Das Ende der Tetrarchie
Wir haben das letzte Mal den ersten Rücktritt eines Kaisers erlebt. Mit Diocletian und Maximian sogar von zwei Kaisern. Das System der Tetrarchie schien sich zu bewähren. Constantius und Galerius folgten ihnen als augusti. Auf den Juniorposten als caesar rückten Severus und Maximinus Daza.
Constantius starb nach einem erfolgreichen Feldzug gegen die Pikten in Britannien bereits 306, worauf Maximian erst seinen Sohn Marcus Aurelius Valerius Maxentius (um 278 bis 312) zum Kaiser mit seinem alten Herrschaftsgebiet Italien, Nordafrika und Spanien ausrufen ließ, um sich dann selbst 307 wieder als Augustus zu etablieren. Galerius, der verbliebene Augustus erkannte jedoch Maxentius nicht als Kaiser an, sondern ließ Severus, so, wie es eigentlich vorgesehen war, vom Junior zum Senior aufrücken. Als Caesar folgte ihm Konstantin, der Sohn von Constantius. Mit Konstantin werden wir uns das nächste Mal noch etwas ausführlicher beschäftigen. Daher streifen wir das folgende Geschehen nur auf die Schnelle.
Man war also wieder in einem fröhlichen Postengerangel. Die Idee des Diocletian einer gemeinsamen Führung zum Wohl des Reiches, wie wir sie in der berühmten Porphyrgruppe am Dom in Venedig versinnbildlicht sehen, funktionierte augenscheinlich doch nicht. 308 fanden sich die Kaiser in Carnuntum im heutigen Niederösterreich zu einer Konferenz zusammen, an der auch Diocletian als elder statesman teilnahm. Severus war zu dieser Zeit schon tot. Er war 307 auf Veranlassung von Maxentius ermordet worden, nachdem es ihm im Vorwege nicht gelungen war, diesen und Maximian zu schlagen. In Carnuntum wurde Galerius als Augustus bestätigt. Neben ihn trat allerdings nicht der Gegenkaiser Maxentius und auch nicht der caesar Konstantin, sondern Licinianus Licinius (um 265 bis 325, reg. 308 bis 324), ein Adoptivsohn Diocletians und erfolgreicher Feldherr. Als filii augustorum, also «Kaisersöhne« wurden Konstantin und Maximinus Daza bestätigt. Das System der Tetrarchie war erst einmal stabilisiert, allerdings nicht strukturell auf die Zukunft ausgerichtet.
311 starb dann Galerius. Auf der Bühne standen jetzt noch die drei anderen Kaiser sowie Maxentius, der immerhin die Stadt Rom beherrschte und faktisch auch als Kaiser agierte. Sein Vater Maximian hatte bereits 310 in Gallien Selbstmord begangen, nachdem es ihm nicht gelungen war, sich in einem Komplott gegen Konstantin erneut als Kaiser zu etablieren. Konstantin, sein Schwiegersohn, dagegen hielt und setzte sich auch durch. Zuerst verbündeten sich nun Licinius und Konstantin gegen Maxentius und Maximinus Daza. 312 besiegte Konstantin Maxentius in der berühmten Schlacht an der Milvischen Brücke, wo er seinen Sieg dem Wirken des christlichen Gottes zuschrieb. Zur Mittagszeit sei ein Kreuz aus Licht über der Sonne mit den Worten in hoc signo vinces erschienen, »in diesem Zeichen wirst du siegen«. Im Traum hätte Jesus Christus in der Nacht dem Kaiser die Erscheinung gedeutet. Ein Traum mit Folgen, wie wir sehen werden. Auf jeden Fall war der Rivale in der Schlacht gestorben und Konstantins Ziel erreicht. 313 tat es ihm Licinius gleich, indem er Maximinus Daza schlug. Zehn Jahre später bekriegten sich dann die beiden, wobei Konstantin 324 als Sieger hervorging. Wir schauen ihn uns wie gesagt in der nächsten Bolgfolge noch ein wenig näher an. Diocletians Idee einer Doppel- oder sogar Viererherrschaft war damit Geschichte. Konstantin war Alleinherrscher.
In manchen Übersichten taucht Diocletian als einer der schlechtesten Kaiser des römischen Imperiums auf. Das haben wir nicht so begriffen. Die Begründung für diese überraschende Sicht liegt zu einem großen Teil in seiner Religionspolitik begründet, die durch eine massive Verfolgung der Christen gekennzeichnet war. Diesen Aspekt haben wir bisher weitestgehend ausgeblendet, wollen aber an dieser Stelle einmal synoptisch schauen, wie es den Anhängern Jesu unter den unterschiedlichen Kaisern im Römischen Reich so erging. Die Wende unter Konstantin haben wir ja bereits aufblitzen lassen, insofern passt an dieser Stelle ein solcher Einschub vielleicht ganz gut.
Götter werden eingeladen
Grundsätzlich waren die Römer in Religionsdingen ziemlich tolerant. Über eine invocatio, eine Einladung, wurde es auch Göttern aus anderen Kulturen ermöglicht, ihren Sitz in Rom zu nehmen. Man gestaltet deren neue Heimat durch den Bau entsprechender Tempel auch gerne wohnlich. Isis aus Ägypten oder Mithras aus Persien sind Beispiele. Mit Elagabal haben wir ja sogar einen Priester eines anderen Kultes auf dem Kaiserthron gesehen. Schwierig wurde es nur dann, wenn Anhänger anderer Religionen die Verehrung der römischen Götter ablehnten. Der Kaiser war ja meist gleichzeitig Pontifex maximus, also höchster Priester und damit waren Religion und Staat eng verbunden. Die Kaiser waren damit qua Amt Mittler zwischen den Göttern und den Menschen, somit gewissermaßen Heilsbringer für den Staat. Auch ihnen wurden Opfer dargebracht. Weigerung, den römischen Kult insbesondere auch mit den vergöttlichten Kaisern zu akzeptieren und bei entsprechenden Riten auch mitzuwirken, gefährdete in den Augen der Römer den Frieden mit den Göttern und damit das Wohl des Staates.
Orthodoxe Elche
Zu Beginn wurden die Christen als eine Sekte des Judentums betrachtet und fielen somit unter die den Juden seit Julius Caesar grundsätzlich gewährte Religionsfreiheit. Diese durften ihren Gott anbeten, tolerierten aber ihrerseits auch die römische Staatsreligion. Auch unter den Christen gab es sicher solche toleranten, oder sollten wir eher sagen: pragmatischen Menschen. Allerdings scheint auch die Fraktion der dogmatischen Orthodoxen relativ stark gewesen zu sein. Zulauf bekamen Juden und Christen zunehmend durch Römer, die die dekadenten Lebensformen ihrer Glaubensgenossen als so abstoßend empfanden, dass sie zu einer »reineren« Lehre wechseln wollten. Wir haben die Geschichten von Kaisern wie Caligula, Commodus oder Elagabal ja allenfalls angedeutet, manches Abartige aus Höflichkeit verschwiegen. Es ist aber verständlich, dass sich Menschen davon weitestgehend abgrenzen wollten bis hin zum Wechsel der Religion. Und wie wir von F. W. Bernstein (1938 bis 2018) wissen: »Die schärfsten Kritiker der Elche waren früher selber welche«. Konvertiten stehen häufig an der Spitze der Bewegung, was die regelgerechte Ausführung der Vorschriften angeht. Je mehr sich das Christentum als eigenständige Religion etablierte, desto weniger galt für seine Anhänger der den Juden zugestandene Schutz. Zudem war Jesus, der als Sohn Gottes verehrt wurde, als Hochverräter hingerichtet worden, wie konnte man da seinen Anhängern trauen?
Nero ist die Ausnahme
Erste Christenverfolgungen gab es bereits im Jahr 49 unter Claudius, wobei diese sich gleichermaßen gegen Juden und Christen richteten. Dabei wird »nur« über Ausweisungen und Verbannungen berichtet. Unter Nero wurde im Jahr 64 Christen die Schuld am Brand Roms in die Schuhe geschoben, sie wurden verbrannt oder in Zirkusspielen getötet. Die Legende will wissen, dass auch Petrus und Paulus in diesem Zusammenhang gestorben sind: Petrus im Jahr 67 als Ausländer durch Kreuzigung, Paulus bereits 64 als römischer Bürger durch das Schwert. Im 1. Jahrhundert war neben Claudius und Nero nur noch Domitian ein Kaiser, der gegen die Christen vorging. Es handelte sich aber im Kern um eine Verfolgung von Juden in Folge des jüdischen Aufstands, den sein Vorgänger Titus im Jahr 70 ja niedergeschlagen hatte. Über größere, systematische Christenverfolgungen wird nicht berichtet. Mit der Ausnahme der Zeit nach dem Brand Roms unter Nero konnten die Christen also im 1. Jahrhundert halbwegs unbehelligt ihrer Religion nachgehen. Unter Trajan blieb dies weitestgehend so, er lehnte Verfolgungen und anonyme Denunziationen ab, lediglich direkte Anklagen seien zu verfolgen. Straftatbestand war die Verweigerung, den althergebrachten Göttern wie Jupiter und dem Kaiser zu huldigen.
Da wie gesagt viele Christen diese Sache eher pragmatisch handhabten, wuchs die Zahl der Anhänger im gesamten Reich sukzessive immer mehr an. Es war die Religion der kleinen Leute und Sklaven, für die christlichen Botschaften, beispielsweise vom Leben nach dem Tode, besonders attraktiv klangen. Dass arme Mitglieder der christlichen Kirche von dieser besonders unterstützt wurden, wird den Zulauf nicht gebremst haben. Zwischen 65 (Markus) und 100 (Johannes) entstanden auch die – griechisch geschriebenen – Evangelien. Sie förderten die Verbreitung der Lehre Jesu. Gleiches taten die Paulusbriefe (sieben sind zwischen 48 und 61 entstanden und vermutlich authentisch, sieben weitere, die zwischen 70 und 100 geschrieben wurden, stammen wohl von Schülern), der erste Petrusbrief oder die Offenbarung des Johannes.
Unter Septimius Severus wird es schwieriger
Im 2. Jahrhundert gab es immer wieder, eher auf einzelne Orte beschränkte, denn reichsweite Verfolgungen. Viele der überlieferten Märtyrergeschichten stammen aus späteren Zeiten und sind nicht zwingend historisch. Gleichwohl hat es solche Menschen gegeben, motiviert auch aus dem Widerstand der Vertreter des Staatskultes, die mit den wachsenden Gemeinden und der sich entwickelnden hierarchischen Struktur der christlichen Kirche zunehmend ein Problem hatten. Die Bischöfe als Vorsteher und Sprecher der Gemeinden bekamen in der Lokalpolitik mit deren wachsender Größe immer mehr Gewicht. Macht und Einfluss teilt niemand gerne und so gab es auf Seiten der Priesterschaft von Jupiter und Co. hinreichend Widerstand.
Schwierig wurde es unter Septimius Severus, der 202 die Todesstrafe auf Bekehrungen zum Juden- oder Christentum einführte. Die Religionen selbst wurden allerdings nicht verboten. Mit dieser Maßnahme wollte er den Zulauf insbesondere in den Grenzprovinzen in Syrien und Nordafrika stoppen, die er – geboren in Libyen – als seine Machtbasis ansah. Auf Grundlage dieses Edikts trauten sich nun viele Römer, Christen anzuzeigen, was in einer Reihe von Städten zu lokalen Verfolgungen führte. Der Effekt war natürlich nicht, dass die Christen von ihrer Religion abließen, eher war es eine Verhärtung der Positionen. Die Fundamentalisten wurden gestärkt und die, die mit der Staatsreligion eher pragmatisch umgingen, geschwächt. In den kommenden Jahren beruhigte sich die Situation aber wieder, da das Reich, wie wir gesehen haben, immer mehr in außenpolitische Schwierigkeiten geriet, die die Fokussierung aller Kräfte auf die Sicherung der Grenzen erzwang.
Höhepunkt unter Decius, Valerian…
Obwohl zur Mitte des 3. Jahrhunderts die Lage des Römischen Reiches immer schwieriger wurde, begann in dieser Zeit die erste systematische Verfolgung von Christen. Decius fing damit 249 an. Seine Idee war, dass es angesichts der existentiellen Bedrohung des Reiches wohl notwendig sei, die Götter durch diese Maßnahme gnädig zustimmen. Sie richtete sich nicht allein gegen Christen, sondern gegen alle Andersgläubigen. Ein Hintergedanke mag gewesen sein, dass damit implizit auch die Huldigung für den Kaiser, also für Decius selbst, verbunden war. Dies mag ihm vielleicht angesichts seiner Usurpation gegen Philippus Arabs insofern wichtig erschienen sein, da er so die Loyalität aller quasi erzwingen konnte.
Eine besondere Beachtung fanden die Christen während dieser Zwangsmaßnahme erst dadurch, dass viele sich – anders als die Anhänger anderer Religionsgemeinschaften – weigerten, dieser Anordnung Folge zu leisten. Die Größenordnung derer, die dies taten und daraufhin umgebracht wurden, ist unbekannt. Es ranken sich viele Märtyrergeschichten um diese Menschen, eine der Grundlagen der christlichen Heiligenverehrung späterer Jahre. Decius starb nach zwei Jahren, die Christenverfolgungen hatten da schon wieder ein wenig nachgelassen, waren aber nicht aus der Welt.
Im Jahr 257 war es dann Valerian, der die Verfolgungspolitik wieder aufnahm, diesmal gezielt auf die Christen gerichtet. Die Bischöfe wurden gefangen gesetzt und hingerichtet, in dem Versuch, die Kirche quasi insgesamt zu enthaupten. Aktion erzeugt Reaktion und die kam diesmal aus der Bevölkerung, die häufig Christen versteckte und sich mit ihnen solidarisierte. Zudem waren die Gemeinden durch die Verfolgung unter Decius auf solche Aktionen vorbereitet und die Christen konnten – zumindest in Teilen – sich in Verstecke, beispielsweise die Katakomben, in denen sie unterirdisch ihre Toten bestattet hatten, zurückziehen.
Unter Valerians Nachfolger Gallienus entspannte sich die Situation wieder, wir wissen, dass die Kaiser in dieser Zeit wahrlich andere Themen zu bewältigen hatte. Da standen die Christen nicht mehr auf der To-do-Liste.
…und Diocletian
Kritisch wurde es noch einmal zur Zeit der Tetrarchie. Diocletian ging mit großer Brutalität gegen Christen und Manichäer vor, Du erinnerst Dich, das waren die mit der harten Trennung zwischen Gut und Böse und dem heilsgeschichtlichen Versprechen einer lichtvollen, guten Zukunft. Was ihn genau dazu veranlasste, ist nicht so ganz klar. Im Zuge seiner Reichsreform hatte er auch die Rolle der Kaiser stark überhöht. So hatte er selbst den Zusatznamen Iovius, also »Nachkomme des Gottes Jupiter« angenommen und sehr stark die sakrale Würde des Kaisertums betont. Da waren natürlich Menschen, die dieser nicht die notwendige Achtung bezeugten, nicht zu tolerieren. Kirchen wurden zerstört, Gottesdienste verboten, Bücher verbrannt, Staatsbeamte mit christlichem Glauben ebenso verhaftet wie Bischöfe und Gemeindevorsteher. Wer dem Kaiser nicht opfern wollte, dem drohte die Todesstrafe. Die kirchliche Liste der heiligen Märtyrer aus dieser Zeit ist lang und umfasst mehr als 80 Männer und Frauen. Galerius machte in diesem Sinne weiter, sah die Vergeblichkeit seiner Bemühungen aber gegen Ende seiner Herrschaft ein und gewährte den Christen in seinem Toleranzedikt vom 30. April 311 zumindest Duldung. Nach seinem Tode wendete sich mit Konstantin das Blatt dann total.
Wir sehen, dass es punktuell immer wieder Phasen gegeben hat, in denen die Christen ein hartes Schicksal zu erdulden hatten. In der überwiegenden Zeit ging es ihnen jedoch relativ gut, eine dauerhafte, ununterbrochene Christenverfolgung hat es im Römischen Reich nicht gegeben. Das in der Erinnerung vieler ein anderes Bild vorherrscht, mag an der auf die Märtyrer konzentrierten Überlieferung der Kirche selbst liegen und an der von dem Nobelpreisträger Daniel Kahneman (1934 bis 2024) formulierten Höchststand-Ende-Regel. Danach beurteilen Menschen Erlebnisse meist nach der intensivsten Erfahrung und der, die sie am Ende gemacht haben. Die vielen Märtyrer aus der Zeit Diocletians, die zudem am Ende der Zeit der heidnischen Kaiser ihr Leben ließen, passen zumindest in dieses Bild. Wir wissen es jetzt ein wenig besser.
Das nächste Mal schauen wir dann, wie es mit dem christlichen Kaiser Konstantin weiterging, der eigentlich gar kein Christ war.