Pertinax hat kein Glück
Wir haben das letzte Mal Commodus sterben sehen, da Laetus, der neu ernannte Präfekt der Prätorianer, keine Lust hatte, alsbald wie seine Vorgänger hingerichtet zu werden. Ein kluger Mann. Als Nachfolger für den Ermordeten hatte er an Publius Helvius Pertinax (126 bis 193, reg. 193) gedacht. Das war auf den ersten Blick eine sinnvolle Wahl. Pertinax hatte sich vom Freigelassenen bis zum Konsul hocharbeiten können und auf dem Feld und in diversen Provinzen viel Ansehen erworben. So hatte er in den Markomannenkriegen zur Zeit Marc Aurels die Germanen, die in die Provinzen Raetia und Noricum eingefallen waren, erfolgreich zurückgeschlagen. Ein fähiger Mann also. Aber zum Kaiser gebraucht es mehr. Es gelang Pertinax nicht, sich eine eigene Machtbasis zu schaffen, er blieb von Laetus und den Prätorianern abhängig, obwohl er bei Senat, Volk und den Legionen durchaus beliebt war. Am 28. März wurde er von meuternden Prätorianern erschlagen, die nach Hinrichtungen einiger ihrer Kollegen, weitere Bestrafungen fürchteten. So ganz hatte Laetus seine Truppe wohl nicht im Griff.
Julianus auch nicht
Danach machten sich die Prätorianer ehrlich. Nachfolger als Kaiser wurde der, der am meisten Geld bot. Sieger dieser Versteigerung war Marcus Didius Severus Julianus (133 bis 193, reg. 193), der dann aber auch nur 66 Tage regieren sollte. Der Preis lag bei 25.000 Sesterzen pro Prätorianer. Wenn wir das Jahresgehalt eines Centurios in den Legionen mit vielleicht 15.000 Sesterzen annehmen, war das schon ein ordentlicher Betrag. Das Problem von Julianus, der in den Kaiserlisten als Julian I. auftaucht, war der mangelnde Rückhalt im Heer. Drei von den Truppen ausgerufene Gegenkaiser zeigen dies deutlich. Zwei von ihnen, der in Britannien stationierte Decimus Clodius Albinus (148 bis 197) und der aus Libyen stammende Lucius Septimius Severus (146 bis 211, reg. 193 bis 211), aktuell in Pannonien unterwegs, verbündeten sich und zogen gen Rom. Julianus versuchte, noch eine Verteidigung zu organisieren, hatte aber letztlich keine Chance. Als Septimius Severus den Prätorianern Straffreiheit anbot, wenn sie zu ihm überliefen und den Mörder des Pertinax auslieferten, war die Sache gegessen. Am 2. Juli 193 wurde Julianus ermordet.
Septimius Severus macht es besser
Damit war der Weg frei für Septimius Severus. Allerdings noch nicht ganz. Neben ihm selbst und Clodius Albinus, mit dem er sich verbündet hatte, gab es ja noch den dritten Heerführer, der sich zum Kaiser hatte ausrufen lassen: Gaius Pescennius Niger (um 135/140 bis 194), der in Syrien stationiert war. Bei Issos – Du erinnerst Dich an Alexander und Dareios – wurde er 194 von Septimius Severus geschlagen und getötet. Da dieser nun gerade 'mal in der Gegend war, kümmerte er sich auch um die Grenze zu den Parthern und konnte die Klein-Königreiche von Adiabene und Osrhoene unter römische Herrschaft zwingen. Einen direkten Konflikt mit den Parthern gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Erst einmal musste er die Angelegenheiten mit Clodius Albinus regeln. Dieser hatte den Pakt so verstanden, dass er Mitherrscher sein solle und später dann auch Nachfolger, wobei dies bei einem Altersunterschied von nur zwei Jahren ja keine sichere Wette war. Er sah sich übervorteilt und sammelte 195 eine Armee. Mit dieser zog er nach Gallien, was ihm allerdings wenig Glück brachte. Bei Lyon wurde er geschlagen und beging im Anschluss Selbstmord.
193: Vier, fünf oder sechs Kaiser?
Manche sprechen vom Jahr 193 als dem zweiten Vierkaiserjahr, in welchem Commodus, Pertinax, Julianus und Septimius Severus herrschten. Die Zählung stimmt nicht mehr, wenn wir neben den genannten auch Clodius Albinus und Pescennius Niger als Kaiser zählen. Die beiden hätten das auf jeden Fall für sich in Anspruch genommen. Es wäre also eigentlich zwischen einem Vier-, Fünf- oder Sechskaiserjahr zu unterscheiden. Wir vermeiden diese Verwirrung und bleiben bescheiden bei vier Kaisern.
Septimius Severus sichert seine Macht
Nachdem seine Konkurrenten ausgeschaltet waren, saß Septimius Severus fest im Sattel. Innenpolitisch regierte er durchaus autokratisch. Er stützte seine Macht im Wesentlichen auf das Militär, für das er viel tat. Solderhöhungen belasteten den Staatshaushalt, Steuererhöhungen waren die logische Folge. Damit macht man sich selten Freunde. Auch die Senatoren waren not amused. Hinzu kam, dass er die Zusammensetzung des Senats durch die Ernennung von Militärs zu Senatoren zu seinen Gunsten veränderte. Nun war der Senat seit langem schon kein wirkliches Machtzentrum mehr. Dennoch hing die Erzählung des Römischen Reiches immer noch an dem Gedanken, der Kaiser wäre als princeps nur der oberste Beschützer der Republik, deren Ämter und Regeln ja weiterhin formal eingehalten wurden. Auch heute läuft ja manches unter "Republik" und "Demokratie", was diese Bezeichnungen nicht wirklich verdient. Wir nennen vorsichtshalber keine Namen.
Da Septimius Severus gewissermaßen durch einen Putsch an die Macht gekommen war, lag ihm sehr viel an der Legitimation seiner Stellung. Also streute er die Mär, er sei von Marc Aurel adoptiert worden. Seinen Pseudo-Bruder Commodus, dessen Regierungszeit wenige in guter Erinnerung hatten, rehabilitiert er – und gelangte so geschickterweise als Bruder und Erbe auch an dessen Vermögen. In diesem Blickwinkel dürften wir hier die Blogfolge gar nicht mit »Severische Dynastie« überschreiben, sondern würden uns weiter auf den Spuren der Adoptivkaiser in der antoninischen Dynastie bewegen. Aber man muss ja nicht alles mitmachen, was sich ein Kaiser ausdenkt. Auch seinen Sohn Lucius Septimius Bassianus, den wir unter seinem Spitznamen Caracalla (188 bis 217, reg. 211 bis 217) kennen, taufte er um und nannte ihn auf die Antoniner verweisend Marcus Aurelius Antoninus. Der Name Caracalla leitet sich von dessen Kapuzenmantel ab, einem von ihm selbst nach keltischem Vorbild entworfenen Kleidungsstück, das mit den heute unter diesem Namen verkauften Bademänteln wahrscheinlich wenig gemeinsam hat.
Wieder einmal gegen die Parther
Außenpolitisch war der Sieg über die Parther 197/198 Severus' größter Erfolg. Wieder, wie schon von Trajan, wurde die Hauptstadt Ktesiphon erobert. Die Gegenwehr war aufgrund innerer Unruhen eher mäßig. Dennoch zog sich Septimius Severus zurück, er fürchtete einen Gegenschlag nach einer Konsolidierung der innerparthischen Probleme. Eine sichere Grenze war ihm wichtiger, vielleicht hatte er auch die Kurzlebigkeit der trajanischen Eroberungen noch im Gedächtnis. Außerdem gelang es nicht, dass im nördlichen Mesopotamien liegende Kleinfürstentum Hatra zu erobern. Aber ganz ohne sichtbaren Erfolg wollte er doch nicht aus der Gegend verschwinden. So wurde das Gebiet zwischen den Oberläufen von Euphrat und Tigris als Provinz in das Römische Reich eingegliedert, eine etwas kleinere, auf den Norden beschränkte Variante der von Trajan geschaffenen gleichnamigen Provinz Mesopotamia. Sie hatte deutlich länger Bestand, war aber auf der anderen Seite eine ständige Provokation der Parther und des Nachfolgereiches der Sassaniden. Insofern war es mit der Ruhe an der Ostgrenze dann auf Sicht doch nicht so weit her. Wenn Du Muße hast, kannst Du Dir die Geschichte auf dem erhaltenen Triumphbogen des Septimius Severus auf dem Forum Romanum anschauen.
Auch im Süden und Norden war er aktiv. Mit dem Castellum Dimmidi wurde im Jahr 198 rund 400 Kilometer südlich von Algier bei der heutigen Stadt Laghouat die am weitesten nach Süden, an der Nordgrenze der Sahara gelegene Festung der römischen Geschichte errichtet.
Geta hat Pech
Gestorben ist Septimius Severus in Britannien im heutigen York. 208 reiste er mit seinen beiden Söhnen, Caracalla und Publius Septimius Geta (189 bis 211), nach Norden, um die dortigen Grenzen, insbesondere den Hadrianswall, zu sichern, und aufkommende Unruhen zu unterdrücken. Am 4. Februar 211 starb er. Seine Söhne waren die natürlichen Erben. Sie mochten sich untereinander gar nicht. Caracalla wurde der nächste Kaiser, Geta starb binnen eines Jahres auf Befehl oder vielleicht sogar durch die Hand seines Bruders. Er taucht zwar in den Listen der römischen Kaiser auf, weil er formal neben seinem Bruder auch den Augustus-Titel führte. Wirklich geherrscht hat er aber nie.
Caracalla hat Angst
Eine Herrschaft mit einem Brudermord zu beginnen, ist nicht unbedingt vorbildlich. So hatte Caracalla im Volk und im Senat wenig Freunde. Mit viel Geld sorgte er für die Unterstützung der Prätorianer und vor allem auch der Legionen, die seinem Bruder gefolgt waren. Die Sorge, von Anhängern Getas um Macht und Leben gebracht zu werden, bestimmte das weitere Handeln Caracallas. Man spricht von 20.000 Menschen, die er aus diesem Grund ermorden ließ, darunter auch die Tochter und den Enkel von Marc Aurel und den Sohn des Pertinax.
Caracalla stützte seine Macht ausschließlich auf die Legionen. Die Unterstützung und Treue der Soldaten erkaufte er sich durch Geschenke und eine deutliche Erhöhung des Soldes um 50 Prozent von 2.400 auf 3.600 Sesterzen. Bereits Septimius Severus hatte hier für eine Verdopplung von 1.200 auf die 2.400 Sesterzen gesorgt, so dass Caracalla einem bereits rollenden Stein noch einen zusätzlichen Kick gab. Der Staatshaushalt konnte die überbordenden Kosten für das Militär nicht mehr kompensieren, eine deutliche Geldentwertung, messbar im Silber- und Goldgehalt der Münzen war die Folge. Zudem hatten die Soldaten durchaus begriffen, dass ohne sie nicht mehr ging. Ihre Erwartungen und Ansprüche stiegen und jeder Kaiser in den folgenden Jahrzehnten musste mit dieser machtvollen Klientel klug umgehen. Wir kommen ja auch bald zu der Phase der Soldatenkaiser.
… und stirbt in unglücklicher Situation
Außenpolitisch sorgte sich Caracalla um die Grenzsicherung zu den Germanen. Ein kurzer Feldzug 213 reichte hier, auch wenn er um diplomatische Lösungen, die immer mit Geldzahlungen und Geschenken an die grenznahen Völker verbunden waren, nicht umhinkam.
Mehr Energie steckte er in den folgenden Krieg gegen die Lieblingsgegner im Osten, die Parther. Die Gelegenheit war günstig, da dort gerade ein Bruderstreit zwischen Artabanus IV. (gest. 224, reg. 213 bis 224) und Vologaeses VI. (gest. 228, reg. 208 bis 213) um die Königsherrschaft tobte. So konnte Caracalla bis nach Arbela, dem heutigen Erbil im kurdischen Teil des Iraks, vorrücken, zog sich dann aber ins Winterlager nach Edessa zurück. Der jüngere Bruder Artabanos hatte sich mittlerweile durchgesetzt und bereitete den Gegenschlag gegen Rom vor. Caracalla sollte diesen nicht mehr erleben, am 8. April 217 wurde er, während er auf einer Reise seine Notdurft verrichtete, ermordet. Die direkte Linie der severischen Dynastie war damit nach relativ kurzer Zeit beendet.
Wir erinnern uns heute als Rombesucher an Caracalla vor allem aufgrund der von ihm errichteten Thermen, ein auch als Ruine aufgrund der Größe von 337 mal 328 Metern noch heute beeindruckendes Bauwerk. Wichtig ist zudem, dass er 212 nahezu allen freien Bewohnern das römische Bürgerrecht zusprach. Wir erinnern ein wenig die Zeit der Bundesgenossenkriege. Da jedoch lokale Regelungen nicht außer Kraft gesetzt wurden, entstand eine gewisse Unsicherheit, was denn nun in welcher Situation Vorrang haben sollte, das Bürgerrecht oder die Gesetze vor Ort.
Wie wir gesehen haben, hatte die Bedeutung des Militärs für die Herrschaft der einzelnen Kaiser stetig zugenommen. Waren es zuerst lediglich die Prätorianer, die letztlich entschieden, wer Kaiser werden durfte und wer nicht, mussten die Herrscher mittlerweile auf das gesamte Militär achten. Sie erkauften sich die Zustimmung, was die Machtposition der Legionen zusätzlich stärkte. Insofern überrascht es uns nicht, dass Rom nach den bisher eher wenig gelungenen Versuchen, über familiäre Bindungen oder schlichte Adoptionen eine Dynastiefolge aufzubauen, auf eine Phase zusteuerte, in der das Heer direkt und unmittelbar bestimmte, wer herrschen soll – die Zeit der Soldatenkaiser. Auch wenn sich die Severer über die weibliche Linie der Frau von Septimius Severus in der nächsten Folge noch einmal aufrafften, haben wir mit dem nächsten Kaiser ein erstes Menetekel dieser Zeit vor uns. So ganz klappte es allerdings noch nicht, denn er war alles andere als ein Soldat.