Octavians Herkunft
Die prägenden Figuren der nächsten Jahre waren Caesars General Marcus Antonius auf der einen und der von Caesar als Erbe eingesetzte als Gaius Octavius geborene Octavian auf der anderen Seite. Aus ihm wurde am Ende Roms erster Kaiser Augustus. Schauen wir uns ihn also etwas genauer an.
Gaius Octavius' Mutter war eine Nichte von Gaius Julius Caesar. Die Familie der Octavier gehörte dem Ritterstand an, also nicht zur eingesessenen nobilitas. Seinem gleichnamigen Vater (etwa 100 bis 59 v. Chr.) gelang der Aufstieg in den Senat. 61 v. Chr. wurde er zum Prätor ernannt, starb allerdings wenige Jahre später. Gaius wurde in Folge von seiner Großmutter Julia Minor (vor 100 bis 51 v. Chr.) erzogen. Dies war trotz des Beinamens die ältere Schwester Caesars, da es zudem eine noch ältere Schwester gleichen Namens gab (Julia Major, geb. vor 103 v. Chr.). Die Hinweise auf das Alter mögen jetzt etwas uncharmant klingen, die beiden Damen werden es mir hoffentlich nachsehen.
Caesar hatte also Gelegenheit, den Jungen von klein auf zu beobachten. Die Entwicklung zum ersten Kaiser wird er nicht zwingend gesehen haben, das Potential, das in dem Kind steckte, schon. Vor diesem Hintergrund verwundert es dann nicht, dass er den zum Zeitpunkt seines Todes erst 19-jährigen Octavian in seinem Testament adoptiert und zu seinem Erben gemacht hatte. Er hatte ja im Zweifel vor, noch etwas länger zu leben und nicht geplant, dass sein Erbe von einem Teenager angetreten werden sollte. Gaius Octavius war jedoch selbstbewusst genug und nannte sich nun nach seinem Adoptivvater selbst Gaius Julius Caesar. Den Zusatz Octavianus, der nach einer Adoption normalerweise zu diesem Namen ergänzend hinzugefügt worden wäre, hat er nie gebraucht. Wir werden ihn zunächst dennoch Octavian, später dann Augustus, nennen, um jegliche Verwirrung und Verwechslung auszuschließen.
Startaufstellung
Vom Tod Caesars erfuhr er in Makedonien auf der anderen Seite der Adria. Er war dorthin im Vorgriff auf den geplanten Feldzug gegen die Parther gereist, den er als Reiterführer begleiten sollte. Da er vom Typ her eher nicht der Kämpfer war, mag er ganz froh gewesen sein, nun einen guten Grund dafür zu haben, nach Rom zurückzukehren. Dabei nahm er vorsichtshalber die für den Partherfeldzug gut gefüllte Kriegskasse mit. Hebben is hebben, man kreegen is de Kunst, wie ein altes plattlateinisches Sprichwort sagt. In Rom angekommen akzeptierte er das Testament des Caesar, nahm also das Erbe an und änderte wie gesagt seinen Namen.
Wir sehen nun drei Parteien auf der Bühne. Die Caesarmörder mit ihren Anführern Brutus und seinem Schwager Cassius waren vom Senat auf Ciceros Initiative und mit Unterstützung von Marcus Antonius amnestiert worden. Es hatte nicht den von ihnen erwarteten Jubel über die Rettung der Republik gegeben, diese war auch nicht wie ein Phönix aus der Asche der Bürgerkriege auferstanden. Stattdessen hatte der Senat den Mord als Verbrechen eingestuft und die Verbrecher straffrei gestellt. Das war irgendwie etwas anderes. Im Senat vertrat Cicero in gewisser Weise ihre Interessen, da er den Tod Caesars insofern begrüßte, als auf diese Weise das Ende der Republik abgewendet wäre.
Gesteuert wurde die gesamte Entwicklung wesentlich von Marcus Antonius, der versuchte, die Anhänger Caesars um sich zu scharen. Brutus hatte verhindert, dass der Anschlag auch ihn als Caesars Mitkonsul traf. Er wird diese Gutmütigkeit bereut haben. Marcus Antonius war als Soldat ein Mann der Tat. Er bemächtigte sich nicht nur der Papiere und des Vermögens Caesar, sondern auch des 700 Millionen Sesterzen starken Staatsschatzes. So konnte er seine Schulden bezahlen. Das erleichtert ja auch und macht den Kopf frei für die Politik. Er sicherte den Fortbestand der von Caesar erlassenen Gesetze, indem er den Senatoren vor Augen hielt, dass die meisten von ihnen ohne Caesar nicht in ihrem Amt wären, und er schaffte es, mit seiner Trauerrede am 20. März das Volk vollständig auf seine Seite zu bringen. Zudem gelang es ihm, Marcus Aemilius Lepidus (90 bis 12 v. Chr., amt. 46 und 42 v. Chr.), einen weiteren Heerführer Caesars, dessen Truppen unweit Roms lagerten und der in der Nacht nach dem Mord erst einmal das Forum besetzen ließ, von einem sofortigen Vorgehen gegen die Mörder abzuhalten. Im Gegenteil, am Abend des 17. März waren Brutus bei Lepidus und Cassius bei Antonius zu Gast. Dieser wollte die Macht in seinen Händen behalten und war von daher absolut nicht an irgendwelchen umstürzlerisch-revolutionären Aktionen, von welcher Seite auch immer, interessiert.
Octavian war der dritte Mitspieler, zu Beginn des Spiels aber noch auf dem Weg nach Rom, so dass wir erst einmal schauen können, was Antonius und die Caesarmörder so trieben.
Marcus Antonius hat das Heft in der Hand
Antonius war in diesen Tagen, insbesondere nach seinem Schulterschluss mit Lepidus, der maßgebliche Mann in Rom. Dabei war die Testamentseröffnung für ihn sicher ein Schock. Aus dem gemäßigten Antonius, der sich als Nachfolger Caesars sah und großmütig dessen Mörder amnestiert und zu einem Gastmahl geladen hatte, wurde nun ein Politiker, der um seine Macht kämpfen musste. Er war nun nicht mehr der unumstrittene starke Mann im Staat, der aus einer sicheren, unangreifbaren Position heraus Gnade walten lassen konnte. So nutzte er die Beerdigung Caesars für eine Show, die gegen die Mörder gerichtet war. Neben seiner Rede ließ er die blutige Toga des Ermordeten zeigen, sowie eine Wachsfigur, auf der alle 23 Einstiche zu sehen waren. Madame Tussaud (1761 bis 1850) hätte ihre Freude gehabt.
Im nächsten Schritt wollte er sich nun der Attentäter entledigen. Da diese in den Kreisen der Republikaner durchaus Freunde hatten, Cicero ist ein berühmtes Beispiel, versuchte er, insbesondere Brutus und Cassius auf legalem Wege zu entmachten. Sie sollten in Sizilien und Kleinasien Getreide für das römische Volk einkaufen. Beide hatten natürlich gemerkt, in welche Richtung der Hase lief. Also machten sie gute Miene zum bösen Spiel, auch als ihnen statt Makedonien und Syrien mit Kreta und dem libyschen Kyrene nur unbedeutende Provinzen für die Zeit nach ihrer Prätur zugewiesen wurden. Ende August verließen sie Rom, wohl wissend, dass es zu einem Kampf mit den Anhängern Caesars geführt von Antonius kommen würde.
Dass sie fünf Monate halbwegs stressfrei in der Stadt bleiben konnten, lag daran, dass in Rom die Anhänger der Republik, allen voran Cicero, in der Hoffnung auf eine Restitution der alten Verfassung das Ausschalten des Diktators begrüßten. Man muss leider sagen, dass die Republikaner die Entwicklung des Staatswesens spätestens seit Sulla nicht begriffen hatten.
Octavian zurück in Rom
Als Octavian schließlich in Rom eintraf, musste es zu einer Klärung zwischen ihm und Antonius, den beiden Exponenten der caesarfreundlichen Partei kommen. So einfach war dies jedoch nicht. Nach seiner Ankunft besuchte Octavian Marcus Antonius, wurde dabei von dem 20 Jahre Älteren jedoch sehr kühl abgefertigt. Marcus Antonius weigerte sich, Octavian sein Erbe auszuzahlen, dessen er sich ja in der Nacht nach der Ermordung gleich bemächtigt hatte. Vielleicht war ja auch gar nicht mehr so viel in der Schatulle drin. Zudem torpedierte er die formale Anerkennung der Adoption durch Caesar.
Octavian zeigte jedoch schon hier, dass mit ihm durchaus zu rechnen war. "Man muss das Geld zum Fenster rauswerfen, damit es zur Tür wieder reinkommt", hat Karl Lagerfeld (1933 bis 2019) mal gesagt, und Octavian hielt sich daran. Er zahlte den Römern aus eigener Tasche, allerdings unter Nutzung der von ihm ja konfiszierten Kriegskasse, die von Caesar in seinem Testament versprochenen Geldbeträge aus und strengte Prozesse gegen Antonius an, da dieser das Erbe nicht herausgab. So profilierte sich Octavian als Mann des Volkes, Caesars wahrer Erbe und damit in direkter Konkurrenz zu Marcus Antonius. Klare Frontlinien zwischen den Parteien gab es in dieser Zeit jedoch nicht, wir müssen aufmerksam bleiben.
Antonius verbündete sich mit Lepidus, indem er diesen zum obersten Priester, zum Pontifex maximus, machte, und seine eigene Tochter Antonia (geb. um 55 v. Chr.) mit Lepidus‘ Sohn Marcus Aemilius Lepidus Minor (gest. 30 v. Chr.) vermählte. Er hätte nun gerne auch für die Zeit nach dem Konsulat die wichtigen Provinzen Gallia cisalpina in Norditalien und Gallia transalpina in Südfrankreich für eine Statthalterschaft zugesprochen bekommen. Auf diese Weise wäre er in Rufweite von Rom und so ganz arm waren diese Gegenden auch nicht. Octavian unterstützte ihn in diesem Plan. Das klingt jetzt vielleicht etwas überraschend, aber zu diesem Zeitpunkt hielt jeder noch sein Pulver trocken und sich alle Optionen offen. Antonius bekam also die Zustimmung des Senats für den Tausch des ursprünglich für ihn vorgesehenen Makedonien gegen das diesseitige Gallien. Problem war nur, dass in Gallien mit Brutus einer der Verschwörer gegen Caesar saß, der seinen Platz nicht für Antonius räumen wollte. Jetzt ist Deine Verwirrung groß. Wieso ist Brutus auf einmal Statthalter in Norditalien und nicht beim Kornkaufen in Libyen? Die Auflösung ist einfach, es handelt sich hier um Decimus Junius Brutus Albinus (81 bis 43 v. Chr.), also nicht den Kopf der Verschwörer, aber einen wichtigen Mitspieler. Wir wollen ihn daher zur Unterscheidung von Marcus, seinem Namensvetter, Decimus Brutus nennen.
Cicero unterstütze Decimus Brutus und erreichte sogar, dass der Senat seine Meinung änderte und sich nun doch gegen die gerade gebilligte Übernahme der Provinz durch Antonius stellte. Der wollte aber nicht klein beigeben und zog gen Norden. Decimus Brutus verschanzte sich gegen den anrückenden Antonius in Mutina, dem heutigen Modena. Antonius versuchte, ihn auszuhungern. Dies gelang ihm letztlich nicht, da mit den Konsuln Aulus Hirtius (um 90 bis 43 v. Chr., amt. 43 v. Chr.) und Gaius Vibius Pansa Caetronianus (gest. 43 v. Chr., amt. 43 v. Chr.) sowie Octavian seitens des Senates - unter tätiger Mithilfe Ciceros - Entsatz organisiert wurde. Antonius konnte zwar Pansa am 15. April in der Schlacht von Forum Gallorum schlagen, musste sich aber dem zur Unterstützung anrückenden Hirtius beugen und unterlag am 21. April 43 v. Chr. den vereinten Truppen des Senats in der Schlacht bei Mutina.
In dieser Geschichte ist erst ein Jahr seit Caesars Tod vergangen. Octavian finden wir hier, nachdem er ja zunächst den Anspruch von Antonius auf die Provinz unterstützt hatte, plötzlich auf der Seite des Verschwörers, der seinen Adoptivvater mit umgebracht hatte. So geht Politik.
Antonius gelang es, nach Südfrankreich zu fliehen und sich dort mit den Truppen des Lepidus, zu der Zeit Statthalter in Gallia Transalpina und Hispania citerior, also Südwestfrankreich und Mittel- und Ostspanien, zu vereinen, so dass er trotz der Niederlage weiterhin ein machtvolles Wort in den kommenden Auseinandersetzungen mitreden konnte.
Auf der anderen Seite machten Cicero und der republikanische Senat einen verhängnisvollen Fehler. Dadurch, dass mit Hirtius in und Pansa kurz nach der Schlacht beide Konsuln gefallen waren, war die Frage nach dem künftigen Oberbefehl zu lösen. Der Senat entschied sich dabei für Decimus Brutus, sicherlich auch, weil dieser bei der republikanisch motivierten Ermordung Caesars zu den Verschwörern gehört hatte. Octavian hatte zwar die Truppen und auch große Teile des Volkes auf seiner Seite, darüber meinte man aber hinweggehen zu können. Den Aufruf des Senats, dass sich die Legionen Decimus Brutus unterstellen sollten, befolgten nicht alle, gerade die erfahrenen, kampferprobten Soldaten blieben lieber bei Octavian. Decimus Brutus konnte gleichwohl mit immerhin sieben Legionen die Verfolgung von Antonius aufnehmen, den der Senat auf Betreiben Ciceros im April 43 v. Chr. zum Staatsfeind erklärt hatte.
Er kam bis in die Gegend des heutigen Grenoble, wo er sein Heer mit dem des senatstreuen Statthalters Lucius Munatius Plancus (um 87 bis um 15 v. Chr., amt. 42 v. Chr.) vereinte. Dennoch war er Antonius unterlegen und, wie seine Briefe an Cicero zeigen, zudem ein eher furchtsamer, positiv gesagt vorsichtiger Mensch. Er blies also nicht zum Angriff, sondern blieb zwei Monate an Ort und Stelle. Octavian hatte sich in Italien mittlerweile gegen die Republikaner gestellt und Antonius war durch Truppen aus Südspanien um einiges stärker geworden. Plancus betrachtete die Lage, schätzte sie und seine Chancen realistisch ein und wechselte die Fronten. Decimus Brutus kam in seiner Analyse zu einer ähnlichen Einschätzung mit der Konsequenz, dass er nun versuchte zu fliehen, zumal auch die bei ihm verbliebenen Soldaten wenig Lust zeigten, gegen ihre Kameraden unter Antonius‘ Kommando zu kämpfen. Sein Ziel war Makedonien, wo er zu Marcus Brutus, der sich mittlerweile nach Griechenland begeben hatte, stoßen wollte. In den Alpen wurde er von einem keltisch-helvetischen Häuptling gefangen genommen. Dieser informierte Antonius, der schickte seine Häscher, die mit dem Kopf von Decimus Brutus zurückkehrten.
In Italien hatte Octavian derweil die Zeit genutzt, seine Position zu festigen. Er verweigerte die Verfolgung Antonius‘, wohl wissend, dass dieser zu stark war, um endgültig besiegt zu werden. So zog er mit seinen Legionen nach Rom und erzwang am 19. August 43 v. Chr. seine Wahl zum Konsul und die Ächtung der Caesarmörder. Die bereits geächteten Antonius und Lepidus wurden dagegen rehabilitiert. Für Cicero eine schwere Niederlage. Octavian hatte aber gezeigt, dass er jede Taste der politischen Klaviatur drücken konnte, oder um es mit Adenauer zu sagen, was kümmerte ihn sein Geschwätz von gestern.
Das nächste Mal geht es dann den Caesarmördern an den Kragen.