Paläogen (vor 66 bis 23,03 Millionen Jahren)
Die älteren Leser werden sich noch an den Begriff Tertiär für die Periode erinnern, die auf die Kreidezeit folgte. Seit dem Jahr 2000 spricht der moderne Mensch von zwei unterschiedlichen Phasen, dem Paläogen, das 23 Millionen Jahre vor unserer Zeit endete, also 43 Millionen Jahre dauerte, und in Folge für die Zeit bis vor 2,59 Millionen Jahren dem Neogen. Und da wir jetzt das Känozoikum, also die Erdneuzeit betreten, folgen wir natürlich dieser modernen Terminologie. Wir wollen ja nicht von gestern sein.
Kurze Zeiten - lange Zeiten
Zu Beginn der Erdneuzeit war Erholung angesagt. Zweieinhalb Millionen Jahre brauchte es schon, bis sich nach dem Asteroideneinschlag von Chicxulub wieder ein stabiles Gleichgewicht eingestellt hatte. Es dauerte aber wohl 20 Millionen Jahre, bis sich auch wieder größere Tiere auf der Erde tummelten. Da wir immer über diese sehr langen Zeiträume sprechen und Entwicklungen, die 100.000 oder auch eine Million Jahre gedauert haben mögen, als kurz darstellen, nur ein kleiner Vergleich. Die ältesten Fossilien des archaischen Homo sapiens sind 300.000 Jahre alt, eine ausgebildete Sprache mag vor 35.000 Jahren entstanden sein. Wenn wir über zweieinhalb Millionen Jahre sprechen, die die Normalisierung der Lebensverhältnisse auf der Erde zu Beginn des Paläogens gedauert hat, dann ist auch das ein für uns Menschen schwer begreifbarer Zeitraum. Diese Spanne ist etwa achtmal so lange, wie es den Homo sapiens gibt und 75-mal so lange wie er sprechen kann und 1.250-mal so lange wie die Zeit seit Christi Geburt. Aber damit sind wir schon wieder in einem Zahlenraum mit vierstelligen Zahlen und dann wird es wieder schwierig für unsere kleinen Köpfe. Naja, zumindest für meinen.
Säugetiere als Krisengewinner
Nach dem Zeitalter der Saurier begann jetzt die große Zeit der Säugetiere. Sie waren die Gewinner der Krise. Neben den Vögeln in der Luft und den Haien und Knochenfischen im Meer waren sie die Überlebenden des Asteroideneinschlags und seiner Folgen. Ihnen boten sich nun reichhaltige Lebensräume, die sie ausfüllen konnten. Neben dem Raum hatten sie auch alle Zeit der Welt und ließen die Evolution wirken. Die Säuger blieben nicht nur an Land, sondern zogen als Wale auch ins Meer und stiegen als Fledermäuse in die Luft. Aber das Leben blieb schwierig. Nach zehn Millionen Jahren, also vor etwa 56 Millionen Jahren stieg die Temperatur innerhalb der kurzen Zeit von nur 1.000 Jahren um fünf bis sechs Grad, vielleicht verursacht durch Methanfreisetzungen aus Permafrostböden und aus den Methanhydratvorkommen in den Ozeanen. Insbesondere durch das Versauern der Meere aufgrund des durch die Erwärmung steigenden Kohlendioxidgehalts starben über die Hälfte der Meeresbewohner aus. Insbesondere die Krustentiere mit den säureanfälligen Kalkschalen litten. Gleichwohl war es aus Sicht der Wissenschaftler kein Massenaussterben, vielleicht weil die Säuger nicht so stark betroffen waren. Man staunt.
Kängurus aus Südamerika
Innerhalb von 200.000 Jahren normalisierte sich das Klima wieder und es entwickelten sich zunehmend die Vorfahren unserer heutigen Tierwelt. Wenn Du Dich jetzt freust, endlich mal die Eigenarten und Unterschiede zwischen Paarhufern wie Schweine und Giraffen und Unpaarhufern wie Pferde und Nashörner erklärt zu bekommen, muss ich Dich enttäuschen. Auch wenn es spannende Geschichten zu erzählen gäbe. So stammt das Känguru nicht aus Australien. Entwickelt haben diese Tiere sich wahrscheinlich im heutigen Südamerika, das damals noch mit der Antarktis und Australien zusammenhing. In der Mitte des Paläogens spaltete sich dann Australien ab und bot wohl dieser Art der Säugetiere eine besonders freundliche Umwelt. Zumindest freundlicher als in der südamerikanischen Heimat, wo wir heute lediglich die Beutelratte und das Opossum als Beuteltier kennen. Belassen wir es bei diesem kurzen Blick.
Meister Yodas Daumen
So langsam bildete sich die Welt der Kontinente so aus, wie wir sie heute kennen. Madagaskar spaltete sich von Indien ab, was auch dazu führte, dass auf dieser Insel eine sehr eigenständige Pflanzen- und Tierwelt entstand. Wenn Dich mehr die Welt interessiert, wie sie sich in unseren Breiten entwickelt hat, dann sei Dir die Grube Messel bei Darmstadt empfohlen, die bedeutendste Fundstätte von Fossilien früher Säugetiere in Europa.
Unsere Vorfahren sahen vermutlich ähnlich aus wie Meister Yoda aus Star Wars oder wenn Du es etwas profaner haben willst wie die heutigen Koboldmakis. Der Daumen hat sich als gegensätzlich positionierbares Greiforgan entwickelt, aus Klauen waren Nägel geworden. Das Leben auf den Bäumen war damit so herrlich einfach.
Im Zuge einer weiteren Abkühlung entstand die geschlossene Eisdecke über der Antarktis und in Nordamerika. In Afrika und Asien entwickelten sich durch das Zurückweichen der Wälder die riesigen Graslandschaften, was wiederum das Größenwachstum von Tierarten wie Hirsch, Kamel oder Nashorn beförderte.
Erste Affen
In der Entwicklung zum Menschen waren die Altweltaffen der nächste wichtige Schritt. Der älteste Fund des Aegyptopithecus ist immerhin 33 Millionen Jahre alt. Der Begriff Altweltaffe deutet auf das Verbreitungsgebiet in Afrika und Eurasien, also der klassischen Alten Welt, hin, wohingegen die Neuweltaffen, die Du sicherlich unter ihrem Familiennamen Platyrrhini kennst, in Südamerika beheimatet sind. Sie unterscheiden sich durch die breitere Nase und den in aller Regel nicht opponierbaren Daumen. Insofern haben sich aus dieser Gruppe, die vielleicht auf schwimmenden Mangroven-Inseln über den seinerzeit noch schmalen Atlantik nach Südamerika gekommen sein mögen, keine Menschen entwickelt. Diese Entwicklung schafften auch nicht die Nachfahren der Parapitheciden, einer ausgestorbenen Primatenart, die es ähnlich den Neuweltaffen auch über den Atlantik nach Südamerika geschafft haben müssen. War schon ein reiselustiges Völkchen, diese Affen.
Die Welt verändert ihr Gesicht
Vor 30 Millionen Jahren kollidierten die afrikanische Platte und auch Indien mit Eurasien, was zur Auffaltung einer langgestreckten Gebirgskette führte. Vom Himalaya im Osten über den Kaukasus und die Alpen bis hin zu den Pyrenäen erkennen wir die Folgen dieses Zusammenstoßes, der im Übrigen noch nicht beendet ist. In Folge entwickelten sich die uns heute bekannten Klimazonen. Der Monsun im indischen Sommer bekommt beispielsweise seine besondere Kraft durch den Himalaya, der das Abregnen der aus dem Indischen Ozean kommenden feuchten Luft erzwingt.
Durch die kontinentale Verbindung kam es auch zum Austausch der Tierwelten, Elefanten und Affen wanderten nach Asien, Pferde und Antilopen nach Afrika. Wie sich die Herausbildung der Menschenaffen genau dargestellt hat, ist bislang unbekannt. Die Forschung geht davon aus, dass vor etwa 23 Millionen Jahren die Trennung der Entwicklungslinien erfolgte, deren eine Richtung zu den Menschenaffen und schließlich der Gattung Homo geführt hat, während der andere Zweig in Richtung der Meerkatzenverwandten ging. Hierher gehören beispielsweise die Paviane und Makaken. Und damit sind wir in der Endphase des Paläogens und wenden uns dem Neogen zu, der bislang vorletzten Periode in der Erdgeschichte.
Neogen (vor 23,03 bis 2,588 Millionen Jahren)
Das Neogen begann vor 23 Millionen Jahren, dauerte etwa 20 Millionen Jahre und endete vor 2,59 Millionen Jahren.
Viele Affen
Die Menschenaffen entwickelten sich weiter, wobei die genaue Stammesgeschichte aufgrund nur weniger erhaltener Fossilien schwer eindeutig zu rekonstruieren ist. Aus dem Beginn des Neogens stammt der Proconsul, der keinen Schwanz mehr hatte, auf Bäumen lebte und wohl Vegetarier war. Ich erspare Dir (und mir) jetzt aber die genaue Auflistung der unterschiedlichen Arten und der Theorien dazu. Die Begrifflichkeit der Erdzeitalter war schwierig genug. Wenn ich jetzt noch mit Pierolapithecus catalaunicus (14 Millionen Jahre alt) oder einer der über 20 anderen Gattungen der Menschenaffen, von denen Fossilien erhalten sind, käme, wäre Deine Laune schnell im Orkus, orcolaunicus sozusagen.
Tektonik schafft die Welt von heute
Entscheidend für die weitere Entwicklung war wieder einmal die Tektonik. Auch wenn sich Afrika zwischenzeitlich noch einmal von Eurasien löste, schlug es am Ende doch wieder den Weg nach Norden ein. Die Regenwälder blieben in Äquatornähe, nördlich davon kam es zu großflächigen Savannenlandschaften. Durch die ständigen Bewegungen brach die Afrikanische Platte jedoch auseinander, die Arabische Platte spaltete sich ab und es bildete sich der Große Afrikanische Grabenbruch. Dieser erstreckt sich vom Süden Syriens mit dem Jordantal in Israel, über das Rote Meer, das durch ihn erst entstanden ist, bis nach Malawi und Mosambik. In Ostafrika verläuft er durch Eritrea und Äthiopien, Kenia und Tansania und in einem westlichen Zweig auf der anderen Seite des Victoria-Sees durch Uganda, Ruanda und Burundi. Die so entstandenen bis zu 2.700 Meter hohen Steilwände verhinderten, dass die üblichen Westwinde die feuchte Luft des Atlantiks bis nach Ostafrika verteilen konnten. Östlich der Berge liegt das Land im Regenschatten, was überraschenderweise für den Erhalt von Regenwäldern eher ungünstig ist.
Es gibt weitere Gründe, die Ostafrika, im Gegensatz zu anderen auf gleicher Höhe liegenden Weltgegenden, ein nachhaltig trockenes Klima bescherten. Die Auffaltung des Himalaya durch den Zusammenstoß der Indischen mit der Eurasischen Platte begünstigte, dass aufgrund des Monsunsystems die Feuchtigkeit in dieser Region blieb. Die Norddrift von Australien veränderte zudem die Meeresströmungen, was zu einer Abkühlung des Indisches Ozeans und entsprechend geringerer Verdunstung führte.
In diesem Zusammenhang ist es ganz interessant, dass es in dieser Zeit einige Arten schafften, von Norden, also Indonesien und den umliegenden Ortschaften kommend, nach Australien zu gelangen, dass es aber in der umgekehrten Richtung so gut wie keine Ausbreitung gab. Es gibt hier eine nach dem britischen Naturforscher Alfred Russel Wallace benannte Linie, die die australischen Arten nicht überwinden konnten. Der Grund hierfür liegt wohl darin, dass die Wanderung über von Vulkanen geschaffene Inseln entlang der tektonischen Grenze verlief. Die feuchtwarmen Lebensbedingungen auf diesen Inseln ähnelten mehr denen im Norden, so dass die dort lebenden Arten sich nicht umgewöhnen mussten. Für die aus dem eher trockenen und kühleren Klima Australiens stammenden Tiere war der Schritt dann wohl zu groß.
Salz im Mittelmeer
Bevor wir nach Afrika zurückkehren, bleiben wir noch kurz bei der Plattentektonik. Die Zeitabläufe, in denen das alles stattfand, was wir hier in ein paar Zeilen abhandeln, kannst Du daran ermessen, dass sich im Zuge der Nordverschiebung Afrikas, auch die Verbindung schloss, die das heutige Mittelmeer bei Gibraltar zum Atlantik hatte. Dies führte vor etwa sechs Millionen Jahren zu einer Austrocknung der Reste des ehemaligen Thetys-Meeres, wovon heute zwei bis drei Kilometer mächtige Salz-und Gipsschichten am Grunde des Mittelmeeres zeugen. Zwei bis drei Kilometer, das entspricht der Höhe der deutschen Alpen, und zwar vom Meeresspiegel an gerechnet, nicht vom Hotel in Garmisch.
Eiszeit durch den Golfstrom
Auf der anderen Seite des Atlantiks bildete sich vor drei bis vier Millionen Jahren die mittelamerikanische Verbindung zwischen Nord- und Südamerika. Das warme Wasser aus dem Süd-Atlantik konnte so nicht mehr nach Westen in den Pazifik fließen, sondern wurde nach Norden abgelenkt. Wir kennen dieses Phänomen noch heute als Golfstrom und sind bisher in Nord- und Mitteleuropa sehr froh über die so entstehenden deutlich wärmeren Temperaturen. Ein Blick nach Kanada hilft hier. Die Hudson Bay ist monatelang vereist, die auf gleicher Höhe liegende Nordsee eher weniger. Aber in der Welt ist nichts einfach. Und so müssen wir lernen, dass durch den eigentlich ja warmen Golfstrom vor zweieinhalb Millionen Jahren eine Eiszeit ausgelöst wurde. Durch die wärmere Luft wurde mehr Feuchtigkeit nach Norden transportiert, die dort zu mehr Niederschlägen führte. Es bildete sich über dem Nordpol eine Eiskappe, die die Sonnenstrahlung reflektierte und zu sinkenden Temperaturen führte. Welche Bedeutung dieser Effekt hatte und in welcher Größenordnung ein genereller Rückgang der Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre hatte, ist heute kaum mehr eindeutig zu sagen. Auf die Eiszeiten kommen wir im nächsten Blog, wenn wir das Quartär durchstreifen, noch einmal zurück.
Der aufrechte Gang
Wir waren vorhin in Afrika stehen geblieben und hatten gerade gemerkt, dass es östlich des Großen Afrikanischen Grabenbruchs deutlich trockener wurde. Dies förderte nachhaltig die Entwicklung des aufrechten Gangs. Die Bäume, an denen man sich langhangeln konnte, machten sich zusehends rar. Wenn man als Menschenaffe in der Savanne vorankommen will und dabei den Überblick nicht verlieren möchte, wo sich gerade Beute oder Feinde aufhalten, hilft es enorm, den Kopf oben zu behalten.
Verwandtschaftsverhältnisse
Aus den Menschenaffen, die es seit etwa 18 bis 15 Millionen Jahren gab, spaltete sich vor acht bis sechs Millionen Jahren eine Entwicklungslinie ab, aus der wir Menschen hervorgegangen sind. Seither sind die Schimpansen und Bonobos nur noch entfernte Cousins, auch wenn ihr Erbgut zu 98,63 Prozent mit unserem identisch ist. Der kleine Unterschied macht es auch hier. Der Gorilla ist nur ein entfernterer Cousin dritten Grades, hier liegt die Übereinstimmung lediglich bei 98,25 Prozent. Zu Familienfeiern nicht mehr einladen müssen wir die vierte Klasse der Menschenaffen, die Orang-Utans, deren Entwicklungslinie sich bereits vor 10 Millionen Jahren abgespaltet hat und die sich in Asien entwickelt haben. Hier liegt der Unterschied schon bei 3,4 Prozent. Es mag den ein oder anderen schaudern, wie ähnlich wir Menschen einander sind und dass auch der merkwürdige Schwippschwager aus Elberfeld so viel mit uns gemein haben muss.
Es ist alles Vermutung
Auch wenn viele Funde aus Ostafrika stammen und dort lange die Wiege der Menschheit vermutet wurde, so ganz sicher können wir uns auch hier nicht sein. Auch in Südafrika finden sich Fossilien ähnlichen Alters. Dort liegt auch die UNESCO-Weltkulturerbe-Region »Wiege der Menschheit«. Der älteste Fund eines Homo erectus ist ein 2,04 Millionen Jahre alter Schädel aus der Drimolen-Höhle nordwestlich von Johannesburg. Wenn wir von Afrika sprechen, sind wir aber wohl auf der sicheren Seite.
Was dort aber wann, wo und wie genau stattgefunden hat, wird noch länger ein Rätsel bleiben und mit jedem neuen Fund eines Fossils wieder neu interpretiert werden. So finden sich auf Kreta 6,05 Millionen Jahre alte Fußspuren, die höchstwahrscheinlich von einem frühen Hominiden stammen. In Griechenland und Bulgarien fanden sich ein rund 7,2 Millionen Jahre alter Unterkiefer und ein Zahn, die einem frühen Vormenschen zugeordnet werden können. Ob diese aus Afrika über Mesopotamien nach Norden gewandert sind und sich ihre Entwicklung durch die zunehmende Wüstenbildung in der Sahara vor 6,25 Millionen Jahren dann von der innerafrikanischen abgekoppelt hat, ist eine Vermutung, die allerdings derzeit nicht bewiesen werden kann.
Auf jeden Fall sollte uns klar sein, dass wir hier nicht von einer linearen Entwicklung berichten, in der alles wohlgesetzt und fröhlich aufeinanderfolgte. Viele Brüche und Katastrophen kennen wir gar nicht, beispielsweise die Gründe für einen Einbruch von 90 Prozent bei den Haibeständen in der Anfangsphase des Neogens vor 19 Millionen Jahren. Wir lassen uns aber nicht verunsichern und betreten das nächste Mal die letzte der erdgeschichtlichen Perioden, das Quartär, in dem wir auch heute noch leben.