Macrinus setzt sich durch
Hinter der Ermordung von Caracalla - wir erinnern, dass er gerade auf dem stillen Örtchen war - stand der Prätorianerpräfekt Marcus Opellius Macrinus (164 bis 218, reg. 217 bis 218). Er stammte aus Mauretanien und war aus eher ärmlichen Verhältnissen in den Ritterstand aufgestiegen und war daher der erste Kaiser, der nicht aus dem Senatorenstand kam. Es habe eine Prophezeiung gegeben, die ihm die Kaiserwürde voraussagte. Diese Geschichte gelangte an die Ohren Caracallas. Mit potentiellen Nebenbuhlern ging man seinerzeit nicht zimperlich um, wie wir wissen. Macrinus musste um sein Leben fürchten. Das tat er auch und zog daher die naheliegende Konsequenz, Caracallas Herrschaft abrupt zu beenden.
Die Prophezeiung erfüllte sich jedoch nicht sofort. Macrinus hatte gegenüber seinem Kollegen, dem zweiten Prätorianerpräfekten Marcus Oclatinius Adventus (gest. 218) den Nachteil, dass er eher Jurist, denn Soldat war. Die Legionäre, in deren Macht es stand, den neuen Kaiser auszurufen, wollten eigentlich lieber den alten Soldaten Adventus, auch wenn er kaum lesen und schreiben und sowieso nicht mehr gut sehen konnte, als den militärisch unerfahrenen Macrinus. Man befand sich ja auch noch im Krieg mit den Parthern. Erst nachdem Adventus mit Verweis auf sein hohes Alter abgelehnt hatte, ließen sich die Soldaten überreden, Macrinus als Kaiser zu akklamieren. Wieviel Geld dabei geflossen ist, wissen wir nicht.
Frieden im Osten
Macrinus musste sich als Erstes um den von Caracalla begonnenen Partherkrieg kümmern. Sein Ziel war, diesen durch einen Friedensvertrag zügig zu beenden. Er war ja kein Soldat, sondern Jurist. Leider hatte Artabanos IV. eine andere Idee. Er sah das Verhandlungsangebot als Zeichen der Schwäche, stellte immens hohe Forderungen und griff gleichzeitig an. Bei Nisibis kam es im Sommer 217 zur Schlacht. Im Jahr 69 v. Chr. hatten die Römer die Stadt einnehmen können, diesmal unterlagen sie. Der Krieg hatte jedoch beide Seiten so weit erschöpft, dass es im Anschluss dann doch zu Verhandlungen kam, die 218 mit einem Friedensvertrag endeten. Rom musste 200 Millionen Sesterzen zahlen, bliebt aber von Gebietsverlusten verschont. Auch mit Armenien und den Dakern erreichte Macrinus Friedensschlüsse, allerdings immer durch Geldzahlungen und weitere Zugeständnisse wie etwa die Freilassung von Geiseln. Aber wir wollen das nicht schmähen. Die Grenzregionen waren befriedet, ein langanhaltender Mehrfrontenkrieg wäre sicher teurer gewesen.
Probleme in Rom
Ob all dieser Verhandlungen kam Macrinus nie nach Rom. Und dort war man zunehmend unzufrieden. Zwar waren die meisten froh, Caracalla los zu sein, und es kam auch gut an, dass Macrinus sich um ein gutes Verhältnis zum Senat bemühte. Er machte aber viele kleinere Stockfehler. Insbesondere berücksichtigte er bei Personalentscheidungen zu wenig die Interessen des Senats bzw. der Senatoren. Diese haderten mit dem Emporkömmling, der die Diskussionen vor Ort auch nicht beeinflussen konnte, und hätten natürlich lieber einen der ihren auf dem Thron gesehen hätten.
Auch gegenüber dem Militär versuchte Macrinus einen Weg, die aufgrund der Zusagen seiner Vorgänger ausufernden Kosten in den Griff zu kriegen. Das Gegenteil von gut ist gut gemeint und dies musste auch der römische Kaiser erfahren. Natürlich war es notwendig, die Staatsfinanzen zu ordnen. Wie Marc Aurel veräußerte er kaiserlichen Besitz und versuchte Steuererhöhungen und Beschlagnahmungen zu vermeiden. Den Sold für die Soldaten beließ er bei den 3.600 Sesterzen, lediglich neue Rekruten sollten einen auf 2.400 Sesterzen reduzierten Betrag bekommen. Das klappte nicht, da sich die Soldaten untereinander solidarisierten. Eine Machtbasis, dagegen vorzugehen, besaß Macrinus nicht. Letztlich scheiterte er an dem Unvermögen, sich eine eigene Hausmacht zu schaffen – wenn es denn bei seiner Vorgeschichte überhaupt möglich gewesen wäre.
Zwei Julias sorgen für das Ende
Macrinus versuchte, seinen neunjährigen Sohn Marcus Opellius Diadumenianus (208 bis 218) zum Nachfolger aufzubauen. Dagegen stellten sich Julia Domna (gest. 217), die Frau von Septimius Severus, und insbesondere ihre Schwester Julia Maesa (gest. 224). Julia Domna gab – unheilbar krank – schnell auf und beging Selbstmord. Julia Maesa kämpfte. Sie stammte aus Emesa, dem heutigen Homs in Syrien. Dort protegierte sie ihren 14-jährigen Enkel Varius Avitus Bassianus (204 bis 222, reg. 218 bis 222), den sie als unehelichen Sohn Caracallas ausgab, was ihm bei den Legionären viel Unterstützung einbrachte. Die Sache mit den "Fake News" ist so ganz neu nicht. Auf jeden Fall standen sich am 8. Juni 218 in der Nähe von Antiochia zwei römische Heere gegenüber. Macrinus gab die Schlacht schnell, vielleicht zu schnell verloren und floh. Auf dem Weg nach Rom wurde er wenig später erkannt und ermordet. Varius Avitus wurde Kaiser. Wir kennen ihn unter dem Namen Elagabal.
Wir haben uns ein wenig ausführlicher mit Macrinus beschäftigt, weil wir aus der Hybris, die Macht zu wollen, dann richtige Ansätze zu verfolgen, sie ohne Handlungsmacht aber nicht zu Ende führen zu können, ein wenig auch für das heutige Leben lernen könnten. Fragt sich nur, ob der Mensch lernfähig ist. Man zweifelt…
Nun aber weiter mit Elagabal, einem der merkwürdigsten Kaiser, die wir hier im Angebot haben. Das englische "weird" wäre als Beschreibung sicherlich zu schwach.
Ein Priester als Kaiser
Wenn wir über Elagabal sprechen, müssen wir wissen, dass ihm dieser Name erst einige Zeit nach seinem Tod gegeben wurde. Er selbst nannte sich als Kaiser Marcus Aurelius Antoninus, so wie schon Septimius Severus und mit dem Zusatz "Severus" auch Caracalla. Zur besseren Unterscheidung bleiben wir aber bei Elagabal. Der Name stammt von einer Gottheit, die in Emesa seit langem verehrt wurde und deren Priesterschaft sich seit langem aus der Familie der Julia Maesa rekrutierte. Auch Elagabal war bereits in den Kreis der Priester aufgenommen worden. Dieser Status prägte auch seine Regierungszeit. Er versuchte, den lokalen Kult als Staatsreligion im Römischen Reich zu etablieren, ließ Tempel bauen und ließ den Meteorstein, der in Emesa im Mittelpunkt der Verehrung stand, nach Rom bringen. Die Römer waren schockiert. Inwieweit die vielen Geschichten, die sich um diesen Kaiser ranken, und die alles, was über Nero, Caligula oder Commodus erzählt wird um Längen in den Schatten stellen, richtig sind, wissen wir nicht. Wir schweigen auch an dieser Stelle.
(Groß-)Mutterliebe?
Julia Maesa, die Großmutter des Kaisers, hatte zwei Töchter. Sie erkannte bald, dass Elagabal sich nicht lange auf dem Thron würde halten können. Also durfte er 221 seinen 13-jährigen Cousin Bassianus Alexianus (208 bis 235, reg. 222 bis 235) adoptieren. So sollte die Nachfolge in der Familie bleiben. Elagabal ahnte, was das alles bedeutete, und versuchte Alexianus, der sich nun Alexander nannte, auszuschalten. Diese Macht hatte er aber bereits nicht mehr, so dass es nicht verwundert, dass er – und seine Mutter Julia Soaemias Bassiana (180 bis 222) – am 11. März 222 ermordet wurden. Julia Maesa opferte Tochter und Enkel für den Erhalt der Dynastie, die sich zwar noch von Septimius Severus herleitete, aber mittlerweile doch eher eine syrische war.
Noch einmal zwei Julias
Der Trick, den Enkel als unehelichen Sohn des bei den Soldaten beliebten Caracalla auszugeben, funktionierte auch bei Alexander, der sich nach seiner Ausrufung zum Kaiser Marcus Aurelius Severus Alexander nannte. Wir kennen diese Rückbesinnung auf alte Herrscher im Namen ja bereits.
Schon für die Herrschaft Elagabals war seine Großmutter die entscheidende Triebkraft gewesen. Der junge Priester war aber von seinem Kult so eingenommen, dass er sich nicht führen ließ. Das sah bei Severus Alexander anders aus. Julia Maesa starb zwar bereits 224, über die gesamte Regierungszeit war aber deren Tochter und Severus Alexanders Mutter Julia Avita Mamaea (gest. 235) der Mensch, der die Fäden in der Hand hielt. Anders als Elagabal ließ Severus Alexander dies zu, so dass wir es in diesen 13 Jahren faktisch nicht mit einem Augustus, sondern mit einer Augusta zu tun haben. Diesen Titel trug Mamaea auch bereits seit 222. Daneben nannte man sie auch »Mutter des Senats«, »Mutter des Vaterlandes« und »Mutter des ganzen Menschengeschlechtes«. Neben so einer Person, noch dazu die eigene Mutter, ließ es sich als 14-jähriger Junge sicherlich schwer eigenständig Kaiser sein.
Stress mit den Prätorianern
Julia Mamaea hatte aus dem Schicksal Elagabals ein wenig gelernt. Sie bemühte sich um eine gute, traditionelle Ausbildung für ihren Sohn und achtete auf ein entspanntes Verhältnis zum Senat. Dennoch gab es bereits im Jahr 223 Unruhen, vor allem bei den Prätorianern. Der von Mamaea eingesetzte Oberbefehlshaber für diese Garde namens Domitius Ulpianus (gest. 223 oder 228) passte einigen aus der Truppe nicht, es kam zu mehrtägigen Straßenkämpfen. Sowohl Ulpianus als auch seine Gegner wurden im Laufe dieser Meuterei ermordet. Es war sehr deutlich, dass Mamaea und Severus Alexander eine belastbare Machtbasis fehlte. Umso mehr müssen wir bewundern, dass sie diese Phase den Kopf oben behielten, im wahrsten Wortsinn.
Wieder Krieg im Osten…
Die innere Schwäche Roms blieb auch an den neuralgischen Punkten der Reichsgrenze nicht unbemerkt. Sowohl im Osten als auch im Norden musste Rom Angriffe abwehren. Im Osten waren überraschenderweise nicht mehr die Parther die Gegner, sondern die Sassaniden, Perser, die im Partherreich die Macht übernommen hatten. 230/31 kam es zum Angriff. Auf römischer Seite begann der Krieg mit der Ermordung des Heerführers Flavius Heracleo (gest. 232) durch die eigenen Legionäre. Kein guter Start in diesen Krieg für Rom. Severus Alexander musste mit seiner Mutter an die Front. 232 begann die Gegenoffensive, die in einem Abnutzungskrieg endete. Rom konnte letztlich den Angriff der Perser abwehren und Gebietsverluste vermeiden, 233 kehrte der Kaiser in seine Hauptstadt zurück. Es war so etwas wie ein Sieg. Es war aber keine Entscheidung über die Machtbalance im Osten.
…und ein Finale im Norden
Im Norden merkten die Germanen, dass die Verteidigung der römischen Grenze geschwächt war, natürlich auch durch die für den Perserfeldzug abgezogenen Legionen. Auch hier musste Severus Alexander mit Julia Mamaea vor Ort erscheinen. Der Kaiser war mittlerweile kein Kind mehr, immerhin 26 Jahre alt, da war die Begleitung durch seine Mutter in den Augen der Legionäre nicht unbedingt ein Zeichen der Stärke. Mamaea war auch nicht sehr beliebt, da sie ähnlich wie Macrinus den Staatshaushalt konsolidieren wollte und aus diesem Grund auch viele Zahlungen und Geschenke an die Soldaten gekürzt oder gestrichen hatte. Als sie dann – sicherlich auch in realistischer Einschätzung der wenig ausgeprägten Kampfmoral der eigenen Truppen – den Germanen Geld bot, wenn diese sich ruhig verhielten, wurde die Situation immer explosiver. Den eigenen Truppen Geld verweigern, um es den Germanen in den Rachen zu stopfen, selbst minderbegabte Demagogen können hieraus eine eingängige Geschichte erzählen. Die Geschichte wurde dann auch erzählt, die Soldaten erhoben Maximinus Thrax (etwa 173 bis 238, reg. 235 bis 238), einen für die Rekrutenausbildung zuständigen Offizier aus dem Stand der Ritter, zum Kaiser und der ließ seinen Vorgänger und dessen Mutter im März 235 in der Nähe von Mainz im Feldlager ermorden. Thrax wusste, was seine Klientel von ihm wollte, versprach Geschenke, Solderhöhungen und Amnestie für Disziplinarstrafen.
Nachdem mit Caracalla die direkte Linie der Severer ausgestorben war, starb mit Severus Alexander nun auch der letzte der Kaiser, die aus der weiblichen Linie der Frau von Septimius Severus stammte. Mit Maximinus Thrax begann die Ära der Soldatenkaiser, die wir ja schon avisiert hatten. Bevor wir dort einsteigen, gönnen wir uns das nächste Mal eine Pause in dem Kaiserreigen und widmen den Sassaniden einen Blick. Persien hat uns ja schon eine lange Zeit begleitet, da wollen wir auch wissen, wie es dort weiterging.