In dieser Folge machen wir einen kleinen Ausflug nach Persien. In dieser Gegend waren wir ja bereits öfter und haben grob gesagt von 550 bis 330 v. Chr. die Achämeniden als herrschende Dynastie gesehen. Nach der Aufteilung des Alexanderreiches wurde die Region dann bis 240 v. Chr. von den Seleukiden regiert. Ab 250 v. Chr. übernahmen dabei die Parther von Osten kommend sukzessive die Herrschaft. Sie bestimmten etwa 500 Jahre bis 224 n. Chr. das Geschehen. Den Abschluss in dieser Reihe bilden nun die Sassaniden, die bis zur Eroberung durch die Araber im Jahr 651 herrschten. Nicht zuletzt, weil sie, wie die Parther, häufig im Konflikt mit dem Römischen Reich standen, ist es mehr als angebracht, ihnen einen kurzen Blick zu gönnen.
Machtübernahme
224 übernahm mit Ardaschir I. (180 bis 242, reg. 211/212 bis 242) ein Herrscher das Reich, der nicht aus der parthischen Dynastie der Arsakiden stammte. Diese hatte bereits um 240 v. Chr. Persien und Mesopotamien aus dem Seleukidenreich gelöst und seither, immerhin knapp 500 Jahre, dort geherrscht. Nun machte Ardaschir, bisher Fürst in der Persis, dem ein Ende. Die Parther Artabanos IV. und auch dessen Bruder und Rivale Vologaeses VI., die wir ja schon zu Zeiten Caracallas kennengelernt hatten, wurden ausgeschaltet. 226 war Ktesiphon, die Hauptstadt, erobert. Es war also keine Machtübernahme von außen, sondern ein Dynastiewechsel nach einer Usurpation, wie wir ihn in Ägypten und mittlerweile auch in Rom schon hie und da gesehen haben. Insofern ist es nicht überraschend, dass sich der Adel und insbesondere auch die parthischen Fürsten in die neue Herrschaftsstruktur einfügten.
Ardaschir verzichtete auf revolutionäre Veränderungen, unterstützte die Religion des Zoroastrismus, um als deren Schirmherr auch für sich einen größeren Rückhalt, quasi einen Stabilitätsanker in der Bevölkerung zu etablieren, und schaute, dass er das Militär auf seiner Seite hielt. Dies hatte im Osten gegen Kuschana, ein größeres Reich mit einer Ausdehnung immerhin von Afghanistan bis zum Indusdelta, und im Westen mit dem altbekannten Gegner Rom hinreichend Beschäftigung.
Sein Sohn und Nachfolger Schapur I. (gest. 270, reg. 240 bis 270) intensivierte den Kampf mit Rom. Und er tat dies zunächst mit Erfolg. Im Jahr 260 konnte er mit Valerian (etwa 199 bis 260/264, reg. 253 bis 260) sogar einen Kaiser gefangen nehmen. Dieser wurde dann später getötet und seine gegerbte Haut als Trophäe präsentiert. Manchmal mag man doch an so etwas wie zivilisatorischen Fortschritt glauben.
Gegen Ende von Schapurs Regierungszeit machte dann erneut Kuschana im Osten Probleme, was wiederum Rom im Westen ausnutzen konnte. Die strategische Lage der Sassaniden war einfach nicht optimal. Es gelang den persischen Herrschern aber, die Ressourcen Mesopotamiens und des iranischen Hochlandes deutlich besser auszunutzen als ihre parthischen Vorgänger. Um bis zu 50 Prozent konnten Besiedlung und landwirtschaftliche Kultivierung gesteigert werden, auch durch Bewässerungsprojekte, die mit Hilfe römischer Gefangener realisiert wurden.
Zoroastrismus
Mit Religionsgeschichte beschäftigen wir uns ja wenig. Bei den Griechen haben wir Zeus links liegen gelassen, ebenso Jupiter bei den Römern. Und bei den Ägyptern haben wir nur ein kurzes Blitzlicht in das Pantheon geworfen. Davon wollen wir schon allein aus Gründen von Zeit und Raum auch nicht abrücken. Insofern werden wir nur sehr kurz die Grundzüge des von Ardaschir gestützten Zoroastrismus darlegen können. Die schriftliche Kodifizierung in der Textsammlung Avesta wurde wahrscheinlich als Reaktion auf das sich ausbreitende Christentum erst ab dem 3. Jahrhundert n. Chr. vorgenommen, die Religion selbst ist viel älter. Durch Friedrich Nietzsche (1844 bis 1900) und Richard Strauss (1864 bis 1949) hat sich der Name des Religionsgründers Zarathustra, was sich vielleicht etwas profan mit "Besitzer wertvoller Kamele" übersetzen lässt, bis heute in den Köpfen der Menschen erhalten. Wir wissen nicht genau, wann er gelebt hat. Die meisten Forscher verorten ihn um 1800 v. Chr.
Die Anfänge des Zoroastrismus liegen somit im zweiten vorchristlichen Jahrtausend. Verehrt wurde mit Ahura Mazda der »Fürst der Weisheit«, der im Konflikt mit dem »Feindlichen Geist« Angra Mainyu stand. Jeder Mensch müsse für sich entscheiden, welche Rolle er in diesem Kampf zwischen Gut und Böse spielen wolle, eine durchaus moderne, individualistische Komponente. Einige werden den Zoroastrismus mit den in dieser Religion verbreiteten Feuertempeln verbinden. Dabei wird allerdings nicht das Feuer selbst angebetet, sondern es ist als reines, von Gott erschaffenes Element Symbol für Gott, an den sich die Gebete richten. Auch Wasser war ein solches Element, wurde aber in der Zeit der Parther aus welchen Gründen auch immer dämonisiert, so dass Seereisen gemieden und Flussübersetzungen nur mit begleitenden religiösen Ritualen durchgeführt wurden. Vermutlich finden sich in Venedig wenig Anhänger dieser Auslegung. Die Ehe zwischen Blutsverwandten wurde gutgeheißen. Auf die Frage, was den Kern seiner Lehre ausmache, soll Ahura Mazda geantwortet haben: »Wenn man fleißig Getreide anbaut«. Der Prozess von der Saat über die Ernte bis zum Brot backen bringe Dämonen in Angst und Schrecken und lasse sie die Flucht ergreifen. Bauern und Bäcker werden zustimmend nicken.
Manichäismus
Einen Begriff, der zu dieser Zeit entstand, wollen wir auch kurz erklären, da er noch heute Verwendung findet. Zur Zeit Schapurs entstand die von dem Priester Mani (216 bis 276/277) entwickelte Religionslehre des Manichäismus. Dieser unterscheidet dualistisch zwischen Licht und Finsternis. Heilsgeschichtlich sieht er die Menschheit aus der finsteren Vergangenheit über eine in der Gegenwart existierende Koexistenz beider Prinzipien auf dem Weg in eine lichtvolle Zukunft. Das klingt erst einmal hoffnungsfroh, auch wenn der Weg mitunter viele Kurven ins Dunkle zu haben scheint. Diese Lehre breitete sich in der Spätantike und im Mittelalter auch nach Westen aus, bekam von Christen häufig die Konnotation des Häretikertums. Aus dieser Entwicklung heraus wird heute der Begriff »manichäisch« vor allem auf Ideologien angewendet, die sehr hart zwischen Gut und Böse unterscheiden wie etwa der Nationalsozialismus. 276/277 wurde Mani hingerichtet, nachdem unter den Nachfolgern Schapurs, Söhne und Enkel von ihm, sogenannte Manichäer, wiederholt verfolgt wurden.
Kampf mit Rom
Im Kampf mit Rom ging es in den folgenden Jahrzehnten hin und her. 283 konnten die Römer bis Ktesiphon vorstoßen, 296 waren die Sassaniden im römisch beherrschten Armenien unterwegs. Entscheidende Eroberungen gelangen keinem von beiden. Immerhin konnten die Römer in Armenien Könige aus der alten parthischen Arsakiden-Dynastie etablieren, die ihnen wohlwollend gegenüberstanden. So ändern sich die Loyalitäten, jetzt waren die lange bekämpften Arsakiden auf einmal romfreundlich. Die Dynastie der Arsakiden hatte bis 428 Bestand, wiewohl Armenien immer umkämpft blieb und die Einflussbereiche der beiden Großreiche immer schwankten.
Viel Feind, viel Ehr
Das Sassanidenreich litt immer wieder auch unter inneren Schwierigkeiten. Die Söhne Schapurs und ihre Nachkommen kämpften immer wieder um den Thron. Hinzu kamen die andauernden Auseinandersetzungen mit den Nachbarn im Westen und Osten. So eine Mittellage hat eben ihre strategischen Nachteile. Auf Kuschana im Osten haben wir schon hingewiesen. Auch die Saken, gegen die Kyros II. und Dareios I. bereits über 800 Jahre zuvor gekämpft hatten, waren im Nordosten noch aktiv. Daneben haben wir Kidariten, Hephtaliten sowie die Stämme der Alchon und der Nezak, die alle irgendwann im Clinch mit den Sassaniden lagen. Besonders problematisch waren die grenznäher siedelnden Kök-Türken, die quasi als Nachfolger der Hephtaliten das Gebiet vom Kaspischen Meer bis zur Mongolei besiedelten. Bevor sie im 8. Jahrhundert von den Chinesen und Uiguren erobert wurden, schlossen sie Bündnisse mit Rom, was die Sassaniden sicherlich nicht gerne gesehen haben.
Mit einer Mischung aus Präventivkriegen und Diplomatie gelang es den Großkönigen, ihre Vormachtstellung zu behaupten, in Teilen auszubauen. Bis zum Jahr 360 gab es beispielsweise sassanidische Kronprinzen, die sich als Kuschanschah, als Könige von Kuschana bezeichneten. Die diplomatischen Kontakte reichten dabei bis nach China.
359 eroberten die Perser Teile von Syrien, 363 rückten die Römer unter Kaiser Julian II. (331/332 bis 363, reg. 360 bis 363) bis nach Ktesiphon vor. Er konnte die Stadt aber nicht erobern und fiel in einem Gefecht auf dem Rückzug. Die Sassaniden nutzten die Situation und verleibten sich Teile des römischen Gebietes einschließlich der vielumkämpften Stadt Nisibis ein. 387 konnte Schapur III. (gest. 388, reg. 383 bis 388) mit Theodosius I. (347 bis 395, reg. 379 bis 395) eine Regelung für Armenien gestalten, die zwar 80 Prozent des Landes Persien zusprach, Rom jedoch eine hinreichende Absicherung seiner Ostgrenze ermöglichte.
Danach hatten beide Seiten genug und empfanden die Konstellation als halbwegs erträglich. Zudem war ab etwa 400 mit den Hunnen eine gemeinsame Bedrohung zu bewältigen, die wenig Zeit für Kämpfe gegeneinander ließ. Die Sassaniden hatten nun zudem Zeit, sich mit sich selbst zu beschäftigen, Verschwörungen und Palastintrigen waren an der Tagesordnung. Erwähnen wollen wir Yazdegerd I. (gest. 420, reg. 399 bis 420). Er zeigte sich religiös tolerant, Christen und Juden wurden nicht verfolgt. Das brachte ihm durch die Nachwelt den Beinamen »der Sünder« ein. Wir lernen, mit diesen Zuschreibungen vorsichtig zu sein.
Acht Jahre Ewigkeit
In den nächsten Jahrzehnten änderte sich an der beschriebenen Grundkonstellation wenig. Vereinzelte Auseinandersetzungen mit Rom, häufige Schlachten im Nordosten und innere Machtkämpfe prägten das Geschehen. Erst im 6. Jahrhundert wurde es wieder spannend. Chosrau I. (gest. 579, reg. 531 bis 579) und der oströmische Kaiser Justinian I. (482 bis 565, reg. 527 bis 565) standen sich gegenüber. 532 wurde ein »Ewiger Friede« geschlossen, den sich Chosrau bezahlen ließ. Die Ewigkeit dauerte acht Jahre, dann nutzte der Perser die Gunst der Stunde, dass die Römer in Italien mit den Gotenkriegen gebunden waren, und fiel 540 in Kleinasien ein. Viele Städte, unter anderem Antiochia, konnte er erobern und reiche Beute machen. Justinian musste reagieren und schickte seinen Feldherrn Flavius Belisarius, aus der Überlieferung als Belisar (um 500/505 bis 565) bekannt. Wie so häufig neutralisierten sich beide Parteien in den Schlachten der nächsten Jahre und schlossen 562 erneut Frieden. In Folge kam es wieder zu Kämpfen im Nordosten sowie dem angesprochenen Bündnis zwischen Rom und den Kök-Türken. Es gab wichtige Erfolge gegen Rom, aber auch 575 bei Melitene, heute Malatya in der Osttürkei am Euphrat gelegen, eine vernichtende Niederlage. Nichts entschied den Kampf endgültig.
Freundschaft und Feindschaft
So ging es in den nächsten Jahren weiter. Das Spiel änderte sich dann grundlegend mit Chosrau II. (gest. 628, reg. 590 und 591 bis 628). Er war ein Enkel von Chosrau I. und kam 590 in Folge einer Adelsrevolte, die seinen Vater Hormizd IV. (gest. 590, reg. 579 bis 590) stürzte, an die Macht. Wobei es mit der Macht zu Beginn nicht so weit her war, da er kurz nach seiner Inthronisierung gleich vor einem Usurpator fliehen musste.
Sein Ziel war dabei ausgerechnet Konstantinopel, wo der römische Kaiser Maurikios (539 bis 602, reg. 582 bis 602) herrschte. Die beiden verstanden sich anscheinend gut, Chosrau soll von Maurikios sogar adoptiert worden sein. Bereits 591 konnte er mit einem römischen Heer in seine Heimat ziehen und seinen Gegenspieler vom Thron vertreiben.
Als 602 sein Adoptivvater Maurikios gestürzt wurde, wurde Chosrau aktiv. Die Türken im Nordosten hatten gerade genug mit sich selbst zu tun, also hielt er die Gelegenheit für günstig, mal zu sehen, was im Westen so möglich wäre. Auch hier tobten die inneren Machtkämpfe. Phokas (nach 547 bis 610, reg. 602 bis 610), der Mörder des Maurikios wurde 610 von Herakleios (um 575 bis 641, reg. 610 bis 641) gestürzt. Chosrau nutzte die Phase, fiel in Syrien und Kleinasien ein und konnte Jerusalem erobern. 615/6 erreichten seine Truppen Chalkedon gegenüber von Konstantinopel, 619 Ägypten, von wo aus sie nach Westen bis Tripolis und nach Süden bis in den Sudan gelangten.
Konstantinopel wird belagert
Es verwundert uns nicht, dass diese schnelle und gewaltige Ausdehnung des Herrschaftsgebietes nicht ohne Probleme blieb. 626 versuchte Chosrau gemeinsam mit den Awaren, ein von den Kök-Türken nach Westen in die pannonische Tiefebene vertriebenes Volk, Konstantinopel zu erobern. Die Awaren, die auf der europäischen Landseite der Stadt Stellung bezogen hatten, mussten die Belagerung allerdings am 7. August 626 schon nach zehn Tagen aufgeben. Die auf der gegenüberliegenden Seite des Bosporus lagernden Perser waren bei der Aktion eigentlich keine große Hilfe. Herakleios selbst war zu dieser Zeit schon in Kleinasien unterwegs, um die Sassaniden in ihre Schranken zu verweisen. Dies gelang, da Chosrau es mit seinen Eroberungen insofern zu weit getrieben hatte, als dass er nun zu wenig Truppen mobilisieren konnte. Im Dezember 627 gelang Herakleios bei Ninive ein eher kleinerer Sieg, der aber wirkungsvoll war, da er Chosraus Siegernimbus brach. Sein Rückhalt beim Adel schwand, im Februar 628 wurde er von seinem Sohn ermordet, der als Kavadh II. (gest. 628, reg. 628) den Thron bestieg.
Das Ende
Danach nahm es ein schnelles Ende mit den Sassaniden. Sie gaben ihre Eroberungen auf, konnten daher mit dem oströmischen Reich Frieden schließen. Im Inneren kam es zu vielen schnellen Thronwechseln, auch die Töchter Chosraus II. waren kurzzeitig an der Macht.
Dem folgenden Sturmlauf der islamischen Araber hatten diese Nachfolger dann – trotz erbitterter Gegenwehr und anfänglichen Erfolgen – nichts Entscheidendes mehr entgegenzusetzen. 638 ging Mesopotamien mit der Hauptstadt Ktesiphon verloren, 642 das iranische Kernland. Der letzte Sassanidenkönig Yazdegerd III. (gest. 651, reg. 633 bis 651) klopfte sogar in China bei Gaozong (628 bis 683, reg. 649 bis 683), dem Kaiser der Tang-Dynastie, an, um Hilfe gegen die Eindringlinge zu erhalten. Leider ohne Erfolg. Immerhin konnten seine Söhne Peroz III. (636 bis vor 679) und Bahram VII. (gest. 710) an den chinesischen Hof fliehen. Beide starben im Exil.
Wir sind jetzt der Zeit um 400 Jahre vorausgeeilt, wollen uns nun aber wieder nach Rom begeben, wo ja Maximinus Thrax noch auf uns wartet.