesem Sektor forschten. Der Namensgeber des Ordoviziums, Herr Lapworth, führte 1879 diese Periode neu ein und schlichtete so den Streit zwischen den Anhängern von Sedgwick und Murchison, die diesen Zeitraum gerne dem Kambrium bzw. dem Silur zuordneten. Wir lernen wieder etwas über die befriedende Kraft des Kompromisses.

 

In der Evolution brachte uns das Silur die ersten kiefertragenden Wirbeltiere. Knochenfische entstanden, viele Korallenarten bildeten größere Riffstrukturen, Gotland ist beispielsweise so entstanden. Das Besondere am Silur ist aber, dass es an Land nun nicht mehr nur irgendwelche Flechten gab, sondern Pflanzen, die auch in die Höhe wachsen konnten. Die erste ohne Mikroskop sichtbare Landpflanze war ein Cooksonia genannter Urfarn, der bereits das Holzmolekül Lignin benutzen konnte und so die Festigkeit bekam, das Leben im Vertikalen zu probieren. Pflanzen wie Cooksonia waren die Wegbereiter für die Eroberung des Festlandes durch Pilze und Tiere in den folgenden Perioden. Sie sorgten dafür, dass die Erde so langsam ihrem Namen gerecht wurde. Denn "Erde" gab es noch nicht wirklich, nur Steine in allen Verwitterungsstufen. Erst durch die Abbauprodukte der Pflanzen konnten sich Böden, also "Erde", entwickeln, wie wir sie heute kennen. 

 

Zwar findet man Tierspuren an Land, die 500 Millionen Jahre alt sind, aber das waren wohl nur Ausflüge einzelner Abenteurer. Auch heute begeben sich ja Herr Messner und Gleichgesinnte in die Sand- oder Eiswüsten, aber eben nur für Touren, bei denen sie hinreichend Verpflegung mitnehmen können. Diese risikoaffinen Gene dieser Abenteurer stammen also aus ganz alten Zeiten.

 

Die ältesten bekannten Landtiere sind Wesen, die wir heute als Tausendfüßer und als Spinnen bezeichnen würden. Sie hatten ein schützendes Außenskelett, eine Panzerung und kräftige Beine, die ihnen die Fortbewegung auf der Nahrungssuche ermöglichte. Auch bei den Fischen tat sich etwas. Sie hüpften zwar noch nicht an Land, und wenn sie es doch taten, war es nicht zu ihrem Vorteil. Sie schafften es aber zumindest ins Brack- und Süßwasser. Aus diesen Fischen entwickelten sich dann die ersten Wirbeltiere, denen der Weg ans Land gelang und die dort auch überlebten.

 

Devon - Von den Fischen zu den Amphibien

Wir wandern jetzt auch, aber nicht an Land, sondern weiter auf unserem Weg durch die Geschichte. Der nächste Haltepunkt ist das Devon, das 419 bis 359 Millionen Jahre zurückliegt. Der Name stammt merkwürdigerweise nicht aus Wales, sondern leitet sich von der englischen Grafschaft Devon ab. Das liegt, wie die Anglophilen unter uns wissen, ganz im Südwesten der Insel, kurz vor Cornwall und ist durch die Moore von Dartmoor auch den Krimilesern bekannt. Der Hund von Baskerville von Arthur Conan Doyle oder der Edgar-Wallace-Film Das Wirtshaus von Dartmoor mag der ein oder andere kennen - wobei die Dartmoor-Aufnahmen in diesem Film in West-Berlin gedreht wurden. Wir denken da nicht lange über Zusammenhänge nach, sondern schauen zurück ins Erdaltertum. Das Klima war im Devon angenehm, warm und trocken. Der Nordkontinent Laurussia trieb auf den Südkontinent Gondwana zu.

Auch wenn wir der Flora unfairerweise hier nur wenig Beachtung schenken, wollen wir doch darauf hinweisen, dass in dieser Phase das Blatt erfunden wurde. Nobelpreise gab es damals noch nicht, aber ein Kandidat wäre das schon gewesen. So vergrößerte sich die Oberfläche einer Pflanze signifikant, es konnte mehr Licht eingefangen werden, die Photosynthese und damit die Sauerstoffproduktion nahmen deutlich zu.

 

Im Devon entwickelten sich die Ammoniten, das sind diese schneckenförmigen Kopffüßler, von denen viele Fossilien erhalten sind. Und es war vor allem das Zeitalter der Fische, zum Beispiel der Knorpelfische, bei denen das Skelett aus Knorpel besteht wie bei Haien oder Rochen. Weiterhin gab es Knochenfische mit zumindest in Teilen verknöchertem Skelett wie bei den meisten heutigen Fischen. Erste Exemplare kennen wir ja bereits aus dem Silur. Der dritten Kategorie der Panzerfische, bei denen Kopf und Rumpf mit Knochenplatten gepanzert waren, war kein längeres Dasein beschieden. Die meisten starben am Ende des Devons aus – obwohl sie als erste Wirbeltiere einen Kiefer besaßen, also durchaus innovativ in der Evolution unterwegs waren. Knorpel- und Knochenfische waren schnell überzeugt und übernahmen diese Innovation gerne. Sie waren damit in der Lage, Nahrung nicht allein durch das Durchfiltern des Wassers aufzunehmen, sondern gezielt auf Beutesuche zu gehen und sich das zu schnappen, was am leckersten aussah.

 

Sehr wichtig für die weitere Entwicklung im Sinne des anstehenden Landgangs war der Tiktaalik. Das war eine Weiterentwicklung der Quastenflosser. Er konnte seine Schwimmblase als einfache Lunge nutzen und somit direkt Luft atmen. Das hat an Land durchaus Vorteile. Zudem saßen seine Augen nicht seitlich, sondern oben auf dem flachen Kopf. Diesen konnte er unabhängig vom Körper bewegen. Der Hals war erfunden! Noch ein Nobelpreiskandidat. Auch der Kiefer des Tiktaalik war so ausgebildet, dass er schnappen und zubeißen konnte, eine für die Nahrungssuche an Land durchaus wichtige Fähigkeit, da man hier mit dem reinen Ansaugen von Pflanzen oder Tieren wenig Erfolg hat. Probiere es gerne aus, wenn Du mir nicht glaubst.

 

Der nächste Schritt war dann der zu den Amphibien. Wie heute beispielsweise die Frösche benötigten sie weiterhin das Wasser, um ihre Eier abzulegen. Auch die Larven entwickelten sich im Wasser, wir kennen das von den Kaulquappen. Sie waren aber auch zu einem längeren Ausflug aufs Land in der Lage - allerdings weniger aus Gründen der Erholung. Die Fähigkeit, außerhalb des Wassers zu überleben, hatte für die Amphibien zwei wesentliche Vorteile. Zum einen konnten sie, wenn ihr See austrocknete, einen neuen suchen. So etwas hilft beim Überleben ungemein. Darüber hinaus hatten sie sich den Vorteil erarbeitet, auch an Land Futter finden, einige Insekten lebten dort ja schon. Um diese zu finden, musste sich neben der Luftatmung der Geruchssinn entwickeln. Aus den Flossen mussten Beine werden. Aus sehr beweglichen, zur Fortbewegung im Wasser gut geeigneten Gliedmaßen wurden stärkere und damit belastbarere, die das eigene Gewicht tragen konnten. Der Lungenfisch, den wir heute noch in Afrika, Südamerika und Australien finden können, ist ein Nachfahre der Tiere, die diesen großen Schritt gegangen sind. Aus seinem Genom können Forscher heute viele Rückschlüsse auf die damalige Entwicklung ziehen.

 

Ein berühmter Vertreter ist der Ichthyostega (Fisch-Panzer). Allerdings meint man mittlerweile, dass es eher eine Sackgasse der Entwicklungslinie war, in der sich der Ichthyostega begeben hat. Er war zwar ein Tetrapode (Vierfüßer), besaß allerdings überwiegend die Merkmale, die auf ein Leben im Wasser hinweisen. Zudem weist er Spezifika auf, beispielsweise in einer hochspezialisierten Ohrregion, die es in Folge so nicht weitergegeben hat, so dass man von einem Aussterben dieser Entwicklungslinie ausgehen kann.

 

Nicht allein der Ichthyostega starb aus. Am Ende des Devons vor etwa 372 Millionen Jahren kam es zu dem zweiten großen Massenaussterben der Big Five. Die Hälfte bis drei Viertel aller Arten, insbesondere viele Pflanzen und Süßwassertiere fielen dieser als Kellwasser-Ereignis – benannt nach einem Nebental der Oker im schönen Harz – bekannten Katastrophe zum Opfer. Man vermutet, dass sich die chemische Beschaffenheit, insbesondere auch der Sauerstoffgehalt, der Ozeane mehrmals massiv verändert hat. Die Vielfalt des Phytoplanktons am unteren Ende der Nahrungskette nahm gravierend ab. Es sind deutlich höhere Strahlungseinflüsse nachweisbar, die auf einen Zusammenbruch der Ozonschicht deuten. Ob dies ein Gammablitz ausgelöst hat, wie es bereits im Ordovizium vermutet wurde, ist unklar. Es gibt die Theorie, dass eine Supernova auf Beteigeuze im Sternbild des Orion, der Himmelsjäger, den wir im Winter am Himmel gut erkennen können, soviel Strahlung erzeugt hat, die zu einer entsprechenden Zerstörung der Ozon-Schicht führte. Zumindest für das Hangenberg-Ereignis, das vor 359 Millionen Jahren, also kurz, nur ein Dutzend Millionen Jahre nach dem Kellwasser-Ereignis ebenfalls für viele Arten den Tod bedeutete, scheint es hier entsprechende Nachweise zu geben. Auf jeden Fall sind massive Vulkanausbrüche wahrscheinlich, Veränderungen der  Sonnenaktivität oder Meteoriteneinschläge auch nicht ausgeschlossen, man kann es schlicht nicht sagen. Der Woodleigh-Krater in Westaustralien, der Alamo-Einschlag im südöstlichen Nevada, der Siljan-See in Schweden stammen alle aus dieser Zeit – wobei es auf die einzelne Million bei den Jahreszahlen nicht so ankommt. 

Nächstes Mal geht es im Karbon also mal wieder nicht ganz bei Null, aber doch in weiten Teilen wieder von vorne los. Faunenwechsel eben.