Karbon (vor 358,9 bis 289,9 Millionen Jahren)
Wälder ...
Wir blicken nun ins Karbon, das vor 359 Millionen Jahren seinen Anfang nahm und immerhin 60 Millionen Jahre die Erde prägte. Der Name stammt überraschenderweise nicht aus Wales oder England, sondern leitet sich aus dem lateinischen carbo ab, was so viel wie »Kohle« bedeutet. Wohlgemerkt: Kohle im Sinne von Kohle, nicht im monetären wie Moos, Kies oder Schotter - obwohl es das ja auch alles schon gab. Damals wuchsen die Wälder aus Farnen und Schachtelhalmen, deren Überreste wir in Form der Steinkohle seit dem 19. Jahrhundert in Massen fröhlich verheizen.
Der Sauerstoff-Anteil in der Atmosphäre stieg im Karbon auf über 30 Prozent, d. h. das mehr als anderthalbfache des heutigen Wertes von etwa 21 Prozent. Wir erahnen die Dimension, die dem Verbrauch fossiler Brennstoffe innewohnt. Der hohe Sauerstoffgehalt resultiert auch daher, dass abgestorbene Pflanzen nicht abgebaut wurden. Vielleicht haben ja die Destruenten gestreikt. Wahrscheinlicher scheint, dass die Pflanzen in feuchten Gebieten wuchsen, nach ihrem Absterben im Sumpf versanken und es dort dann relativ schnell zur Abdeckung durch Sedimente kam. Sauerstoff war dann nicht mehr verfügbar und es konnten sich über die Zeit die Kohleflöze entwickeln. Der Sauerstoff wurde nicht für den Abbau des organischen Materials benötigt und blieb in der Atmosphäre.
...Samen ...
Die Pflanzen entwickelten sich weiter. Die gute Idee, das Blatt einzuführen, war ja schon im Devon geboren worden. Jetzt wurde der Samen erfunden. Das Neue daran war, dass die Fortpflanzung, also das Austreiben einer neuen Pflanze erst dann erfolgte, wenn es dafür hinreichend akzeptable Umweltbedingungen gab. Ansonsten blieb das Samenkorn in Warteposition. Nadelhölzer kamen auf, bei denen die Samen als Pollen ausgebildet wurden, die durch die Luft zu neuen Siedlungsgebieten transportiert werden konnten. Auch die ersten Palmfarne, die wir heute noch kennen, entwickelten sich zu dieser Zeit. Wir können also langsam beginnen, uns heimisch zu fühlen.
... Amphibien und Reptilien ...
War das Devon das Zeitalter der Fische, dann waren im Karbon die Amphibien prägend. Das tierische Leben spielte sich also nicht mehr nur im Wasser ab, sondern auch an Land, zumal sich aus den Amphibien bald Reptilien entwickelten. Diese benötigten auch zur Fortpflanzung nicht mehr das feuchte Element. Aus dieser Zeit stammen Fossilien von Arthropleura-Gliederfüßern, die bis zu 2,60 Meter lang und 50 Kilogramm schwer waren, ein Mega-Tausendfüßer sozusagen. Es wird angenommen, dass neben der hohen Sauerstoffkonzentration auch das wachsende Nahrungsangebot durch die Samen der Pflanzen zu diesen Ausmaßen beigetragen hat.
... Eier und Insekten ...
Neben dem Samen war das Ei die wesentliche Erfindung dieser Zeit. Das funktionierte immer dann besonders gut, wenn es denn wasserdicht war und das Embryo in dem mit Fruchtwasser gefüllten Innenraum ungestört und geschützt heranwachsen konnte.
Und es ging in die Luft. Insekten lernten fliegen. Du musst dabei nicht an den Kleinkram denken, den wir heute als Insekt bezeichnen. Es gab Libellen mit 60 Zentimeter Spannweite und einem 70 Zentimeter langen Skorpion würdest Du auch ungern auf dem Weg zum Supermarkt begegnen. Diese enormen Größen waren eine Folge des hohen Sauerstoffgehaltes. Insekten nehmen den Sauerstoff ja nicht über die Lunge auf. Fällt auch schwer, wenn man keine hat. Dafür nutzen sie Tracheen, das ist so etwas wie ein Kanalsystem, über das der Sauerstoff im Körper verteilt wird. Je mehr Sauerstoff in der Luft ist, desto verzweigter kann dieses System sein und desto größer können dann die Tiere werden. Ein Sauerstoffanteil von 30 Prozent ermöglichte da schon einiges.
... und der Harz
Bevor wir das Karbon verlassen, wollen wir nicht versäumen, zu erwähnen, dass sich aufgrund der Verschiebung der Kontinentalplatten von Gondwana und Laurussia an den zusammenstoßenden Kanten Gebirge bildeten. Dieser sogenannten »variszischen Orogenese« verdanken wir unter anderem den Harz, aber auch die Appalachen in Nordamerika. Unsereiner freut sich vielleicht über Verwandte in Amerika, ich denke, dem Harz wird es egal sein.
Perm (vor 298,9 bis 251,9 Millionen Jahren)
Hundezähner - unsere Vorfahren
Wir gleiten hinüber ins Perm, der letzten Periode des Erdaltertums. Diese wird wiederum im Übergang zur Folgeperiode, dem Trias, mit einem Massenaussterben, dem dritten der berühmten Big Five, enden. Wir hatten ja auch länger keines mehr. Dem Perm wird der Zeitraum von vor 299 bis vor 252 Millionen Jahren zugerechnet. Es entwickelten sich Reptilien, darunter auch die Hundezähner. Das ist die wörtliche Übersetzung des Fachbegriffs Cynodontia. Ich erwähne das, weil diese Art das Massenaussterben an der Perm-Trias-Grenze überstand und sich dann in Folge daraus die Säugetiere entwickelten. Du kannst beim nächsten Zahnarztbesuch ja mal nachfragen, ob er die Verwandtschaft noch erkennt. Vielleicht lässt Du es aber besser und vermeidest sein mitfühlendes Nicken.
Das Salz der Erde
Insgesamt waren die klimatischen Verhältnisse sehr unterschiedlich. Im Übergang zwischen Karbon und Perm waren die südlichen Landmassen noch stark vereist. Im Perm entstand dann ja durch die Vereinigung aller Landmassen Pangäa, der Superkontinent. Es gab dabei in der Äquatorzone riesige Wüsten, in den gemäßigteren Zonen üppige Regenwälder und in den nördlichen Breiten sehr weitflächige Waldgebiete mit Samenfarnen und nadelholzähnlichen Bäumen. Gerade im Landesinneren herrschte aufgrund der riesigen Landmassen ein ausgesprochen kontinentales Klima mit Temperaturunterschieden von bis zu 50 Grad. Durch Verdunstung trockneten Meeresteile aus und es entstanden auf diese Weise große Mengen an Salzvorkommen, die die Grundlage für die entsprechende industrielle Nutzung in der Neuzeit werden sollten.
Ein durchdrehendes Treibhaus
Und jetzt müssen alle aufpassen, die sich mit der Klimakrise beschäftigen. Ausgelöst durch gewaltige Vulkanausbrüche im heutigen Sibirien und vielleicht auch durch Meteoriteneinschläge kam es zu einer Klimakatastrophe, für die unsere heutigen Probleme wie Pillepalle aussehen – um eine ehemalige Bundeskanzlerin zu zitieren, die ansonsten in diesem Zusammenhang sicherlich eher anonym bleiben möchte. In Sibirien wurde eine Fläche von mindestens 1,6 Millionen Quadratkilometern, das entspricht etwa der Größe Skandinaviens (Finnland, Schweden, Norwegen, Dänemark) und Deutschlands zusammen mit Lava bis zu einer Höhe von vier Kilometern bedeckt, der Sibirische Trapp. Vielleicht waren es auch zwei Millionen Quadratkilometer, dann könnten wir in den Vergleich noch das Baltikum und Großbritannien mit aufnehmen. Zudem wurden riesige Mengen an Kohlendioxid freigesetzt, was den Effekt des »durchdrehenden Treibhauses« auslöste.
Durch die Erwärmung könnten auch Methanhydrate im Ozean aktiviert worden sein, die das gespeicherte Methan freigaben. Methan ist für den Treibhauseffekt deutlich effektiver als Kohlendioxid, die Erwärmung hätte sich also beschleunigt. Die Forscher sind sich allerdings nicht sicher, in welchem Umfang Methanhydrate im Perm zur allgemeinen Erwärmung beigetragen haben. Unstrittig ist auf jeden Fall der Einfluss der gewaltigen vulkanischen Aktivitäten.
Insgesamt stieg die Temperatur auf der Erde um 6 Grad Celsius, die Oberflächentemperatur des Meeres am Äquator lag bei 40 Grad Celsius. Wenn Du das nächste Mal badest, miss mal nach, was das heißt. Durch den massiv steigenden Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre bildete sich Kohlensäure, der Regen wurde sauer. Das wiederum bekam den Pflanzen nicht so wirklich gut, sie gingen ein. Durch den Rückgang der Vegetation fehlte das Wurzelwerk, an dem sich der fruchtbare Boden festhalten konnte und er erodierte. Die Verwitterungsprozesse von Felsen und Boden beschleunigten sich, mehr Nährstoffe wurden in die Ozeane gespült. Die so entstandene Überdüngung sorgte für eine umfassende Sauerstoffarmut. Das mag keine Pflanze und kein Tier, auch heute nicht.
Es riecht nach faulen Eiern
Für das Leben gab es insgesamt also zunehmend feindliche Bedingungen. Starke Temperatursteigerungen, eine deutliche Erhöhung der Kohlendioxidkonzentration in der Luft zu Lasten des Sauerstoffgehalts, der sich auf 13 Prozent mehr als halbierte, sowie saurer Regen waren das eine. Hinzu kam ein starker Anstieg der UV-B-Strahlung, wahrscheinlich ausgelöst durch die Schädigung der Ozonschicht aufgrund des starken Vulkanismus. Die Sonnencreme war noch nicht erfunden und hätte den Pflanzen wahrscheinlich auch wenig genutzt. Zu den geschilderten negativen Konsequenzen für Flora und Fauna kam hinzu, dass sich durch die Zersetzung von Meeresorganismen unter Sauerstoffmangel Schwefelwasserstoff bildete, der aus der Tiefsee aufstieg, und auch in den höheren Regionen das Leben nicht eben einfacher machte. Auf unserem Planeten wird es damals sehr nach faulen Eiern gerochen haben. Wie genau der gesamte Prozess abgelaufen ist, was ihn ausgelöst hat und wie lange er gedauert hat, weiß natürlich niemand ganz genau. Fossilien Überlebender zu finden ist schwierig, da 96 Prozent aller Meeresbewohner und 70 bis 75 Prozent der Landlebewesen in Folge dieser Entwicklungen zugrunde gingen. Auch die Wälder verschwanden.
Neuere Forschungen gehen von einem sehr kurzen Zeitraum von nur 60.000 Jahren aus, in dem dies alles passierte. Dagegen dauerte es Millionen von Jahren, bis sich das Leben auf unserem Planeten von diesem Schock erholt hatte. Die Ammoniten, Kopffüßler, deren schneckenförmigen Fossilien sicherlich bekannt sind, waren mit ein bis drei Millionen Jahren relativ schnell, die Korallen brauchten schon acht bis zehn Millionen Jahre und die Wälder konnten erst nach 15 Millionen Jahren wieder größere Gebiete besiedeln. Das klingt alles nicht so prickelnd, aber es nützt ja nichts, wir müssen weiter machen und schauen uns das nächste Mal das Erdmittelalter beginnend mit der Trias an.