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(89) Claudius und Nero

Wir haben das letzte Mal Caligula nach einer verstörenden Regierungszeit als Opfer einer Verschwörung sterben gesehen. Die Prätorianer machten dabei keine halben Sachen, auch Caligulas vierte Frau Milonia Caesonia (gest. 41 n. Chr.) und seine einjährige Tochter Julia Drusilla (39 bis 41 n. Chr.) wurden ermordet.

 

Claudius ist unsicher

Caligulas Onkel Claudius, den Tiberius bereits aufgrund seiner körperlichen Einschränkungen aus der Liste der potentiellen Nachfolger gestrichen hatte, wusste wohl von den Attentatsplänen, blieb aber vorsichtig. Ihm war nicht ganz klar, wie die Soldaten in der konkreten Situation agieren würden, ob er also als halbwegs naher Verwandter auch auf der Liste stand. Der Sage nach versteckte er sich hinter einem Vorhang, wo ihn dann allerdings ein Prätorianer entdeckte. Claudius wurde nicht getötet, sondern Kaiser. Das sorgte bei ihm in der Situation sicherlich für eine gewisse Erleichterung.

 

Seine Eignung für das hohe Amt war wiegesagt umstritten. Seine Behinderungen, das Hinken, Stottern und Sabbern waren zu deutlich und konterkarierten jegliche natürliche Autorität. Nun kam er trotz allem auf den Thron. Ambitionen hatte er wohl schon länger gehegt, dumm im Kopf war er ja nicht. Er interessierte sich sehr für Geschichte, schrieb mehrere Bücher über die Karthager und die Etrusker, und begann sogar ein Werk über den römischen Bürgerkrieg. So wehrte er sich auch nur anfänglich gegen seine Ernennung, die die Prätorianer betrieben. Diese erhofften sich in ihm einen leicht zu beeinflussenden Oberbefehlshaber zu bekommen, der sich ihren Interessen kaum entgegenstellen würde. Außerdem zahlte er jedem Mann 15.000 Sesterzen. Das war ein sehr überzeugendes Argument.

 

Die Zustimmung des Senats, die bereits am nächsten Tag erfolgte, war eine durch den Druck der Prätorianer erzwungene. Zuerst hatte man Claudius dort sogar zum Staatsfeind erklärt, begriff dann aber doch schnell, dass es wenig klug und erfolgversprechend war, gegen die Prätorianer zu agieren. So war Claudius der erste Kaiser, der durch die Prätorianer in sein Amt kam. Er blieb nicht der Letzte.

 

Claudius war wie gesagt ein kluger Kopf. Auf dem Thron sorgte er erst einmal insoweit für klare Verhältnisse, als dass er Cassius Chaerea, den Mörder Caligulas, und seine Genossen hinrichten ließ. Die Ermordung sei zwar an sich eine glorreiche Tat, die ihr innewohnende Treulosigkeit müsse aber auf das Härteste bestraft werden, damit etwaige Nachahmer nicht auf dumme Ideen kämen.

 

Der Senat ist not amused

Trotz des erkennbaren Grummelns im Senat, der kurzzeitig auf eine Restitution der Republik gehofft hatte, bemühte sich Claudius um eine gute Zusammenarbeit. Er gab den Senatoren Titel, Provinzen zur Verwaltung (Macedonia und Achaea), nahm auch selbst an den Sitzungen teil, ohne diese dominieren zu wollen. Dennoch konnte er die Feindseligkeit vieler Senatoren nicht überwinden. Ohne Begleitschutz ging er nicht zu den Sitzungen.

 

Zudem setzte der neue Kaiser trotz aller Konzilianz im Auftreten bei der Verwaltung des Reiches immer mehr auf persönliche Berater, häufig auch freigelassene Sklaven, denn auf die alteingesessenen Patrizier. Dies brüskierte natürlich die Senatoren. Sie hatten dadurch weniger Posten und weniger Einfluss auf die Stellhebel der Macht, und das bei einem Kaiser, den man für dieses Amt eigentlich gar nicht geeignet fand. So verwundert es uns nicht, dass es während der Regierungszeit von Claudius mehrere Putschversuche gab, die jedoch alle erfolglos verliefen, auch weil Claudius in der Armee einen starken Rückhalt hatte. Spätestens jetzt war auch optimistischen Beobachtern klar, dass die Idee, man lebe noch in einer Republik, eine Chimäre war.

 

Auf einem Elefanten durch die Themse

Die bereits von Caligula angestrebte Eroberung Britanniens, deren Misserfolg ja der Legende nach mit vielen schönen Muscheln kompensiert werden konnte, wurde unter Claudius erfolgreich umgesetzt. Der Kaiser war selbst vor Ort und soll auf einem Elefanten durch die Themse geritten sein, ein Ritual, das sich bei den englischen Herrschern nicht durchgesetzt hat. Charles wird darüber ganz froh sein. Die Eroberung der Insel diente vor allem dazu, das Rückzugsgebiet für gallische Rebellen auszutrocknen. Hinzu kamen Hilferufe einzelner Stammesfürsten, die sich Unterstützung insbesondere gegenüber den Attacken des belgisch-keltischen Stammes der Catuvellauni erhofften, deren Namen wohl auf den schon von Caesar erwähnten Fürst Cassivellaunus (um 50 v. Chr.) zurückgeht.

 

Die Eroberung Britanniens war für Claudius ein schöner Erfolg, gerade auch, weil er als Mensch nicht zwingend wie ein erfolgreicher Feldherr wirkte. Er betonte seine militärischen Leistungen über die Maßen, nur einem Kaiser, Konstantin II. (316 bis 340, reg. 337 bis 340), wurden mehr Akklamationen als Imperator zuteil. Da wissen selbst Laienpsychologen wie wir, was der Hintergrund war.

 

Neue Provinzen im Osten

Im Osten gliederte er Thrakien, Pamphylien und Lykien und im Jahr 44 auch Judäa als Provinzen in das Römische Reich ein. Im Südosten teilte er Mauretanien in zwei Provinzen und im Norden wurde Noricum, also Teile des heutigen Österreichs und Südbayerns ebenfalls Provinz.

 

Entkopplung vom Senat

Die Rolle und Bedeutung von Claudius liegen aber wohl auch darin, dass er – vielleicht unbewusst, vielleicht in guter Analyse seiner Fähigkeiten und Möglichkeiten sowie des Verhaltens des Senats – seine Regierung so organisierte, dass sie unbeeinflusst von möglichen Obstruktionen des Senats, aber auch von möglichen, in seiner eigenen Person liegenden Beschränkungen, gut funktionierte. So machte sich der Kaiser unabhängig von Senatoren und Rittern, die bisher die Köpfe der Exekutive waren. Die Positionen wurden jetzt von Freigelassenen besetzt, denen Claudius vertraute und die er auch im Fall des Falles problemlos austauschen konnte. Polybius (gest. 47 n. Chr.), ein einflussreicher Berater des Kaisers, wurde beispielsweise im Jahr 47 hingerichtet, angeblich weil er ein Verhältnis mit Claudius dritter Ehefrau Valeria Messalina (17 oder 20 bis 48 n. Chr.) hatte.

 

Messalina hatte nach der Auflösung ihrer Ehe mit Claudius im Jahr 48 den designierten Konsul Gaius Silius (4 bis 48) geheiratet. Der versuchte nun, vielleicht angestiftet durch seine neue Frau, deren Sohn aus ihrer Ehe mit Claudius, Tiberius Claudius Caesar Britannicus (41 bis 55), zu adoptieren und dann – nachdem man Claudius ausgeschaltet hatte – als Kaiser zu etablieren. Claudius bekam dies jedoch spitz und handelte in aller Konsequenz. Messalina wurde hingerichtet, Silius beging Selbstmord.

 

Neue Buchstaben?

Wir könnten noch viel über diesen merkwürdigen Herrscher schreiben, der auch versuchte drei neue Buchstaben einzuführen: ein vertikal gespiegeltes C für den Laut des griechischen Psi, ein vertikal und horizontal gespiegeltes F, um den V-Laut zwischen dem des W und des U zu unterscheiden, und ein vertikal halbiertes H für den Laut zwischen U und I, ähnlich dem griechischen Ypsilon. Das klingt nach einer guten Idee, sie setzt sich jedoch nicht durch. Auch ein Kaiser vermag nicht alles.

 

Insgesamt war seine Regierungszeit aber für das Römische Reich keine schlechte, nicht nur, wenn man sie mit denen seines Vorgängers und seines Nachfolgers vergleicht. Das werden nicht alle so gesehen haben, insbesondere die Familien der 321 Ritter und 35 Senatoren, die in Geheimprozessen von Claudius zum Tode verurteilt worden waren. Wir schauen aus deutlich größerer Entfernung, sehen auch seine Anstrengungen zur Verbesserung der Infrastruktur wie den Bau von Straßen und Aquädukten und urteilen milder.

 

Eine Kölner Jungfrau sorgt für einen Machtwechsel

Claudius starb am 13. Oktober 54. Die gängige Lesart ist, dass er vergiftet wurde, angestiftet durch seine vierte Ehefrau Julia Agrippina (15 bis 59, auch „Agrippina, die Jüngere“ genannt), einer Tochter des Germanicus und Schwester von Caligula, die so ihren Sohn aus erster Ehe Lucius Domitius Ahenobarbus (37 bis 68, reg. 54 bis 68) an die Macht bringen wollte. Dieser, ein Urenkel von Marcus Antonius, war im Jahr 50 von Claudius adoptiert worden und nannte sich seither Nero Claudius Caesar Germanicus. Wir werden es bei Nero belassen.

 

Ein kleiner Einschub zu Agrippina: Sie wurde in Germanien im Oppidum Ubiorum geboren und sorgte später für die Gründung der Siedlung Colonia Claudia Ara Agrippinensium, aus der sich das heutige Köln entwickelte. Entgegen der mitunter düsteren Erinnerung an die Dame, die Morde in Auftrag gab, erinnert man sich dort durchaus positiv an die Stadtgründerin und feiert sie im Dreigestirn des Karnevals alljährlich als Jungfrau. Manche Karrieren sind verwirrend.

 

Nero regiert vernünftig

Nach Claudius‘ Tod präsentierte Agrippina dem Senat ihren 16-jährigen Sohn Nero als Nachfolger. Er hatte im Jahr zuvor die 13-jährige Claudia Octavia (40 bis 62), Tochter von Claudius, geheiratet und war somit noch enger mit der julisch-claudischen Kaiserfamilie verwoben. Auch die Prätorianer spielten bei der Sache mit, sodass Nero einen guten und ungefährdeten Start hatte.

 

Die ersten fünf Regierungsjahre waren durchaus erfolgreich. Nero band den Senat ein und regierte mit Maß und Mitte. Das Volk freute sich über die Senkung der Getreidepreise und viele Spiele, der Senat über das Ende der Verratsprozesse, milde Urteile und eine hohe Eigenständigkeit. Man schreibt dies dem Einfluss seiner Berater zu, allen voran Lucius Annaeus Seneca (um 1 bis 65). Als diese sich zurückzogen, änderte sich die Situation. Zudem starb im Jahr 62 der Prätorianerpräfekt Sextus Afranius Burrus (vor 15 bis 62), der Neros Thronbesteigung gesichert und in den folgenden Jahren große Teile der Regierungsgeschäfte geführt hatte.

 

Frauengeschichten

Aus dem Einfluss der Nero umgebenden Frauen könnten wir leicht drei Blogfolgen machen. Hatte zunächst seine Mutter Agrippina bedeutenden Einfluss auf Nero und die Regierungsgeschäfte - sie war die einzige Frau, die es auf die Vorderseite von Münzen schaffte -, verlor sie diesen spätestens 55 v. Chr. Nero war die Ehe mit Octavia satt und suchte ein Verhältnis mit der Freigelassenen Claudia Acte (gest. nach 68). Agrippina drohte, ihn durch Britannicus, den Sohn von Claudius aus seiner Ehe mit Messalina, zu ersetzen. Nero kam ihren kolportieren Mordplänen zuvor und ließ den Konkurrenten im Februar 55 vergiften.

 

Um das Jahr 59 verliebte sich Nero dann in die acht Jahre ältere Poppäa Sabina (30 bis 65). Auch dieser Verbindung stand Agrippina deutlich im Wege, was am Ende ihr Ende war. Wie genau die Geschichte ablief, ob Nero seinen Freund Otho (32 bis 69, reg. 69) vorschickte, dass er Poppäa heiraten solle, um sie dann für Neros Liebesspiele freizugeben oder ob es keine arrangierte, sondern eine Liebesehe zwischen den beiden war, das alles wissen wir nicht. Zumindest Poppäas Liebe zu Otho wird nicht allzu groß gewesen sein. Sie ließ sich auf die Affäre mit Nero ein. Ihr gelang es, ihn davon zu überzeugen, seine Mutter zu töten und sie nach ihrer Scheidung von Otho, den Nero weit weg als Statthalter nach Lusitanien geschickt hatte, zu heiraten. Nero ließ sich von Octavia scheiden, am 7. Juni 62 wurde sie ermordet. Poppäa, auch im Jahr 62 von Otho geschieden, wurde Neros zweite Frau.

Es würden wohl doch mehr als drei Blogfolgen werden, aber wir wollen es mal bei dem belassen.

 

Kunst und Sport dominieren

Nero sah sich als Künstler und Sportler, trainierte daher mit Bleigewichten und trank den verdünnten Kot wilder Eber, um Muskeln aufzubauen. Wir könnten jetzt die Ingredienzien mit den heutigen einschlägigen Nahrungsergänzungsmitteln vergleichen, lassen es aber lieber.

 

59 feierte er das Scheren seines Bartes mit öffentlichen Spielen, auf denen er das erste Mal als Sänger auftrat. Die Rasur ist heute doch ein deutlich profanerer Akt. Fünf Jahre später hatte er seine erste Runde als Wagenlenker gedreht. Seinen Auftritt bei Olympia haben wir schon kurz erwähnt, 1.800-mal soll er dort gewonnen haben, selbst die Rennen, bei denen er aus dem Wagen fiel.

 

Es brennt - Nero hilft

Im Juli 64 brannte Rom. In der trockenen Jahreszeit hatte es ein Feuer in einer dicht mit Holzhäusern bebauten Stadt eher leicht. Alle Versuche, dem Brand Herr zu werden, scheiterten, Crassus‘ Feuerwehr war wohl nicht mehr auf Stand. Nero hielt sich etwa 50 Kilometer entfernt in Antium auf. Er eilte sofort in die Hauptstadt und versuchte, zu helfen. Erst am sechsten Tag konnte das Feuer mit einer Brandschneise gestoppt werden, auch wenn man lokale Neuausbrüche nicht verhindern konnte. Ob Nero mit dem Blick auf die Katastrophe wirklich im Gedenken an Trojas Untergang gesungen hat, wie es uns Peter Ustinov in Quo Vadis? vorgemacht hat, wissen wir natürlich nicht. Fairerweise müssen wir zugeben, dass Nero für die obdachlos gewordenen Römer schnell Behelfsbauten errichten ließ, auch seine Liegenschaften hierfür zur Verfügung stellte und sich um die Versorgung mit Lebensmitteln kümmerte.

 

Eine neue Stadt und ein goldenes Haus

Nach dem Brand wurde die Stadt neu aufgebaut, unter Berücksichtigung guter Regeln, um eine neuerliche Katastrophe zu verhindern. Die Untergeschosse mussten nun aus Stein sein, die Straßen breiter, Löschmittel mussten in jedem Haus verfügbar sein und die Wasserleitungen wurden nun durch spezielle Aufseher regelmäßig kontrolliert. Vielleicht ausgelöst durch die vielen, allerdings auch notwendigen Bautätigkeiten kam das Gerücht auf, dass Nero den Brand gelegt habe, um sich so sein Rom viel prachtvoller neu bauen zu können. Auf jeden Fall wurde darüber ab dem Brand immer wieder gesprochen und gemunkelt, ein Zeichen der Unbeliebtheit des Kaisers, den wir hier aber nicht unter Verdacht stellen wollen, zumal auch sein eigener, gerade umgestalteter und mit vielen wertvollen Kunstgegenständen neu ausgestatteter Palast Opfer der Flammen wurde. Als Nachfolgeresidenz ließ Nero das »Goldene Haus« (domus aurea) errichten, ein Anwesen, das mit dem Begriff »Haus« sicher nur unzureichend beschrieben ist. In Folge des Brandes kam es in Rom auch zu den ersten Christenverfolgungen, vielleicht in dem Versuch Neros, die Schulddiskussion von sich abzulenken. Ob Petrus (gest. zw. 64 und 67 n. Chr.) und Paulus bei diesen Verfolgungen den Märtyrertod starben, ist nicht eindeutig geklärt, jedoch in dem unmittelbaren Zusammenhang eher unwahrscheinlich.

 

Lösungen im Osten

Außenpolitisch verlief Neros Regierungszeit durchaus erfolgreich. In Armenien, dem Pufferstaat zwischen Rom und den Parthern konnte der Feldherr Gnaeus Domitius Corbulo (7 bis 67) nach einigem Hin und Her mit militärischer Macht und Diplomatie eine Lösung schaffen, die Tiridates I. (gest. 88, reg. 52 bis 58 und 62 bis 88) zum König eines römischen Vasallenstaates machte. Tiridates war Sohn des medischen Königs Vonones II. (gest. 51, reg. 11 bis 51), was insofern auch eine schöne Absicherung nach Osten war, da dieser im Jahr 51 kurzzeitig auch parthischer Großkönig geworden war. Tiridates wurde 66 in Rom gekrönt. So wurde allen deutlich, wer hier Königsmacher war.

 

Aufstand in Britannien

In Britannien musste sich Rom einiger Aufstände erwehren. Zuerst auf Anglesey, einer Insel nahe der nordwestwalisischen Küste, dann nahe der Hauptstadt Camulodunum, dem heutigen Colchester in Essex. Hier hatte der Stamm der Icener im Jahr 60 gegen die rücksichtslose Herrschaft der Römer rebelliert. Angeführt wurde der Aufstand von der Königinwitwe Boudicca (gest. um 61). Gaius Suetonius Paulinus (vor 10 bis nach 69), der römische Heerführer, brauchte ein wenig, um mit seinen Legionen aus Wales an die Ostküste zu kommen. In dieser Zeit konnten die britannischen Kämpfer einige Erfolge erzielen, mussten sich aber dann 61 dem römischen Heer schnell geschlagen geben.

 

Vespasian macht sich einen Namen

Auch in Judäa war ein Aufstand niederzuschlagen. Nero vertraute hier fähigen Feldherren und griff nicht selbst in das Geschehen ein. Eine kluge Selbstbescheidung. Auslöser der Erhebung war, dass Nero aus den Provinzen verstärkt Abgaben forderte, Gelder, die er zum Neuaufbau Roms benötigte. Dabei wurde auch auf den Jerusalemer Tempelschatz zugegriffen, was wohl dann einen Aufstand der jüdischen Bevölkerung auslöste. Es gelang ihnen, die Festung Masada und Jerusalem zu erobern und die römischen Truppen dort zu vertreiben bzw. zu töten. Nero beauftragte den General Titus Flavius Vespasianus (9 bis 79, reg. 69 bis 79), den Aufstand niederzuschlagen. Wir werden den Herren als Vespasian in kurzer Zeit auf dem Thron sehen. Er traf im Frühjahr 67 ein und hatte Ende des Jahres nahezu das gesamte Land erobert. Auf Masada sollen sich etwa 1000 Aufständische, die sich hier verschanzt hatten, angesichts ihrer aussichtslosen Lage selbst getötet haben. Es gibt allerdings Zweifel an dieser Geschichte.

 

Allein Jerusalem und sein Umland widerstanden noch, wobei sich die Aufständischen zusätzlich einen internen Bürgerkrieg leisteten. Immerhin hielten sie bis ins Jahr 70 aus, in welchem der kurz Titus genannte Titus Flavius Vespasianus (39 bis 81, reg. 79 bis 81), der Sohn des Vespasian, schließlich Jerusalem insgesamt eroberte. Dabei wurde der Tempel, wohin sich die letzten der Widerständler zurückgezogen hatten, zerstört und im Anschluss vollkommen geschleift. Gut 650 Jahre waren seit der ersten Zerstörung durch Nebukadnezar II. vergangen, gut 580 nach dem Wiederaufbau und 90 Jahre nach der Erweiterung durch Herodes. Einzig die heutige Klagemauer, ursprünglich ein Teil der westlichen Umfassungsmauer, ist von dem zweiten Tempel erhalten.

 

Im Jahr 66 reiste Nero nach Griechenland, dessen Kultur er sehr bewunderte. Er nahm an den Olympischen Spielen teil und trat auch an anderen Orten auf, als Sportler, Schauspieler, Sänger oder Kithara-Spieler. Der Provinz Achäa schenkte er aus seiner großen Liebe für alles Griechische die Freiheit. Wir spoilern nicht, wenn wir verraten, dass Vespasian dies bald wieder rückgängig machte.

 

Man hat genug von Nero

Im Inneren wuchs die Unzufriedenheit mit Nero, seiner Verschwendungssucht und seinem peinlichen Größenwahn als Künstler. Verschwörungen wurden geplant und aufgedeckt. Gaius Calpurnius Piso (gest. 65 n. Chr.) versuchte es im April 65, ein oder zwei Jahre später Annius Vinicianus (36 bis 66). Nero zeigte keine Gnade, nicht nur die Verschwörer wurden getötet, sondern auch deren Kinder. Verhaftungen und Verurteilungen häuften sich, viele wurden zum Selbstmord aufgefordert, wobei man ihnen gelegentlich auch gerne half.

 

Der Todesstoß für Neros Herrschaft kam schließlich aus den Provinzen. Gaius Julius Vindex (etwa 25 bis 68), Statthalter von Gallia Lugdunensis, forderte seine Kollegen aus den angrenzenden Provinzen auf, den unwürdigen Kaiser gemeinsam zu stürzen. Nach anfänglichem Zögern folgten ihm Servius Sulpicius Galba (3 v. Chr. bis 65 n. Chr., reg. 68 bis 69) aus Hispania Tarraconensis und Marcus Salvius Otho, den nach Lusitania "verbannten" Ex-Ehemann Poppäas. Vindex starb 68 in einer Schlacht gegen den Nero-treuen Statthalter Obergermaniens Lucius Verginius Rufus (15 bis 97). Die Entscheidung gegen Nero fiel dann, als auch die Prätorianergarde die Loyalität aufkündigte und Galba zum neuen princeps proklamierte. Der Senat beschloss freudestrahlend und erleichtert, dass Nero ein Staatsfeind sei. Dieser versuchte daraufhin noch zu fliehen. Er fand aber keine Unterstützer mehr und beging im Juni 68 Selbstmord.

 

Das nächste Mal wird es dann mit Vespasian hoffentlich etwas weniger wild.