Erweiterung des Reiches
Wir haben uns sehr lange beginnend mit den Gracchen mit dem römischen Bürgerkrieg auseinandergesetzt. Augustus gelang es, diesen endlich zu beenden und das Grundproblem der richtigen Regierungsform für das stetig wachsende Reich mit einer neuen Herrschaftsform zu lösen. Das Prinzipat fußte auf den Regelungen der republikanischen Verfassung, wandelte diese jedoch durch die Fokussierung aller Macht in einer Person in eine autokratische. Nicht ohne Grund spricht man, sprechen auch wir ab dem Herrschaftsbeginn Augustus‘ von einem römischen Kaiserreich.
Trotz dieser jahrzehntelangen innenpolitischen Wirren wuchs das Römische Reich im ersten Jahrhundert v. Chr. in erheblichem Umfang. Waren nach dem Dritten Punischen Krieg und den Kriegen gegen Antiochos III.
- in Afrika etwa das Gebiet des heutigen Tunesien (ab 146 v. Chr.),
- Spanien bis auf den Nordwesten (197 v. Chr.),
- Norditalien (203 v. Chr.),
- die illyrische Küste,
- Griechenland,
- Makedonien (148 bis 146 v. Chr.)
- und durch die Erbschaft von Attalos III. von Pergamon auch der Westen Kleinasiens (129 v. Chr.)
- sowie Kilikien im Süden (80/79 v. Chr.)
Teile des Römischen Reiches geworden, wuchs es in den kommenden Jahren weiter. Die Siege von Gnaeus Pompeius im Osten fügten 64/63 v. Chr. weitere Teile Kleinasiens, beispielsweise
- Pontus und Bithynien
- sowie Syrien dem Reich hinzu,
- 74 v. Chr. bereits auch Kreta und die Cyrenaika,
- 58 v. Chr. dann auch Zypern,
- während Caesar für die Nordwesterweiterung in Gallien (51 v. Chr.) sorgte.
- Faktisch wurde auch Ägypten ein Teil des Einflussgebietes.
Eine formale Eingliederung Ägyptens als Provinz vollzog Augustus, wie wir wissen, dann 30 v. Chr. nach Kleopatras Tod. Dies war nicht die einzige Erweiterung, die das Römische Reich während seiner Herrschaft erfuhr.
- In Spanien wurden die restlichen Teile insbesondere im Norden integriert.
- In Kleinasien fiel Galatien 25 v. Chr. den Römern – wiederum durch eine Erbschaft nach dem Tod von König Amyntas' – zu.
- Auf dem Balkan wurde das Hinterland der illyrischen Küste integriert. Richtung Norden erstreckte sich dieser Bereich bis nach Niederösterreich (Provinzen Dalmatia und Pannonia 9 n. Chr.).
- Westlich davon wurden die Alpen und das Alpenvorland bis nach Augsburg – Augusta Vindelicorum, benannt nach Augustus; denk‘ mal an ihn, wenn Du die Stadt besuchst – und Regensburg dem Reich als Provinz oder vorerst als Klientelstaat eingegliedert (spätere Provinzen Raetia und Noricum).
Weitere Gebiete wurden ebenfalls als Klientelstaaten dem Herrschaftsbereich zugefügt, zu nennen sind
- Armenien und Kappadokien im Osten
- und Mauretanien im Südwesten.
Den Konflikt mit den Parthern, der Pompeius und Marcus Antonius schwer beschäftigt hatte, löste Augustus diplomatisch. Im Jahr 20 v. Chr. gab der Partherkönig Phraates IV. (gest. 2 v. Chr., reg. 37 bis 2 v. Chr.) die 33 Jahre zuvor in der Schlacht von Carrhae eroberten römischen Feldzeichen zurück, ein schöner Prestigeerfolg für Augustus, den er gleich in Münzen prägen ließ. Die Verhandlungen führte Tiberius, der später Augustus als Kaiser nachfolgen sollte. Wir hören gleich mehr von ihm.
Germanenkriege
Es gab allerdings auch Unternehmungen, die scheiterten. Die Idee, die arabische Halbinsel zu erobern, wurde schnell fallengelassen. Und in Germanien ging einiges schief. Erst Drusus, dann Tiberius, beides Stiefsöhne von Augustus, versuchten auf rechtsrheinischem Gebiet Fuß zu fassen und so die Überfälle germanischer Stämme auf die gallische Provinz links des Rheins zu unterbinden. Dies misslang. Zwar schaffte es Drusus im Jahr 9 v. Chr. bis an die Elbe, aber es blieb ein einmaliger Vorstoß.
Der Begriff der Germanen und die einzelnen Stammesnamen, die wir hier verwenden, sind im Übrigen in aller Regel (römische) Fremdbezeichnungen. Die Germanen selbst bezeichneten sich als Svebi, was so viel heißt wie »Wir selbst«. Die Schwaben sind somit, zumindest sprachlich, die Urgermanen unter uns. Sei also ein wenig respektvoll, wenn Du das nächste Mal durch Esslingen schlenderst. Es ist immerhin auch meine Geburtsstadt, auch wenn ich sicher kein schwäbisches Blut in mir habe.
Die Drusus-Feldzüge
Caesar hatte bereits zwei Mal den Rhein überschritten, um den Sueben, Usipetern und Tenkterern, die nach Gallien eingefallen waren, eine Lektion zu erteilen. Dies funktionierte nur bedingt. Immer wieder kam es zu Vorstößen in römisch besetztes Gebiet. So auch 16 v. Chr. als die Sugambrer mit den Usipetern und Tenkterern die Fünfte Legion besiegten und deren Legionsadler erbeuteten. Eine schwer zu tilgende Schmach für den Kommandeur Marcus Lollius (etwa 55 bis nach 2 v. Chr.). Diese stets als Lollius-Niederlage (clades Lolliana) bezeichnete Schlacht war der Anstoß, die Grenze zu den germanischen Stämmen zunehmend zu befestigen. Kastelle wie Xanten und Mainz entstanden, auch als Ausgangpunkte für Expeditionen ins rechtsrheinische Gebiet.
Zudem wurden die Truppen verstärkt, so dass die Germanen 12 v. Chr. bei einem erneuten Überfall durch Drusus eine empfindliche Niederlage einstecken mussten. Der zog in den kommenden Jahren durch Germanien, erreichte das Ijsselmeer, die Weser und wie gesagt auch die Elbe. Dort sei ihm eine Riesin erschienen, die ihn zur Umkehr mahnte. »Es ist Dir nicht vom Schicksal bestimmt, dies alles hier zu sehen. Ziehe von dannen! Denn das Ende Deiner Taten und Deines Lebens ist schon nahe.« Drusus zeigte sich beeindruckt. Er drehte um und konnte in Folge dann auch wirklich nicht mehr viele Taten vollbringen. Er starb noch im Jahr 9 v. Chr. auf dem Rückweg. Beachten wir also künftig die Hinweise von Riesinnen stärker.
Sein Bruder Tiberius Claudius Nero folgte ihm im Kommando nach. Er ging diplomatischer vor und zog nicht provozierend mit vielen Soldaten durch gegnerisches Gebiet. Ihm gelang ein Ausgleich mit den Sugambrern, wenn auch nicht auf die wirklich feine Art. Eine hochrangige Verhandlungskommission von vielen Anführern dieses Stammes wurde einfach gefangen genommen. Nicht nett, aber wirksam. Im Anschluss siedelte er 40.000 Sugambrer quasi als Puffer auf linksrheinischem Gebiet zwischen Kleve und Krefeld an. Auch der Rückzug der Markomannen und Quaden nach Böhmen half. Inwieweit dies durch Tiberius befördert wurde, ist unklar, er wird es auf jeden Fall gerne gesehen haben. Durch diese Rückzüge und das »Umdrehen« wesentlicher Teile der Sugambrer trat für etwa zehn Jahre eine Phase der relativen Ruhe ein. Auch wenn es sicher nicht so war, dass das Gebiet zwischen Rhein und Elbe ähnlich einem Klientelstaat hätte betrachtet werden können, so waren aus Germanien doch keine Überfälle mehr zu fürchten. Trotz dieser Erfolge gebrauchte es spätestens ab 3 v. Chr. immer wieder römischer Ordnungsmaßnahmen.
Immensum bellum
Germanien blieb am langen Ende unruhig. Im Jahr 1 n. Chr. begann der sogenannte "Gewaltige Krieg", der immensum bellum. Auslöser war ein Aufstand rechtsrheinischer Germanenstämme. Der amtierende Statthalter Marcus Vinicius (amt. 19 v. Chr.) agierte mit wechselndem Kriegsglück und wurde im Jahr 4 n. Chr. wiederum von Tiberius als Oberbefehlshaber abgelöst. Statthalter wurde Gaius Sentius Saturninus (fl. 39 v. Chr. bis 6 n. Chr.).
Die beiden zögerten nicht und zogen noch im Herbst 4 n. Chr. nach Germanien. Zuvor hatte Tiberius an der Nordsee vielleicht bei Boulogne-sur-Mer eine Flottenoperation initiiert, von der wir gleich noch hören werden. Bis in den Dezember unterwarf er Germanenstämme und nahm sie, wie die Cherusker, in das römische Herrschaftssystem auf. Das Winterlager schlug er in Germanien, vermutlich nahe der Lippe-Quellen auf. Im Jahr 5 n. Chr. wurden die Chauken gleich vorher den Cheruskern wieder in die Abhängigkeit zu Rom gezwungen. Als Nächstes waren dann die linkselbisch siedelnden Langobarden dran, wobei die an der Nordsee gestartete, nun elbaufwärts fahrende Flotte den Angriff unterstütze. Wir sehen Tiberius hier als durchaus langfristig planenden Strategen und sehr guten Organisator. Die Landkarten waren damals ja noch nicht so sehr gut und dieses Zusammentreffen mit einem Jahr Vorlauf zu planen, das hatte schon was. Nun, die Langobarden konnten sich gemeinsam mit den verbündeten Semnonen und Hermunduren auf die rechte Seite der Elbe flüchten und dem römischen Zugriff entziehen.
Tiberius zog sich nach diesem Erfolg zurück. Seiner Einschätzung nach war die Machtdemonstration gelungen und das Gebiet zwischen Rhein und Elbe konnte als Provinz ausgebaut werden. Der immensum bellum war gewonnen.
Zwei Batos machen Probleme
Einen Widersacher galt es allerdings noch auszuschalten: Marbod, den König der Markomannen (30 v. Chr. bis 37 n. Chr.). Mit zwölf Legionen wollte Tiberius diesem im Jahr 6 n. Chr. an den Kragen. Allein, daraus wurde nichts. In Illyrien, Dalmatien und Pannonien hatten sich zwei Anführer, die beide auf den Namen Bato hörten, zusammengetan und einen Aufstand losgetreten. Konkret waren dies Bato, der Daesitiate (geb. zwischen 35 und 30 v. Chr.) und Bato, der Breuker (geb. zwischen 35 und 30 v. Chr.). Das Gebiet der Aufständischen grenzte auch an das Königreich des Marbod, der sich aber wohl nicht daran beteiligte. Auf jeden Fall war die Wucht, die die beiden Batos entfachen konnten, auch ohne seine Unterstützung so gewaltig, dass Tiberius seinen Feldzug gegen die Markomannen abbrechen musste, um in Illyrien für Ordnung zu sorgen.
Wie das ausging, schauen wir uns das nächste Mal an. Und mit Germanien sind wir auch noch nicht durch. Da war doch noch was mit einem gewissen Hermann…