Maximinus Thrax: Ein Soldat als Kaiser
Wir erinnern uns kurz, dass Maximinus Thrax von den Legionären am Oberrhein zum Kaiser ausgerufen wurde. Sein Vorgänger, Severus Alexander, der letzte aus der Dynastie der Severer, war zusammen mit seiner Mutter Julia Mamaea ermordet worden. Der Senat bestätigte die Kaiserwürde, auch wenn Maximinus keiner der ihren war, sondern nur ein Mitglied des Ritterstandes und somit eigentlich unwürdig, princeps zu werden. Aber man war sicher froh, diese merkwürdigen Kaiser aus Homs mitsamt ihren Müttern los zu sein.
Maximinus, der seinen Beinamen Thrax erst posthum um das Jahr 400 herum erhielt, wobei die so insinuierte Herkunft aus Thrakien keineswegs gesichert ist, kümmerte sich vornehmlich um die Absicherung gegenüber den Germanen. Er unternahm auch Feldzüge, die weit in deren Gebiet hineinreichten. Am Westrand des Harzes haben sich in Wiershausen Spuren von Kampfhandlungen aus dieser Zeit gefunden. Das sogenannte Harzhornereignis ist der Beweis für Maximinus‘ aktive Germanenpolitik. Ebenso erfolgreich konnte er die Problemzone an der Donau gegenüber den Dakern und Jazygen sichern. Problematischer war die Situation im Osten, wo die Sassaniden erste Duftmarken setzten.
Maximinus Thrax, ein Hüne - es wird von einer Körpergröße von über 2,40 m berichtet -, machte der neuen Generation der Soldatenkaiser alle Ehre. Alles Geld der Staatskasse steckte er in seine Feldzüge. Er musste sogar bei der Armenkasse und bei den Mitteln für die Getreideversorgung Roms zulangen. Die Diskussion über die Höhe von Sozialleistungen ist also so ganz neu nicht. Maximinus' Kürzungen kamen seinerzeit nicht so gut an. Auch, dass er nie in Rom selbst war, sondern immer auf Kriegszügen, machte ihm keine Freunde im Senat. Auch in den Provinzen, in denen er nicht unterwegs war, also insbesondere im Westen, Süden und Osten. Alles ausser dem Norden… das ist ziemlich viel. So überrascht es nicht, dass verstärkt versucht wurde, ihn loszuwerden. So einfach war das aber nicht, es kam zu einem ziemlichen Durcheinander.
Erster Versuch: Gordian mal 2
In der Provinz Africa nahm der Unmut über die steigenden Steuern zur Finanzierung der Feldzüge überhand. Der kaiserliche Steuereintreiber wurde ermordet und man rief den Statthalter der Provinz Marcus Antonius Gordianus Sempronianus Romanus (um 159 bis 238, reg. 238) als Gordian I. zum Kaiser aus. Da dieser bereits 80 Jahre alt war, machte man Nägel mit Köpfen und hob seinen gleichnamigen Sohn als Gordian II. (etwa 192 bis 238, reg. 238) mit auf Schild. Dann reisten die Rebellen nach Rom, ermordeten den Stadt- und den Prätorianerpräfekten und überzeugten den Senat, Vater und Sohn Gordian als Kaiser anzuerkennen. Sie werden keine sehr ausgefeilte Argumentationskette benötigt haben.
Maximinus wurde in diesem Atemzug vom Kaiser zum Staatsfeind. So ganz einfach ließ dieser die Sache aber nicht laufen. In Numidien, der Nachbarprovinz Gordians, saß mit Capelianus (um 230) ein Maximinus-treuer Statthalter, dem es gelang, Gordian II. vernichtend zu schlagen und zu töten, worauf sich Gordian I. in seiner Verzweiflung das Leben nahm. Immerhin 20 Tage haben die beiden sich Kaiser nennen dürfen.
Zweiter Versuch: Doppelspitze plus Gordian 3…
Der Senat musste handeln und ernannte mit Marcus Clodius Pupienus (um 164 bis 238, reg. 238) und Decimus Caelius Calvinus Balbinus (vor 178 bis 238, reg. 238) erneut zwei Kaiser. Die sehr moderne Idee einer Doppelspitze setzte sich aber erneut nicht durch. Beide Kaiser waren beim Volk wenig beliebt. So wurde mit Hilfe der Prätorianer, die vor allem auch dem Senat nicht das Recht der Kaiserwahl zugestehen wollten, Marcus Antonius Gordianus, der Enkel Gordians I. als Mitkaiser durchgesetzt, logischerweise war es dann Gordian III. (225 bis 244, reg. 238 bis 244).
… und Maximinus will weitermachen
Eine Tripelspitze sollte es richten? Auch Maximinus Thrax war ja noch auf dem Spielfeld. Dieser war mittlerweile mit seinen Truppen auf dem Weg nach Rom und belagerte Aquileia im heutigen Friaul gelegen. Belagerungen sind mitunter mangels eines schnell erkennbaren Fortschritts auch für die Belagernden frustrierend. Wenn der Gegner dann auch noch vom Senat und zwei bis drei Kaisern unterstützt wird, keimt der Unmut schneller. Dieser richtete sich gegen Maximinus und war am Ende so stark, dass dieser zusammen mit seinem Sohn Gaius Julius Verus Maximus (217/220 bis 238) ermordet wurde. Die Köpfe wurden nach Rom geschickt, um Senat und Kaisern zu zeigen, auf wessen Seite die Legionen stünden. So hatten Pupienus und Balbinus eigentlich Ruhe. Da sich beide aber von Grund auf misstrauten und beim Volk nicht beliebt waren, ging das nicht lange gut.
Beide hatten sich auf eine Arbeitsteilung geeinigt, die Pupienus in den Kampf mit Maximinus schickte, während Balbinus die Staatsgeschäfte führen sollte. Nach Maximinus‘ Tod heimste Pupienus den Jubel des Volkes ein, was Balbinus eifersüchtig machte. So kam es zum Streit, den die Prätorianer mit der Ermordung beider beendeten. Ein für beide eher unglückliches Unentschieden.
Gordian III. allein auf der Bühne
Es blieb Gordianus III. übrig. Ein buntes Jahr in Rom, das zeigte, dass die Handlungsmacht des Senats doch sehr beschränkt und eine solide Unterstützung durch Militär und Volk signifikant wichtiger war. Die klassische Karriereleiter, der cursus honorum, auf der die Senatoren sich bewegten, war eben eine rein zivile Angelegenheit und nicht mit militärischen Diensträngen verbunden. Der Einfluss des Senats auf die Legionäre war somit allenfalls mittelbar.
Marcus Antonius Gordianus’ Mutter Antonia Gordiana (geb. 201) war eine Tochter Gordians I., des alten Kurzzeitkaisers aus dem Januar 238. Anfang Mai war der 13-jährige Knabe Kaiser. Es verwundert nicht, dass er zu Beginn von einem Beraterstab des Senats begleitet, wohl eher gelenkt wurde. Auch wenn wir eben dem Senat strukturell nur wenig Einflussmöglichkeiten zugesprochen haben, für das römische Staatswesen war die Institution in dieser Situation doch ein stabilisierender Anker, da so die Unerfahrenheit des Kindes auf dem Kaiserthron kompensiert werden konnte. Der Herrscher und in diesem Fall seine Mutter mussten allerdings mitspielen.
Zuvörderst war es allen Beteiligten wichtig, nach der Hektik der letzten Monate wieder Ruhe einkehren zu lassen. Die Steuern wurden gesenkt, Spiele veranstaltet, dem Heer die bei Herrscherwechseln mittlerweile üblichen Geldzahlungen versprochen. Zudem wurden einige Kommandeure, deren Loyalität in Zweifel stand, unter anderem Capelianus, der Gordian II. besiegt hatte, abgelöst. Im Fall des Capelianus wurde sogar die ganze Legion aufgelöst – mit der unschönen Folge, dass Nordafrika nun gegenüber Angriffen von Nomadenstämmen sehr schutzlos dalag.
Auch im Osten gab es wieder Angriffe der Sassaniden. Gaius Furius Sabinus Aquila Timesitheus (190 bis 243) wurde zum Oberbefehlshaber ernannt und schaffte es, die Perser zurückzudrängen. Anfang 243 starb er und wurde durch Marcus Julius Philippus Arabs (um 204 bis 249, reg. 244 bis 249) ersetzt. Auch Gordian III. war an der Front und erlebte 243 bei Resaina erst einen Sieg seiner Truppen, 244 dann beim weiteren Vorrücken auf Ktesiphon bei Mesiche eine Niederlage. Kurz darauf starb er, wobei unklar ist, ob dies schon in der Schlacht geschah oder ob er kurz darauf durch seine eigenen Soldaten, vielleicht angestiftet durch Philippus Arabs, ermordet wurde. Er wurde keine zwanzig Jahre. Viel bewegen konnte er nicht.
Ein arabischer Nomade wird Römischer Kaiser
Bei Gordian III. scheuen wir uns ja ein wenig, ihn unter dem Rubrum »Soldatenkaiser« laufen zu lassen. Bei seinem Nachfolger Philippus, der den Beinamen Arabs seiner Herkunft aus einer Familie mit arabischen Wurzeln verdankte, ist das schon anders. Nach dem Tode Gordians III. wurde der Prätorianerpräfekt Philippus von den Truppen zum Kaiser erhoben, der Senat akzeptierte die Wahl notgedrungen. Den Sohn eines arabischen Nomadenführers an der Spitze des Römischen Reiches, das hatte sich mancher anders vorgestellt.
Philippus schloss als erstes Frieden mit den Persern. Teuer war dieser. 500.000 Goldstücke und große Teile Armeniens gingen dabei drauf, aber er hatte an dieser Front Ruhe. Beide Seiten feierten das Ende des Krieges als großen Sieg, Schapur I. von Persien sicherlich mit größerem Recht. Das berühmte Relief von Naqsh-i Rustam zeigt Philippus Arabs kniend vor Schapur I., während der Valerian daneben steht - wohl in Erwartung seines Schicksals.
Mehr Erfolg hatte Philippus im Norden, wo er 246 die Germanen und 247 die in Dakien eingefallenen Karpen besiegen und zurückschlagen konnte. Bedeutung erhielt seine Amtszeit auch dadurch, dass er 248 die Tausendjahrfeier der Stadt Rom ausrichten durfte, die mit Wagenrennen, Gladiatorenkämpfen mit und ohne wilde Tiere und großzügigen Geldgeschenken über viele Tage hinweg begangen wurde. Diese Ausgaben verschärften im Zweifel die wirtschaftliche Krise, die durch die hohen Ausgaben für die Feldzüge und den Frieden mit den Persern sich immer weiter aufschaukelte. Als Unruhen in Ägypten die Weizenversorgung der Stadt Rom unterbrachen, wurde es zunehmend ungemütlich für Philippus.
Zudem blieb es im Nordosten unruhig. Philippus schickte den Senator Gaius Messius Decius (190 oder 200/201 bis 251, reg. 249 bis 251) in die Provinz Moesia inferior ans Schwarze Meer, wo 248 Goten und erneut die Karpen eingefallen waren. Dieser schaffte schnell Ruhe. Im Anschluss drängten ihn seine Soldaten, sich zum Kaiser zu erklären, da man mit Philippus zunehmend unzufrieden war. Das nahm Decius zwar nicht sofort an, marschierte aber mit seinen Truppen nach Italien. Philippus wusste, wohin der Hase lief und stellte sich ihm entgegen. Trotz zahlenmäßiger Überlegenheit unterlag er bei Verona und fiel vermutlich in der Schlacht. Decius war Kaiser, der Senat bestätigte ihn. Philippus verfiel der damnatio memoriae. Man mochte ihn eben nicht so gerne.
Reichskrise
Wir müssen uns jetzt etwas einfallen lassen, die Regierungszeit der Kaiser wurde in den kommenden Jahren immer kürzer, so dass wir künftig mehr Überschriften als Inhalte hätten, wenn wir uns weiter von Kaiser zu Kaiser hangeln wollten. Wir müssen auch zugeben, dass die Geschichten sich ja zunehmend wiederholen. Gefahr im Osten, der ein oder andere Feldzug gegen die Germanen und in Pannonien und Moesien. Das alles strengte das Reich zunehmend an und forderte immer mehr die Konzentration aller Mittel auf die Verteidigung der Grenzen. Das 3. Jahrhundert war insofern von einer existentiellen Krise des gesamten Römischen Reiches geprägt, der die folgenden Kaiser mit unterschiedlichem Erfolg begegneten.
Was sich jetzt so beiläufig schreibt und liest, bedeutete für die Römer und ihre Kaiser veritablen Stress. Decius unterlag 251 den Goten und kam dabei mit seinem älteren Sohn und vermeintlichen Thronfolger ums Leben.
Sein Nachfolger Gaius Vibius Trebonianus Gallus (um 206 bis 253, reg. 251 bis 253), mal wieder ein Kaiser, der aus Italien stammte, hatte an vier Fronten zu kämpfen. Eine (1) Pest wütete im Land, an ihr starb auch der zum Mitkaiser erhobene jüngere Sohn des Decius. Die (2) Perser unter Schapur I. marschierten in Syrien ein. Die (3) Goten ließen trotz eines mit Gallus geschlossenen Friedensvertrags nicht davon ab, römisches Gebiet zu überfallen. Und schließlich war das Heer mit dem Kaiser nicht zufrieden und erhob (4) Marcus Aemilius Aemilianus (um 207 bis 253, reg. 253), den aus Libyen stammenden Statthalter der Provinzen Moesia superior und Pannonia zum Kaiser. Gallus rief den Statthalter von Raetia und Noricum Publius Licinius Valerianus zur Hilfe. Es kam nicht zum Kampf, da Gallus schon vorher von seinen Soldaten ermordet wurde. Aemilianus hatte wenig Zeit, sich an seiner Kaiserwürde zu freuen. Seine Soldaten nahmen sich ein Beispiel an dem Schicksal von Gallus, ermordeten den Kurzzeit-Kaiser und liefen zu Valerian über. Du ahnst, warum dieses Kapitel mit dem Begriff »Reichskrise« überschrieben ist.
Valerian
Wenn wir rein auf die Zeiten der Herrschaften schauen, könnten wir versucht sein, die folgenden 15 Jahre als eine Phase der Beruhigung zu betrachten. Valerian herrschte von 253 bis 260, sein Sohn Publius Licinius Egnatius Gallienus (um 218 bis 268, reg. 253 bis 268) zunächst ab 253 gemeinsam mit ihm, dann ab 260 alleine bis 268. Wir könnten also für eine relativ lange Zeit von einer kontinuierlichen Herrschaft ausgehen, da die schnellen Wechsel und Ermordungen von Kaisern ein Ende hatten. Ganz so einfach war es nicht.
Valerian und Gallienus taten als erste etwas, was einige Jahrzehnte später zum vorherrschenden Modell der Reichsherrschaft werden sollte: Sie teilten das Reich auf. Gallienus übernahm den Westen mit der Sicherung der Reichsgrenze an Rhein und oberer Donau, Valerian den Osten. Dort war einiges zu tun. Die Goten gaben an der unteren Donau keine Ruhe, und die Perser waren ja schon zur Regierungszeit Gallus‘ nach Westen marschiert. Um hinreichend Schlagkraft zu gewinnen, holte sich Valerian Legionen aus Raetien von der oberen Donau, was wiederum die Germanen auf der anderen Seite des Limes verlockte, ihrerseits auf Plünderungszug zu gehen.
Immerhin sieben Jahre lang gelang es Valerian, das Reich vor größerem Schaden zu bewahren. Im Frühsommer 260 war es dann aber vorbei. In der Schlacht von Edessa, heute Şanlıurfa nahe der türkisch-syrischen Grenze, in dessen Nähe wir auch das prähistorische Göbekli Tepe finden, wurde die römische Armee mit etwa 70.000 Soldaten vernichtet. Valerian wurde gefangen genommen. Ein Kaiser in der Gewalt des Feindes, das war neu. Ein Menetekel für die Geschichte des Römischen Reiches? Gallienus folgte ihm als Alleinherrscher nach. Er tat wohl wenig, um seinen Vater aus der Gefangenschaft zu befreien, es mag aber auch sein, dass Valerian bereits kurz nach der Niederlage getötet wurde. Wir haben bei den Sassaniden ja bereits davon gehört.
Das nächste Mal sehen wir dann, wie es Rom gelang, wieder ganz auf die Füße zu kommen.