Die Reformversuche des Marcus Livius Drusus
Nach dem gescheiterten Aufstand des Saturninus folgten ein paar ruhigere Jahre. Geprägt wurde Rom in dieser Zeit durch die Aktivitäten des Marcus Livius Drusus (um 124 bis 91 v. Chr.), dessen gleichnamigen Vater wir als Gegenspieler Gaius Gracchus‘ kennenlernen durften. Wie der Vater, so der Sohn, könnte man meinen, denn auch jetzt versuchte Drusus, 91 v. Chr. zum Volkstribun gewählt, ein Reformpaket durchzusetzen, das letztlich die aristokratische Senatspartei der Optimaten stärken sollte. Er machte es zwar geschickter als sein Vater, gleichwohl am Ende weniger erfolgreich.
Drusus verstand, dass die von den Gracchen eingeführte Instrumentalisierung der Volksversammlung als Hebel der Macht gegen den Senat nicht wieder aus der Welt geschafft werden konnte. Also versuchte er sich auch an diesen Noten. Mit einer Halbierung der Getreidepreise meinte er, das Volk locker auf seine Seite bringen zu können. Zudem sollte die Landverteilung wieder aufgenommen werden, wobei er auch das von Bundesgenossen besetzte Land in die Verteilmasse mit aufnehmen wollte. Insbesondere die deutlich ausgeweitete Subventionierung des Getreidepreises belastete jedoch die Staatskasse bis an die Grenze des Möglichen. Sogar dem Silberdenar musste ein Achtel Kupfer beigemischt werden, um zahlungsfähig zu bleiben. »Aut caenum aut caelum«, nur Kot oder den Himmel gebe es jetzt noch zu verteilen, war die Schlussfolgerung von Drusus.
Diese Maßnahmen waren ja eigentlich nicht typisch für einen Vertreter der Senatspartei. Der Hintersinn dabei war, dass nun den Popularen keine Möglichkeit mehr blieb, noch mehr zu fordern. Eine teure, aber wirkungsvolle Maßnahme, den politischen Gegner ruhig zu stellen. Drusus bündelte sie mit zwei weiteren grundsätzlichen Themen: der Vergrößerung des Senats von 300 auf 600 Mitglieder und dem Bürgerrecht für Bundesgenossen.
Die Vergrößerung des Senats sah der Stand der Ritter mit zwei Herzen in seiner Brust. Auf der einen Seite bedeutete es für 300 Angehörige dieses Standes einen großen sozialen Aufstieg. Auf der anderen Seite sollte damit das von Gaius Gracchus eingeführte Recht aufgehoben werden, dass alle Richter und Geschworenen ausschließlich aus dem Stand der Ritter zu besetzen seien.
Ähnlich gespalten war der Senat, da eine Verdoppelung der Zahl der Senatoren gefühlt eine Halbierung der Bedeutung eines einzelnen Senators nach sich zog. Gerade die Senatoren, die nicht so im Rampenlicht standen, sahen dies sehr skeptisch. Aus ähnlichen Gründen herrschte im Volk, vor allem auch in den unteren Schichten, große Skepsis gegenüber der ja schon von den Gracchen vorgeschlagenen Idee, das römische Bürgerrecht auf die italischen Völker auszudehnen. Damit würden Privilegien verloren gehen, und das sieht niemand gerne.
Gleichwohl gelang es Drusus, sowohl Senat als auch Volksversammlung zur Zustimmung zu seinem Gesetzespaket zu überreden. Diese Einigkeit hielt jedoch nicht lange durch.
Formale Gründe – die unterschiedlichen Gesetze hätten nicht in einem Bündel, sondern getrennt entschieden werden müssen – waren der Anlass, der schwelende Widerstand im Senat aus den genannten Gründen die tiefere Ursache, warum es bald danach Konsul Lucius Marcius Philippus (etwa 141 bis 73 v. Chr., amt. 91 v. Chr.) gelang, die ganzen Gesetze wieder einzukassieren.
Auch wenn Drusus' Reformen deutliche Schwächen hatten, wurde durch die strikte Ablehnung aus egoistischen standespolitischen Gründen eine sehr gute Chance verspielt, die Verfassung Roms zu reformieren und an die veränderten Verhältnisse anzupassen. Ob und wie Drusus‘ Gesetze denn in der Praxis funktioniert hätten, wissen wir nicht. Die Höhe der Getreidesubventionen mag einen mehr als skeptisch stimmen. Immerhin war die Macht eines Volkstribuns durch Drusus‘ Agieren sehr deutlich geworden. Wie lange das dann wirklich gut gegangen wäre, ist somit zumindest fraglich. Nicht gut ging es für Drusus weiter, er wurde noch im selben Jahr ermordet.
Der Bundesgenossenkrieg
Der Krieg, der sich kurz darauf zwischen italischen Stämmen und Rom entwickelte, hatte seinen Grund auch in der Ablehnung der Gesetze des Drusus. Insbesondere stieß natürlich das so verweigerte vollständige römische Bürgerrecht auf. Wenn man jemandem erst eine Wurst hinhängt und sie dann wieder wegnimmt, löst dies selten Freude aus. Während die griechisch geprägten Städte im Süden sowie auch die Stämme Etruriens ruhig blieben, erhoben sich die Marser aus den Abruzzen im Norden und die Samniten im Osten Roms. Gegen diese hatte es ja schon 200 Jahre zuvor einen langen Krieg gegeben.
Auslöser jetzt war das arrogante Auftreten eines römischen Prätors, vermutlich des Statthalters in Asculum Quintus Servilius (gest. 90 v. Chr.) im Jahr 91 v. Chr. Vordergründig wird als Ziel der Aufständischen angenommen, das römische Bürgerrecht zu erhalten, war diese Weigerung doch ein Auslöser für den Konflikt. Viel wahrscheinlicher ist allerdings das Gegenteil. Niemand hat es gerne, dass an anderer Stelle - in diesem Fall also in Rom - über das eigene Wohl und Wehe entschieden wird, und dies dann noch in einer Arroganz und mit einem Hin und Her der Entscheidungen. Da schien es doch lukrativer, als selbständige Staaten, mit Rom allenfalls in einem föderalen Bundesstaat zusammenzuleben. Es mag den italischen Völkern also primär um ihre Unabhängigkeit und gerade nicht um die Eingliederung ins römische Herrschaftsgebiet und damit die Aufgabe dieser gegangen sein. Hierfür spricht unter anderem, dass die Bundesgenossen einen gemeinsamen Staat mit dem zukunftsweisenden Namen Italia ausriefen und für diesen auch einen gemeinsamen Senat und Konsuln ernannten. Wir lernen wieder einmal, dass wir aufpassen müssen, nicht irgendwelche für uns schlüssigen Narrative in die Geschichtsschreibung einzuweben, damit sich alles wunderbar logisch aufeinander aufbauend erzählen lässt. Wir wissen aber auch, dass wir dieses immer wieder tun werden.
Rom stand jetzt vor dem Problem, dass große Teile des Heeres, die bisher auf der eigenen Seite gekämpft hatten, einem nun als Gegner gegenüberstanden. Römisch ausgebildete Soldaten mit entsprechender Kampferfahrung besiegte man nicht mal so eben nebenbei, insbesondere, wenn die Zahl der eigenen Kämpfer plötzlich deutlich reduziert war. Die Lücken mussten mit Truppen aus anderen Teilen des Reiches aufgefüllt werden. Das ging nicht von heute auf morgen.
Es war zu Beginn ein aus römischer Sicht durchaus nicht unüblicher Kriegsverlauf, da der Gegner erst einmal die Oberhand hatte. Trotz der beschriebenen innenpolitischen Spannungen agierte man aber klug und versuchte, die Sache diplomatisch zu lösen. Im Herbst 90 v. Chr. bot man den Gemeinden, die sich nicht an dem Aufstand beteiligten, dann doch das römische Bürgerrecht an. Diese Botschaft ging insbesondere in Richtung der Städte, die sich noch nicht so recht entscheiden konnten und erst einmal abwarten wollten, wie die Dinge sich entwickeln. Nahmen diese das römische Angebot nicht an, waren sie automatisch auf der Seite der Gegner. Der Druck wirkte schon, aber er überzeugte letztlich nur bedingt. In Städten wie Neapolis oder Heraclea am Golf von Tarent und anderen wurde das römische Angebot beispielsweise nur mit sehr knapper Mehrheit angenommen.
Insgesamt reichte die Maßnahme nicht aus, das gegnerische Bündnis zu sprengen. Auch ein weiteres 89 v. Chr. erlassenes Gesetz, das einzelnen Bürgern aus den verfeindeten Staaten das römische Bürgerrecht zusprach, wenn sie sich entsprechend bewarben, half nur bedingt. Es gebrauchte eines hohen militärischen Einsatzes, um den Krieg im Jahr 88 v. Chr. endgültig zu beenden, auch wenn sich einige samnitische Widerstandsnester noch länger wehrten.
Sukzessive wurde in diesen beiden Jahren allen Einwohnern Italiens, zum Schluss auch den Bundesgenossen nördlich des Pos, das römische Bürgerrecht verliehen. Für die Aufständischen war dies kein Sieg, eher das Gegenteil. Sie hatten für ihre Unabhängigkeit gekämpft und bekamen die Abhängigkeit durch die formale Eingliederung in den römischen Staat. Rom hatte sich dagegen wieder einmal nach anfänglichen Rückschlägen gefangen und die richtige Strategie gewählt. Diese Flexibilität und dieser Pragmatismus waren weiterhin die Erfolgsgaranten für das Wachstum des Römischen Reichs.
Wahlsysteme
Entscheiden ist das eine, Umsetzen das andere. Über die Eingliederung der vielen neuen Bürger gab es in Folge einen heftigen Zwist zwischen den beiden Parteien, den Popularen und den Optimaten. Der Volkstribun Publius Sulpicius Rufus (124 bis 88 v. Chr.) trat dafür ein, die neuen Stimmbürger gleichmäßig auf alle 35 Stimmbezirke (tribus) zu verteilen. Das römische Abstimmungssystem sah vor, dass die Menschen erst in ihrem tribus abstimmen. Bei der entscheidenden Runde hatte jeder Bezirk dann nur eine Stimme, die er entsprechend des eigenen Abstimmungsergebnisses abgab. Dort wurde dann die Mehrheit aller 35, also 18 Stimmen für die Annahme eines Vorschlags benötigt. Ein Mehrheitswahlsystem ähnlich den angelsächsischen Regelungen. Der Vorschlag von Rufus bedeutete, dass in nahezu jedem Tribus die Neubürger die Mehrheit hätten, vorhandene Machtstrukturen wären zerbrochen. Auch die Macht der Ritter würde gestärkt werden, da die reichen Neubürger diesem Stand zugerechnet wurden. Dies wäre auf der anderen Seite eine Reduzierung der Macht des Senats. Bei einer Begrenzung der Stimmen auf acht tribus oder gar nur auf einen, wie es Gegenvorschläge vorsahen, wäre der Einfluss der Senatoren in einem Großteil oder nahezu allen Bezirken unverändert geblieben. Somit hätten sich auch die Neubürger häufiger an die einflussreichen Senatoren wenden müssen, die ihren Einfluss dann leichter auf die neuen Regionen hätten ausweiten können. Hauptvertreter dieser senatorischen Position war Lucius Cornelius Sulla, den wir zum Ende des Jugurthinischen Krieges bereits kurz getroffen haben.
Gemeinsam mit seinem Mitkonsul Quintus Pompeius Rufus (gest. 88 v. Chr., amt. 88 v. Chr.) versuchte Sulla den Vorschlag von Sulpicius zu verhindern. Dabei kamen sie auf die innovative Idee, die Wochen bis zum Ende der Amtszeit des Sulpicius zu Feiertagen zu erklären, an denen das politische Leben zu ruhen habe. Ein weiterer Tabubruch mit den althergebrachten Regeln. Sie kamen damit aber nicht durch, der Vorschlag von Sulpicius wurde angenommen. In Folge kam es zu so starken gewalttätigen Tumulten, dass beide Konsuln fliehen mussten. Sulla suchte im Haus des mittlerweile siebzigjährigen Gaius Marius Schutz und bat ihn, der ja bei den Popularen seit langem hohes Ansehen genoss, die Lage zu beruhigen. Marius half, auch mit den Hintergedanken, so einen dritten Frühling in der politischen Arena erleben zu können. Sulla musste in seiner Rolle als Konsul zähneknirschend dem Gesetz des Sulpicius zustimmen, wenn er denn unbeschadet aus der Situation herauskommen wollte. Daraufhin reiste er zu seinen Truppen, mit denen er im Bundesgenossenkrieg erfolgreich gekämpft hatte, nach Nola, etwa 35 Kilometer nordöstlich von Neapel.
Sulla macht Karriere (1)
Diesen Sulla müssen wir uns etwas genauer anschauen. Nach dem Jugurthinischen Krieg hatte er eine normale, aber keine blendende Karriere gemacht. Auch im Krieg gegen die Kimbern und Teutonen agierte er zunächst als Legat unter Gaius Marius, später war er bei den Legionen des Quintus Lutatius Catulus (149 bis 87 v. Chr., amt. 102 v. Chr.), die allerdings weniger erfolgreich agierten als die des Marius. Bereits zu dieser Zeit stärkte er seine Beziehungen zur Senatspartei der Optimaten. 97 v. Chr. wurde er im zweiten Anlauf zum Prätor gewählt und nach Kilikien an der Südküste Kleinasiens geschickt. Dort traf er das erste Mal auf König Mithridates VI. von Pontos (etwa 132 bis 63 v. Chr., reg. 120 bis 63 v. Chr.). Dies war ein östlich von Bithynien an der kleinasiatischen Schwarzmeerküste gelegenes Königreich, dessen Ursprung in den Diadochenkriegen liegt. Mithridates I. (reg. 281 bis 266 v. Chr.) hatte dort 150 Jahre zuvor das Königtum begründet, das danach, beispielsweise im Dritten Punischen Krieg, häufig Rom unterstützte. Mithridates VI. führte das Königreich in dem Zeitraum, den wir jetzt betrachten, erst zur Blüte und dann in den Untergang. Wir schauen uns das demnächst noch genauer an.
Pontos' Aufstieg unter Mithridates VI.
Den Aufstieg Pontos' erlebte Sulla während seines Aufenthaltes in Kleinasien mit. Im Westen hatte man sich im Einvernehmen mit dem westlich davon gelegenen Bithynien große Teile des zwischen beiden Ländern liegenden Paphlagonien einverleibt. Im Osten hatte man begonnen, erst die östliche und in Folge auch Teile der nördlichen Schwarzmeerküste bis hinaus hoch zur Krim zu erobern. Und im Süden war man bis an die Grenze von Kappadokien vorgestoßen, einem römischen Klientelstaat nördlich des Taurus-Gebirges und nordöstlich von Kilikien gelegen.
Nach der Ermordung des kappadokischen Herrschers Ariarathes VII. (gest. 101 v. Chr., reg. 116/111 bis 101 v. Chr.) nutzte Mithridates die vermeintliche Chance und setzte seinen achtjährigen Sohn als neuen König Ariarathes IX. (108 bis 85, reg. 100 bis 85 v. Chr.) und einen seiner Vertrauensleute, Gordios (um 100 v. Chr.), als Regenten ein. Die Kappadokier fanden diese Idee nicht so prickelnd und ernannten den jüngeren Bruder des verstorbenen Königs als Ariarathes VIII. (gest. 96/95 v. Chr., reg. 101 bis 96 v. Chr.) zum König. Die Zählfolge der Herrschernamen ist hier nicht die, die seinerzeit gewählt wurde, sondern die, die sich aus der zeitlichen Abfolge ergibt. Mithridates setzte 95 v. Chr. seine Idee dann mittels eines Feldzuges doch durch und vertrieb Ariarathes VIII. Die Kappadokier beschwerten sich in Rom. Da Ariarathes VIII. kurz nach seiner Vertreibung gestorben war, entschied, entschied der Senat, dass ein neuer König gewählt werden solle. Die Kappadokier entschieden sich für Ariobarzanes I. (reg. 95 bis 63/62 v. Chr.). Sulla durfte 96 v. Chr. ein Heer aufstellen, um den rechtmäßigen kappadokischen König wieder zu seinem Amt zu verhelfen. Es wird nun leider etwas kompliziert, da er bei seinem erfolgreichen Feldzug, in dem er Mithridates VI. bis an den Euphrat zurückdrängen konnte, auf das Reich der Parther stieß. Deren König hieß auch Mithridates (gest. 91 v. Chr., reg. 124 bis 91 v. Chr.), war dort aber erst der zweite dieses Namens. Die Parther waren eines der Nachfolgereiche der Seleukiden, wir schauen sie uns bald noch etwas intensiver an, weil sie als Großmacht im Osten in häufige Konflikte mit Rom gerieten. 95 v. Chr. einigte man sich noch friedlich. Ariobarzanes wurde wieder König von Kappadokien, Mithridates VI. zog sich zurück, verbündete sich mit seinem Schwiegersohn Tigranes II. von Armenien (140 bis 55 v. Chr., reg. 95 bis 55 v. Chr.), dessen Reich östlich an das von Pontos anschloss und südlich des Kaukasus bis zum Kaspischen Meer reichte.
Sulla macht Karriere (2)
Zurück in Italien erlitt Sulla ein Schicksal, das viele ehemalige Statthalter traf. Er wurde angeklagt, sich in Kilikien unrechtmäßig bereichert zu haben. So war es beispielsweise 92 v. Chr. auch Publius Rutilius Rufus (158 bis 78 v. Chr., amt. 105 v. Chr.) ergangen. Dieser wurde nach seiner Rückkehr nach Rom trotz seiner von allen Beteiligten als vorbildlich erachteten Amtsführung in der Provinz Asia an der Westküste Kleinasiens aus innenpolitischen Gründen wegen Amtsmissbrauch und Erpressung angeklagt und verurteilt. Mit einer solchen Beschuldigung war also nicht zu spaßen. Sulla hatte jedoch hinreichend Fürsprecher, insbesondere aus dem Senat, die ihn gerne als populäre Führungsfigur etablierten wollten, und entkam so einer Verurteilung.
Er stammte aus einer alten Patrizierfamilie, die jedoch in den letzten Jahrzehnten keinen größeren Einfluss mehr hatte. Er war kein Anhänger der Popularen geworden, sondern setzte weiterhin auf die Partei seiner Herkunft. Im Bundesgenossenkrieg kämpfte er erfolgreich gerade auch gegen die Samniten, so dass er sich, mittlerweile 50 Jahre alt, für das Jahr 88 v. Chr. mit viel Rückenwind für das Konsulat bewerben konnte. Seine Bindung zu den Patriziern stärkte er, indem er sich von seiner dritten Frau Cloelia (um 90 v. Chr.) wegen Unfruchtbarkeit scheiden ließ und Caecilia Metella Dalmatica (gest. um 80 v. Chr.), die Witwe eines der wichtigsten Senatoren, Marcus Aemilius Scaurus (etwa 159 bis 89 v. Chr., amt. 115 v. Chr.), heiratete. Das sehr einflussreiche Geschlecht der Meteller empfand diese Verbindung ebenfalls als sehr nützlich, da sie in Sulla ein gutes Gegengewicht zu dem immer noch aktiven Gaius Marius und den Popularen sahen.
Sulla zieht nach Rom
Nun saß er also in Nola, 35 Kilometer östlich von Neapel und gut 200 Kilometer von Rom entfernt, bei seinem Heer. Dort musste er erfahren, dass man ihn als Oberbefehlshaber für den Krieg gegen Mithridates VI. abgewählt und durch Gaius Marius ersetzt hatte. Die beiden Militärtribune, die diese Botschaft nach Nola brachten, wurden von Sullas Soldaten zu Tode gesteinigt. Ein Zeichen, wie verroht die Sitten bereits waren, wie hoch die Loyalität der Legionäre zu ihren Anführern war (oder sollten wir von Abhängigkeit reden?) und wie sehr Einzel- über Staatsinteresse gesetzt wurde. Wir können ruhig davon ausgehen, dass Sulla diese Tat billigte und die Soldaten in Folge auch wenig Überredungskünste benötigten, Sulla zum nächsten Schritt zu bewegen. Sie befürchteten, dass sie an dem anstehenden Feldzug nach Kleinasien nicht beteiligt seien und ihnen die Siegesbeute entgehen würde. Man zog also nach Rom. Das erste Mal, dass bewaffnete Römer gegen Rom marschierten. Man nennt dies Bürgerkrieg. Dass dies möglich war, hatte seine Gründe sicherlich auch in dem Bundesgenossenkrieg, der ja durchaus in gewisser Weise den Charakter eines Bürgerkriegs hatte. Auch dort hatten römische Legionäre gegen Soldaten gekämpft, die noch kurz vorher Teil des römischen Heeres waren.
In Rom waren alle, Senat und Volk, entsetzt. Man wusste nicht genau, was Sulla vorhatte. Vier Delegationen schickte man ihm entgegen, um ihn umzustimmen. Erst fordernd, dann bittend. Sullas Armee zog ungerührt weiter, erreichte Rom und hatte plötzlich mit dem Widerstand der Bevölkerung zu kämpfen, die sich zwar unbewaffnet – Rom war ja demilitarisierte Zone – aber mit viel Engagement steine- und ziegelwerfend dem Eroberer entgegenstellte. Natürlich hatten sie am Ende keine Chance. Sulla musste aber erkennen, dass er in der Stadt wenig Freunde hatte. Und er hatte wenig Zeit, der Krieg in Kleinasien wartete – oder wartete eben nicht, sondern ging voran.
Wenig Zeit in Rom…
Also musste er auf die Schnelle einiges regeln, um dann bald gen Osten aufbrechen zu können. Selbst wenn er es selbst nicht gewollt hätte, seine Soldaten drängten. Die Beute lockte.
Es ist unklar, wie weit seine Maßnahmen an dieser Stelle gingen. Die Gesetze des Sulpicius wurden auf jeden Fall widerrufen und Sulla setzte auch durch, dass zwölf Personen, darunter Sulpicius und auch Gaius Marius, der ihm ja kurz zuvor bei seiner Flucht aus Rom noch geholfen hatte, zu Staatsfeinden erklärt wurden. Gaius Marius wurde natürlich auch der Oberbefehl für den Feldzug gegen Mithridates VI. entzogen. Das traf ihn nicht unvorbereitet, er war bereits nach Afrika geflohen, so dass er im Gegensatz zu Sulpicius dem Tod entkam. Des Weiteren wollte Sulla durch die Wahl von neuen Funktionsträgern bereits für das kommende Jahr (87 v. Chr.) für eine in seinem Sinne gesicherte Staatsführung in den Zeiten seiner Abwesenheit sorgen. Seine Macht ging allerdings noch nicht so weit, dass er hätte verhindern können, dass auch Gegner seiner Partei, seiner Politik, seiner Person gewählt wurden. Ein Großneffe von Gaius Marius wurde Volkstribun und mit Gnaeus Octavius (gest. 87 v. Chr., amt. 87 v. Chr.) und insbesondere Lucius Cornelius Cinna (um 130 bis 84 v. Chr., amt. 87 bis 84 v. Chr.) wurden ein eher unsicherer Kantonist und ein erklärter Gegner Sullas zu Konsuln gewählt.
Sulla musste los. Er konnte Cinna nur noch den Eid abnehmen, die bisher getroffenen Maßnahmen nicht rückgängig zu machen. Wenn Du Deine Kinder allein lässt und ihnen einschärfst, nicht mit der Spielkonsole zu zocken, hätte das einen ähnlichen Effekt. Sullas Mitkonsul Quintus Pompeius Rufus sollte während Sullas Asienfeldzug in Italien bleiben und die letzten samnitischen Widerstandsnester erledigen. Zudem dachte Sulla, dass vor Ort in Rom eine gewisse Erinnerung an seine Macht gar nicht so schlecht wäre. Rufus sollte hierfür die Truppen von Gnaeus Pompeius Strabo (135 bis 87 v. Chr., amt. 89 v. Chr.) übernehmen, einem Heerführer, der sich im Bundesgenossenkrieg verdient gemacht hatte. Dieser übergab den Oberbefehl auch an Rufus, seine Soldaten waren damit aber gar nicht einverstanden. Sie ermordeten Rufus bereits ein paar Tage später, vielleicht sogar mit Billigung von Pompeius Strabo, der damit wieder Befehlshaber seiner Truppen war. Auch hier sehen wir wieder, dass die Legionen sich ihrem Anführer und nicht irgendwelchen Staatsorganen verpflichtet fühlten.
Sullas Zeit wurde knapp. Mittlerweile hatte der Krieg nach Griechenland übergegriffen, so dass er Anfang 87 v. Chr. die unklare Situation in der Heimat hinter sich lassen musste und mit seinem Heer nach Epirus übersetzte.
Das nächste Mal schauen wir dann wie es dort und natürlich auch in Rom weiterging.