An Ramses II. erinnern wir uns heute unter anderem deshalb so gut, weil er sich in seiner langen Regierungszeit in vielen Bauten im wahrsten Wortsinn verewigte. Abu Simbel ist sicherlich das herausragendste Beispiel. Auf diese Tempelanlage wollen wir jetzt einen Blick werfen und die Gelegenheit nutzen, uns auch ein paar andere ägyptische Kulturdenkmäler kurz anzuschauen.
Abu Simbel
Ganz im Süden Ägyptens, nahe der Grenze zum Sudan, findet sich der Tempel von Abu Simbel. Er liegt heute 64 Meter oberhalb des Ortes, an dem er ursprünglich errichtet wurde. Zwischen 1963 bis 1968 wurde er verlegt, um sein Versinken in den steigenden Wassern des 1970 endgültig fertiggestellten Assuan-Staudamms zu verhindern.
Die Anlage besteht aus dem großen Tempel zu Ehren Ramses II. und einem kleineren Hathor-Tempel für seine Frau Nefertari. Den Eingang des großen Tempels bewachen vier 21 Meter hohe Sitz-Statuen, die Ramses II. mit der Doppelkrone Ober- und Unterägyptens zeigen. Schon zur Bauzeit wurde der Tempel durch ein Erdbeben beschädigt, das auch eine dieser vier Statuen zerstörte. Teile des Kopfes und des Torsos sind abgebrochen und liegen nun vor dem Tempel im Sand.
Der kleine Tempel der Nefertari liegt etwa 150 Meter entfernt. Sein Eingang ist durch sechs stehende Figuren gekennzeichnet. Nefertari steht beidseitig jeweils in der Mitte von zwei Statuen von Ramses. Die Besonderheit besteht darin, dass sie in gleicher Größe wie Ramses dargestellt ist. Eine ähnlich gleichrangige Darstellung war absolut unüblich, wir kennen sie nur von dem exzentrischen Echnaton und Nofretete.
Während der Nefertari-Tempel der Göttin Hathor, der Frau des Horus, geweiht ist, stehen im großen Tempel des Ramses die Reichsgötter Amun-Re für Theben, Ptah für Memphis und Re-Harachte für Heliopolis im Mittelpunkt. Die Anlage ist 63 Meter weit in den Felsen getrieben. Zwei Mal im Jahr leuchtet die Sonne durch den Eingang tief in den Tempel hinein und erhellt die Figuren von Amun-Re, Re-Harachte und des vergöttlichten Ramses. Ptah bekommt nur ein paar Strahlen auf seiner linken Schulter ab. Als Erdgott muss er damit zufrieden sein. Abu Simbel diente sicherlich der Darstellung der Macht des Ramses, gerade gegenüber den südlichen Nachbarn Ägyptens.
Karnak
Abu Simbel ist allerdings nicht die größte ägyptische Tempelanlage. In diesem Ranking führt eindeutig das in der Nähe von Theben liegende Karnak. Wir sind diesem Heiligtum schon hie und da begegnet. Amenophis I. hat mit gebaut, Thutmosis III. die Schlacht von Meggido verewigt. Die ältesten Bauten, die sich bis heute erhalten haben, stammen von Sesostris I. (1971 bis 1926 v. Chr.) aus der 12. Dynastie. Auslöser für den Bau war die Erhebung von Amun zum Reichsgott im frühen Mittleren Reich.
Viele einzelne, unterschiedlichen Gottheiten gewidmete Tempel finden sich auf der Anlage. James-Bond-Fans werden sich vielleicht an die Szenen aus »Der Spion, der mich liebte« erinnern, in denen eine Verfolgungsjagd zwischen den 134 mächtigen Säulen im gleichnamigen Saal stattfindet. Dieser Saal wurde von Haremhab begonnen und von Ramses II. vollendet.
Über Jahrtausende bis in die römische Kaiserzeit hinein wurde die Anlage erweitert und umgebaut.
Ein Gefühl für die Bedeutung der Tempel erhalten wir, wenn wir uns erinnern, über welche Mittel die Priester verfügten. Zu Zeiten Ramses III. (reg. 1186 bis 1155 v. Chr.), also etwa 100 Jahre nach Ramses II., besaß der Tempel des Amun-Re 86.486 Menschen, 433 Gärten, 83 Transportschiffe, 46 Werften, 65 Städte bzw. Dörfer, 421.362 Rinder und etwa 2.500 Quadratkilometer des wertvollen Ackerlands entlang des Nils. Das ist etwa die Größe des Staates Luxemburg. Jetzt erinnern wir uns kurz nochmal an Echnaton und können uns vorstellen, dass die Amun-Priester von dieser ganzen Aton-Sache sehr wenig gehalten haben und es kein Wunder war, dass diese Idee sich nicht durchsetzen konnte. Auf der anderen Seite ist es erstaunlich und zeigt die Machtfülle und Bedeutung, die einem Pharao zukam, dass Echnaton dennoch über seine ganze Regierungszeit hinweg das Thema durchziehen konnte, bis hin zum Bau einer neuen Hauptstadt.
Tal der Könige
Auf der anderen Nilseite ebenfalls nahe Theben befindet sich das Tal der Könige, eine Nekropole, in der bisher 64 Gräber gefunden wurden. Südlich davon liegt das Tal der Königinnen mit 90 bekannten Gräbern. Hier findet sich auch das Grab der Nefertari. Beide Anlagen dienten insbesondere den Herrschern und hohen Beamten des Neuen Reiches als letzte Ruhestätte. Das bekannteste ist sicherlich das 1922 von Howard Carter entdeckte Grab Tutanchamuns.
Abydos
Auch in Abydos, gut 150 Kilometer stromaufwärts gelegen, findet sich eine große Nekropole. Hier wurden bereits Pharaonen ab der 1. Dynastie bestattet, bevor Djoser auf die Idee mit diesen Pyramiden kam. Es finden sich aber auch Beamtengräber aus der 6. Dynastie. Ramses II. ließ hier mächtige Tempelanlagen errichten. Bis hinein in die 25. Dynastie finden sich Gräber.
Heliopolis
Werfen wir noch einen Blick nach Heliopolis, das wir bislang etwas vernachlässigt haben. Das ist besonders sträflich, als nach einer ägyptischen Mythologie Heliopolis der Urhügel war, der sich als erster aus der Urflut erhoben hat. Insofern findet sich hier auch mit etwa 100 Hektar der größte Tempelbezirk ganz Ägyptens. Auch hier hat Ramses II. gebaut und den Sonnentempel aus dem Alten Reich erweitert. Der Obelisk auf dem Petersplatz in Rom stammt aus Heliopolis. Die Stadt war für die Ägypter also religiös und kulturell sehr bedeutend, sie war jedoch nie politischer Mittelpunkt.
Piramesse
Wir haben gesehen, dass sich Ramses II. in jeder dieser Kultstätten verewigt hat. Auch eine neue Hauptstadt ließ er bauen, Piramesse nahe der alten Hyksos-Hauptstadt Auaris und des heutigen Qantir im Nildelta. Allerdings war die Standortwahl suboptimal. Schon 1110 v. Chr. wurde die Stadt aufgegeben, da der pelusische Nilarm, an dem sie errichtet wurde, zunehmend versandete. Man zog mit vielen Monumenten in das 30 Kilometer entfernte Tanis um, das in der 21. Dynastie der Dritten Zwischenzeit dann Hauptstadt wurde. Indiana Jones fand dort die Bundeslade, wie auch immer sie dorthin gelangt sein mag.
Das Ende der 19. Dynastie
Nach 66 Regierungsjahren starb Ramses II. im Jahr 1213 v. Chr. hochbetagt mit etwa 90 Jahren. Sein 13. Sohn Merenptah folgte ihm. Er hatte, wie viele seiner Vorfahren, immer wieder mit Aufständen an den Grenzen zu Nubien, Libyen und in Palästina zu kämpfen, die er jedoch erfolgreich einhegen konnte, zumal die Freundschaft mit den Hethitern anhielt. Erstmals bezeugt sind nicht nur das Land, sondern auch das Volk Israel. Bei der vom Libyerkönig Mereye (um 1210 v. Chr.) angeführten, letztlich erfolglosen Invasion aus dem Westen tauchten als dessen Verbündete das erste Mal auch die sogenannten Seevölker auf, die uns, wenn wir später auf die Geschichte Griechenlands und Kleinasiens schauen, noch einmal beschäftigen werden.
Zunächst einmal siegte Merenptah. Viele der 16.000 Gegner fielen, viele wurden jedoch auch gefangen genommen und im Nildelta angesiedelt.
Auch Merenptahs Sohn, Sethos II. (reg. 1203 bis 1197 v. Chr.) hatte einen schwierigen Start. In Oberägypten bestieg der nubische Vizekönig Messui nach längeren Kämpfen als Amenmesse (reg. 1203 bis 1200 v. Chr.) den Thron. Nach drei Jahren konnte Sethos II. ihn zwar vertreiben, hatte persönlich von diesem Sieg jedoch wenig, da er nach weiteren drei Jahren starb.
Sethos II. war mit Tausret (gest. 1189 v. Chr., reg. 1191 bis 1190 v. Chr.) verheiratet, die nach seinem Tod zuerst für den gemeinsamen 14-jährigen Sohn Siptah (reg. 1197 bis 1191 v. Chr.) und nach dessen Tod als eigenständige Pharaonin allein regiert. Dabei unterstützt sie zunächst ihr syrischer Vertrauter, der Kanzler Bay (gest. 1192 v. Chr.). Mit ihr endet die 19. Dynastie in eher chaotischen Zuständen. Selbst Bay entkam nicht der Hinrichtung.
Wir sehen, dass bereits ein paar Jahre nach dem Tod des großen Ramses das Reich vom Zerfall bedroht war. Insofern mag man sich fragen, ob die Zuschreiben »der Große«, die viele Ramses II. geben, wirklich berechtigt ist. Er hat lange regiert, hat viele Baudenkmäler hinterlassen und (fast) keinen Krieg verloren. So blieb er uns vielfältig in Erinnerung. Er hat aber auch ein Reich hinterlassen, das nicht wirklich stabil war. Das lässt doch Zweifel an seiner Größe aufkommen. Aber wer sind wir, darüber zu urteilen? Gönnen wir es ihm und schauen, wie es weiterging.
Die 20. Dynastie
Die 20. Dynastie begann mit Sethnacht, der allerdings auch nur kurz von 1190 bis 1186 v. Chr. regiert. Wie genau er an die Macht kam, wissen wir nicht. Er war zumindest kein durch irgendwelche familiären Bindungen legitimierter Nachfolger, sondern berief sich auf die Einsetzung als Pharao durch den Gott Re. Ihm und insbesondere seinem Sohn Ramses III. (reg. 1186 bis 1155 v. Chr.) gelang es, die staatliche Ordnung wiederherzustellen. Gewisse Parallelen zur Machtübernahme von Haremhab am Übergang von der 18. auf die 19. Dynastie sind nicht zu übersehen.
Ramses III. gelang es vor allem, die Einfälle der Libyer vom Stamm der Meschwesch zurückzudrängen. Er verfolgte wie Merenptah die Politik, die geschlagenen Stämme im Nildelta anzusiedeln. Auch wiederholte Angriffe der Seevölker auf Palästina und das Nildelta konnte er erfolgreich abwehren.
Innenpolitisch hatte er weniger Erfolg. Über die Bedeutung der Tempel und Priesterschaft für das Wirtschaftsleben haben wir schon kurz gesprochen. Ramses III. verstärkte diese Situation durch großzügige Geschenke, so dass am Ende seiner Regierungszeit ein Drittel des Ackerlandes ganz Ägyptens den vielen Tempeln gehörte. Er untergrub so immer mehr die Finanzierung des Staates, der immer weniger kraftvoll agieren konnte. Aufgrund unzureichender Getreideversorgung der Arbeiter für die diversen Baudenkmäler kam es in Teilen sogar zu Streiks.
In Oberägypten herrschten in Folge irgendwann de facto die thebanischen Priester. Dem Pharao blieb der Norden, egal ob er in Memphis, Piramesse oder später in Tanis Hof hielt. Obwohl er ja militärisch einige Erfolge vorzuweisen hatte, verbot sich natürlich ein gewaltsames Vorgehen gegen die Priesterschaft. So hatte der Pharao im Süden keine unmittelbare Regierungsgewalt mehr, wurde allerdings noch als formelles Staatsoberhaupt anerkannt, also in einer Rolle wie sie der britische Monarch in Kanada oder anderen Ländern des Commonwealth einnimmt. Wir müssen ab dieser Zeit von zwei de facto unabhängigen Reichen sprechen.
Die Schwäche der Regierung zeigte sich eklatant, als Ramses III. einer Verschwörung zum Opfer fiel. Teje, eine seiner Nebenfrauen, wollte, dass ihr Sohn Pentawer (1173 bis 155 v. Chr.) der nächste Pharao wird, und ließ Ramses III. ermorden. Der Mord war erfolgreich, der Rest des Plans schlug fehl. Am Ende bestieg der rechtmäßige Nachfolger, Ramses IV., den Thron.
Hinsichtlich der Namen der Pharaonen wird es jetzt einfach. Von Ramses IV. (1155 bis 1149 v. Chr.) bis Ramses XI. (1107 bis 1077 v. Chr.) heißen die nächsten 90 Jahre alle Pharaonen nach dem großen Ramses II. Viel Erfolg hatten sie alle nicht, die anhaltende Wirtschaftskrise mündete letztlich in einen Bürgerkrieg und in die Dritte Zwischenzeit.
Wir sparen uns, die einzelnen Ramsesse durchzugehen. Wichtig ist, dass in diesen Jahren die innere und äußere Kraft des Reiches zusehends schwanden. Libysche und auch innenägyptische Räuberbanden zogen plündernd durchs Land. Der Einfluss in der Levante schwand immer mehr, die Steuereinnahmen gingen entsprechend zurück und die Macht des Pharao schrumpfte immer mehr. Hatte Ramses IV. noch eigene Bauten beauftragen können, musste sich sein Bruder und Nachnachfolger Ramses VI. (reg. 1145 bis 1137 v. Chr.) schon damit behelfen, auf bestehenden Bauten die Namenskartusche der eigentlichen Bauherren durch seine eigene zu überschreiben. Sein Selbstbewusstsein war jedoch ungebrochen, so ließ er berichten, er habe "das ganze Land mit großen Denkmälern in meinem Namen bedeckt".
Vielleicht handelt es sich aber auch um eine Missinterpretation und er wollte nur sagen, dass er im ganzen Land große Denkmäler mit seinem Namen bedeckt habe. So recht glauben wir aber nicht daran.
Über Ramses VII. (reg. 1137 bis 1130 v. Chr.) bis Ramses X. (reg.1111 bis 1107 v. Chr.) ist nichts zu sagen. So schließen wir diese Folge nicht so ganz beschaulich mit dem Tod Ramses V., (reg. 1149 bis 1145 v. Chr.) der als eines der ersten bekannten Opfer der Pocken in die Geschichte einging.
Haben wir dieses Mal nahezu nur mit dem Namen Ramses zu tun gehabt, wird es nächstes Mal deutlich bunter.