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(15) Die neolithische Revolution

Mit dem Alter wird man ruhiger. Das gilt für viele Menschen, das gilt auch für die Menschheit. Das ewige Hin und Her des Nomadenlebens wandelte sich vor knapp 12.000 Jahren. Der Mensch wurde sesshaft. Diese Transformation vom Jäger und Sammler zum Bauern wird als Neolithische Revolution bezeichnet. Manchmal findest Du auch den Begriff der Landwirtschaftlichen Revolution.

 

Den Homo sapiens hat es seit etwa 300.000 Jahren gegeben, sesshaft wurde er vor 12.000 Jahren. Das wäre bezogen auf ein Menschenleben so, als würde Opa, wenn wir ihm die durchschnittliche Lebenserwartung eines Mannes in Deutschland von 78 Jahren gönnen, mit 75 den Wanderstab abgeben und seine erste Wohnung suchen. Hoffentlich hat er genug gespart und früh genug mit der Suche angefangen. Oma würde im Übrigen erst mit 80 zur Ruhe kommen wollen.

 

Der Weg vom Nomaden zum sesshaften Bauern gelang, da der Mensch sowohl Pflanzen als auch Tiere systematisch für sich zu nutzen begann, sie domestizierte und systematisch züchtete. Das alles passierte in der Jungsteinzeit oder eben dem Neolithikum. Ein wesentlicher Auslöser war die Erwärmung nach dem Ende der Weichsel-Eiszeit. Wenn es zu warm wird, will man sich eben nicht mehr so viel bewegen.

 

Erste Bestrebungen zur Sesshaftigkeit hat es bereits früher - vor allem im Nahen Osten - am Ende des Paläolithikums gegeben. In dieser Region verzichtet man auf den Begriff des Mesolithikums, sondern spricht eher vom Epipaläolithikum. Wissenschaft schafft sich ja häufig eine eigene Sprache, damit es auch ordentlich wichtig klingt, was man sagt. Ein Reservoir an beeindruckenden Begriffen hilft dabei ungemein. Wir lassen uns nicht beeindrucken und machen einfach weiter.

In den Perioden des Kebaran (vor 25.000 bis 15.000 Jahren) und Natufian (13.000 bis 10.200 v. Chr.), also parallel zum europäischen Magdalénien wurde dort bereits Wildgetreide, vornehmlich Gerste und Emmer, gemahlen und zu Brei und Brot verarbeitet. Zur Ernte der zunächst noch wilden Pflanzen nutzte man Sicheln, zum Mahlen Mahlsteine. Neue Werkzeuge und Techniken, die den neuen Lebensbedingungen angepasst waren, wurden erfunden. Steine konnten nun geschliffen werden und nicht mehr nur behauen. Auch Keramik entwickelte sich und ermöglichte die Fertigung vieler neuer Gebrauchs- und auch Kunstgegenstände.

 

Erste Siedlungen

Erste dauerhafte Siedlungen entstanden. 200 bis 300 Menschen lebten in Dörfern von etwa 50 Hütten, die bis einen Meter tief in der Erde verankert waren. Für die Nomaden waren wir bisher immer von einer Größe von etwa 150 Menschen in einer zusammengehörenden Gruppe ausgegangen. Dieser Wert verdoppelte sich nun. Das Zusammenleben musste also nach bestimmten zusätzlichen Regeln organisiert werden, ein wichtiger Schritt in der Entwicklung einer Zivilisation.

 

Dabei sollten wir nicht den Fehler machen, in einem »Entweder-Oder«-Gegensatz zu denken. Es gab nicht entweder den Jäger oder den Bauern, sondern wir haben es wie meist in der Geschichte mit einem fließenden Prozess des Übergangs zu tun, der regional in sehr unterschiedlicher Geschwindigkeit ablief und sehr stark von den lokalen Lebensbedingungen wie vor allem dem Klima beeinflusst war.

 

Neben der Verbreiterung der Nahrungsmittelversorgung durch Züchtung und Domestizierung von Pflanzen und Tieren konnten die sesshaften Bauern aus dem Anbau von Weizen, Gerste und anderen Pflanzen wie Linsen, Flachs oder Erbsen weitere Vorteile ziehen. Das anfallende Stroh war willkommen, um Körbe zu flechten und aus den Fasern Kleider herzustellen. Auch für den Hausbau war es wertvoll. Nicht allein um Dächer zu decken. Mit Stroh gemischter Lehm war viel weniger bröckelig und somit deutlich stabiler. Die zunehmende Fähigkeit, feste Behausungen zu bauen, wird den Trend zur Sesshaftigkeit verstärkt haben.

 

Weltweite Entwicklung

Im sogenannten Fruchtbaren Halbmond ging es am zügigsten voran, weshalb wir unseren Blick auf diese Gegend fokussieren. Gemeint ist damit der sichelförmige Bereich, der sich vom Südirak über Nordsyrien, den Libanon, Israel, Palästina, Jordanien bis in den Nordosten Ägyptens erstreckt. Dabei wollen wir nicht außer Acht lassen, dass auch an vielen anderen Orten der Erde Beweise für ähnliche Entwicklungen gefunden wurden.

In China wurden Hirse, Reis und Sojabohnen angebaut sowie zudem Schweine gezüchtet. In den Anden Perus finden sich Spuren von Kartoffel- und Quinoaanbau und der Domestizierung von Lamas. In Mittelamerika waren es Mais, Avocados und Chili, in Westafrika Hirse, in Südindien Bohnen und Hirse. Die Liste ließe sich um Beispiele aus Neuguinea, Japan oder Nordamerika verlängern.

 

Die Geschichte erzählt sich allerdings am Beispiel des Vorderen Orients besser, da wir aus dieser Gegend viel mehr Zeugnisse haben und auch die Verbreitung der neuen Lebensformen in benachbarte Gegenden einfacher war. Ein Grund liegt in den geographischen Gegebenheiten, die einen Austausch über vergleichbare Klimazonen, also nach Europa im Westen und Asien im Osten, deutlich einfacher ermöglichten, als beispielsweise in Afrika oder Amerika, wo aufgrund der grundsätzlichen Nord-Süd-Ausrichtung des Kontinents viel größere klimatisch bedingte Hindernisse zwischen unterschiedlichen Regionen zu überwinden waren.

 

Zwischenzeitliche Abkühlung

Eine mögliche Motivation, sich intensiver mit der Entwicklung des Immobilienmarkts auseinanderzusetzen, mag gewesen sein, dass es auch nach dem Ende der Eiszeit, im Jüngeren Dryas vor 10.700 bis 9.700 Jahren, wohl aufgrund von Vulkanausbrüchen dunkel und kalt wurde. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass in diesen Zeiten das Nahrungsangebot knapper wurde. Die ersten Siedlungen waren aber bereits entstanden und so stieg die Motivation, durch vermehrten und systematischeren Anbau von Getreide die Versorgungssituation abzusichern, deutlich. Wobei auch die Getreideernte unter Kälte und mangelndem Sonnenschein gelitten haben wird. Versuch macht kluch, werden sich unsere Vorfahren gedacht und erfolgversprechende Wege zum Überleben gefunden haben.

 

Ein regional relativ naheliegendes Indiz für die Abkühlung aufgrund von Vulkanausbrüchen ist, dass vor etwa vor 11.000 Jahren auch der Laacher Vulkan ausbrach. Der Laacher See in der Eifel bei der Abtei Maria Laach zeugt davon. Auch wenn sie für die nächsten 1.000 Jahre keine Gefahr sehen, sind Vulkanologen überzeugt, dass das nicht der letzte Ausbruch dieses Vulkans war. Seit 2016 sind zumindest eine leichte Hebung der Erde von einem Zentimeter pro Jahr in dem am See gelegenen Dorf Glees sowie leichte Erdbeben zu beobachten, vielleicht weil sich in sieben bis zehn Kilometern Tiefe eine Magmakammer wieder füllt. Wenn Du also längerfristig für die nächsten zehn bis zwölf Jahrhunderte planst, überlege Dir, ob das Ferienhaus in der Eifel die richtige Entscheidung ist.

 

Die Hitze danach

Nach dieser Abkühlung wurde es wieder wärmer. Sehr viel wärmer. Man geht von einer Temperatursteigerung um fünf Grad in einem Zeitraum von nur 50 Jahren aus. Aus Gletscherbohrungen wissen wir, dass das älteste alpine Eis etwa 5.900 Jahre alt ist, dass es vorher also eine wärmere Periode mit nahezu eisfreien Alpengipfeln gegeben haben muss. Klimagipfel gab es noch nicht, wir sind auch unsicher, ob sie geholfen hätten, zumal eine Tempo 130-Regel wenig erfolgversprechend gewesen wäre.

 

Man spricht von der Präboreal-Warmzeit, in der sich die Wälder wieder ausbreiteten. Dies wirkte sich auch auf die Fauna aus, die eher in Steppen und Tundra lebenden Rentiere, Wildpferde und Mammuts zogen sich aus Europa zurück. Ihnen folgten Hirsche, Bären, Elche, Wölfe und Auerochsen. Das passierte nicht an einem Tag, nach dem Motto: Familie Mammut zieht Montag aus und das Ehepaar Elch folgte am Dienstag. Die Menschen mussten zwischenzeitlich auch kleinere Tiere jagen, was anstrengender war und länger dauerte, bis man genug für die Sippe im Beutel hatte. Wir erkennen dies auch daran, dass die Steinwerkzeuge in dieser Zeit kleiner werden. Diese Mikrolithe haben wir ja des letzte Mal bereits kennengelernt.

 

Während im Vorderen Orient schon Häuser gebaut wurden, streiften in Mitteleuropa noch die Jäger durch die Wälder. Die Idee, Getreide anzubauen und sich an einem Ort fest niederzulassen, lag für diese noch in weiter Ferne.

Die Erwärmung und das in Folge reichere Nahrungsangebot sorgten aber immer mehr dafür, dass die Entwicklungen aus dem Nahen Osten sich auch in nördlichere Breiten ausdehnen konnten. Je nach Region entwickelte sich die Technik in Abhängigkeit der Lebensbedingungen weiter. So waren in den Wäldern Äxte und Sägen hilfreich, die sich mit etwas Mühe auch aus Feuerstein herstellen ließen.

Die neolithische Revolution gewann Raum. Die Neuerungen und Erfahrungen aus dem Nahen Osten wurden nach Norden weitergegeben. Ein Hinweis ist, dass alle heutigen mitteleuropäischen Rinder von den Tieren abstammen, die im frühen Neolithikum im Vorderen Orient domestiziert wurden. 

 

Die neolithische Revolution war keine Revolution im engeren Sinne. Die Ausbreitung der sesshaften Lebensweise zog sich doch über mehrere hundert, wenn nicht tausend Jahre hin und lief klimabedingt regional in unterschiedlichen Geschwindigkeiten ab. In Ostasien ging es vermutlich eher schneller, in Amerika und Afrika eher langsamer. Und einige Jäger- und Sammler-Gesellschaften beispielsweise in der Kalahari oder in Südamerika haben sich ja bis in unsere Tage gehalten.

 

Freud und Leid des Bauern

War das alles ein Fortschritt? Wenn man es so bezeichnen will, dann hatte auch dieser seinen Preis. Als Bauern waren die Menschen viel abhängiger von Wetter- und Klimaveränderungen. Während die Jäger und Sammler im Zweifel in wildreichere oder wärmere Gegenden abwanderten, konnten die Bauern ihre Felder nicht einfach einrollen und mit auf Wanderschaft nehmen. Bewässerungstechniken waren wichtig, wenn die Regengötter mal wieder nicht so wollten, wie sie sollten.

 

Weideland galt es von Ackerland zu trennen, Zäune entstanden, Eigentum war erkennbar. Mit zunehmendem Besitz, der ja das eigene und das Leben der Familie und des Stamms sicherte, entstand auch der Druck, diesen zu verteidigen. Hierzu dienten beispielsweise Holz- oder auch Steinkeulen, die Baseballschläger unserer Ahnen. Sie wurde wohl vornehmlich zur Abwehr von Tieren, aber auch von unfreundlichen Menschen eingesetzt. Die Zahl der Verletzungen, die Menschen durch seinesgleichen zugefügt wurden, steigt bei den Funden aus dem Neolithikum deutlich an. Leider ist sie seither auch nicht mehr gesunken.

Neben den Kulturen sesshafter Vieh- und Ackerbauern gab es auch Wanderhirten, die mit ihren Herden weiterzogen, wenn ein Gebiet abgefressen war. Wenn beide aufeinanderstießen, ging das nicht immer friedlich ab. Erinner Dich an den Bauern Kain und seinen Bruder, den Hirten Abel. Es hatte schon seinen Grund, dass Kain derjenige war, der zuschlug.

 

Erste Ärzte

Krankheiten und Verletzungen, woher auch immer sie kamen, wurden auch behandelt. Wir stehen staunend vor Schädeln, bei denen vor 7.000 Jahren Teile der Schädeldecke entfernt wurden und bei denen die Patienten diesen Eingriff überlebt haben. Wir fragen lieber nicht nach, wie. In Peru fand sich ein Schädel, an dem sieben dieser Operationen erfolgreich verlaufen sind. Man vermutet, dass einer dieser wahrscheinlich durch Abschaben des Knochens durchgeführte Eingriffe etwa 30 Minuten gedauert haben könnte. Mit welchen Mitteln die Anästhesisten seinerzeit gearbeitet haben, wissen wir nicht. Zumindest ein bierähnliches Getränk konnte bereits zu Beginn der neolithischen Revolution gebraut werden. Die Versuchsreihe, wieviel Bier man trinken muss, um eine Schädel-Operation zu überstehen, haben wir vorsichtshalber nicht begonnen. Aus der Zahl der gefundenen Schädel lässt sich eine Überlebensquote von überraschenden 70 bis 80 Prozent ableiten. Wir sollten es trotzdem nicht probieren, zumal wir nicht wissen, wie das Leben nach so einem Eingriff dann so im Einzelnen ablief.

Aus Dänemark kennen wir einen Fall, wo der erste Zahnarzt mit einem Steinbohrer unterwegs gewesen ist. Das klingt auch nur ein wenig verlockender.

 

Wir können diese Leistungen durchaus als Fortschritt verbuchen.  Der Mensch lernte, immer besser mit den Problemen, die das Leben stellte, umzugehen. Es wurde aber nicht alles einfacher. Jede Entwicklung hat ihren Preis, das haben wir ja bereits an anderer Stelle gelernt. Beispielsweise entwickelten sich in den Monokulturen der Pflanzen und Tiere Krankheitserreger, die auch gerne in einem menschlichen Habitat ihr Unwesen treiben wollten.

 

Wir müssen uns immer vergegenwärtigen, dass die Menschen damals nicht dümmer waren als wir. Und genauso wie es heute Spezialisten gibt, die Fähigkeiten gewonnen aus Lernen, Erfahrung und Talent haben, gab es diese damals auch. Und vieles, was die Steinzeitmenschen konnten und beherrschten, haben wir verlernt und vieles, was wir heute können und beherrschen müssen, brauchte unser Vorfahr vor 10.000 Jahren nicht. Mit einem iPhone lässt sich schlecht ein Bär besiegen und eine Steinaxt hilft uns nur bedingt beim Ausfüllen unserer Steuererklärung. Die Kollegen und Kolleginnen im Finanzamt sind darüber ganz froh.

 

Warum?

Was trieb den Menschen in die Sesshaftigkeit? Eigentlich war das Leben als Jäger und Sammler doch gar nicht so schlecht. Man war frei, zog dahin, wo es die reichste Beute gab, zog wieder weg, wenn es zu karg und zu kalt wurde, konnte unliebsamen Zeitgenossen aus dem Weg gehen. Das klingt doch ganz verlockend.

Aus ihren Funden haben die Archäologen auch abgeleitet, dass die Jäger und Sammler gesünder und besser versorgt waren als ihr sesshaften Kollegen. Wieso ging die Menschheit dennoch diesen Weg? Neben der gattungstypischen Dummheit, für die wir in allen Epochen bis in die heutige Zeit hinreichend Beispiele finden, lag es wohl hauptsächlich daran, dass die gesamte Entwicklung schleichend und nicht als Folge eines durchdachten Masterplans ablief. Bauern können in einem begrenzten Gebiet mehr Menschen mit Nahrung versorgen als Jäger und Sammler. Nachdem man einmal mit dem Getreideanbau begonnen hatte, stieg also die Zahl der Menschen, die in dieser Region lebten. Jeder wollte was zu essen haben, es musste also noch mehr angebaut werden. Der Mensch saß gewissermaßen in seiner selbstgebauten Falle und merkte es nicht, da sich das alles über Hunderte von Jahren hinzog.

Das nächste Mal werden wir noch über einen dritten Grund spekulieren, der den Trend zur Sesshaftigkeit gefördert haben mag. Bleib also dran!

Vorerst schauen wir noch auf zwei Nahrungsmittel, die die Entwicklung wesentlich beeinflusst haben.

 

Getreide...

Die Erwärmung sorgte dafür, dass Weizen besser wuchs. Die Menschen begannen also mehr und mehr Weizen zu essen. Dieser musste aber zubereitet werden, also gesammelt, zum Lagerplatz transportiert, gemahlen, gekocht oder gebacken werden. Durch Brandrodung wurden freie Flächen geschaffen, auf denen wieder Weizen wachsen konnte. So richtig sesshaft war man also noch nicht, man betrieb eher eine Art Wanderfeldbau. In fruchtbaren Gegenden mit viel Wild und guten Anbaubedingungen hielten sich die Menschen länger auf. Irgendwann zog man gar nicht mehr weiter, sondern begann den Weizen zu züchten und für schlechte Zeiten einzulagern. Die ersten festen Siedlungen entstanden.

 

Die Menschen lernten die Anbaubedingungen zu verbessern, durch Aufbrechen des Bodens vor dem Säen, durch Unkraut jäten und Bewässern. Durch die Selektion entwickelten sich aus den Wildformen die heutigen Kulturpflanzen.

Der Teosinte, die Wildform der Gattung Zea, zu der auch der Mais gehört, hatte ursprünglich beispielsweise Körner, die von harten Schalen umgeben waren. So wurden sie im Verdauungstrakt der Tiere nicht zerstört und konnten als Samen für neue Pflanzen dienen. Im Verlauf der Zeit verkümmerten diese Schalen sukzessive, da die Menschen die Pflanzen bevorzugten, bei denen die Spelzen weniger ausgeprägt waren. Der Teosinte entwickelte sich zum Mais. Der Fachmann spricht bei solchen Prozessen von disruptiver Selektion. Ein wenig wollen wir bei den Fachbegriffen ja doch mithalten.

  

... und Milch

Eine ähnliche Entwicklung gab es auch bei den Tieren. Zuerst bei Schafen und Ziegen, vor 9.000 Jahren wurden dann Schweine und vor 8.500 Jahren Rinder domestiziert. Milch war verfügbar, was die Geburtenrate weiter steigen ließ. Im Zuge der Sesshaftigkeit konnten Frauen nun mindestens doppelt so viele Kinder bekommen. Nicht mehr alle zwei bis vier Jahre, sondern nahezu jedes Jahr gab es Nachwuchs. Die Nahrungsversorgung war gesicherter und auch die Betreuung der Kinder ließ sich in Siedlungen besser organisieren als auf ständiger Wanderschaft.

 

Dabei spielte die Entwicklung der Laktosetoleranz eine entscheidende Rolle. Besitzen heute beispielsweise in Norddeutschland 90 Prozent der Menschen die Fähigkeit, Milch zu verdauen, so waren es vor gut 3.000 Jahren weniger als 10 Prozent. Dies legen zumindest Analysen von Knochenfunden aus dem Tollense-Schlachtfeld in Mecklenburg-Vorpommern nahe, wo nur eines von 14 der untersuchten Skelette diese Gensequenz besaß. An dem seinerzeitigen Kampf etwa im Jahr 1250 v. Chr. sollen mehrere hundert Menschen beteiligt gewesen sein.

 

Diejenigen unserer Vorfahren, die mit einer Laktosetoleranz geboren wurden, hatten gerade in Zeiten von Nahrungsknappheit oder Dürre deutlich höhere Überlebenschancen. Milch war (und ist) ein wichtiger Kalziumlieferant. Um Kalzium zu verarbeiten, benötigt der Körper ausreichend Vitamin D. Diese Stoffe standen im Vorderen Orient hinreichend zur Verfügung. Es gab genug Sonnenlicht, so dass der Körper genügend Vitamin D produzieren konnte. Es gab Seefisch und ausreichend grünes Blattgemüse. Je weiter der Mensch nach Norden vorstieß, desto schwieriger stellte sich diese Versorgungslage dar. Die Evolution bevorzugte dort naturgemäß Menschen, die Kalzium über die Milch aufnehmen konnten. So finden wir heute in Dänemark und Schweden lediglich zwei bis fünf Prozent der Bevölkerung mit einer Laktoseintoleranz, in Deutschland sind es 15 Prozent, in Sizilien 71 Prozent und in Südostasien 98 Prozent.

 

Das nächste Mal schauen wir uns die ersten Siedlungen etwas näher an. Und vergiss die Gummistiefel nicht!