Konstantin wird Juniorchef
Flavius Valerius Constantinus wurde an einem 27. Februar geboren. Den Tag kennen wir, über das Jahr ist man sich nicht sicher. Irgendwann zwischen 270 und 288 soll es gewesen sein, viele Forscher favorisieren das Jahr 272. 306 wurde er als Nachfolger seines Vaters zum Kaiser ausgerufen, was eigentlich dem Grundgedanken der Tetrarchie widersprach, da die Wahl auf dem dynastischen Prinzip fußte und nicht auf erwiesener – vorwiegend militärischer – Führungskompetenz. Konstantin würde hier sicherlich einwerfen, dass er auf dem Britannienfeldzug seines Vaters diese Kompetenz durchaus gezeigt habe, da ihn sonst die Legionäre wohl kaum zum Kaiser ausgerufen hätten. Auch wenn diese Nachfolge also eigentlich so gar nicht geplant war, konnte sich Konstantin in der Rolle behaupten. Die Legionen in Gallien und Britannien standen hinter ihm und mit diesem Pfund konnte er wuchern. Galerius, der ranghöchste unter den Kaisern, ernannte schließlich Flavius Severus zum Augustus und Konstantin zum Caesar. Der war mit dem Juniorpart fürs Erste zufrieden.
Tod, Scheidung, Ehe, Kinder
Severus hatte kein Glück. Er sollte die Usurpation von Maxentius, der von seinem Vater und Altkaiser Maximian unterstützt wurde, beenden. Das klappte nicht. Er wurde geschlagen, gefangen genommen und später hingerichtet. Maximian schloss daraufhin ein Bündnis mit Konstantin, der sich konsequenterweise auch gleich von seiner Frau Minervina (um 300), Mutter seines Sohnes Gaius Flavius Julius Valerius Crispus (etwa 305 bis 326), trennte und Maximians Tochter Fausta (zwischen 289 und 298 bis 326) heiratete. Auch wenn es im Nachhinein Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verbindung mit Minervina gab, ist man sich doch einig, dass es sich um eine ganz normale, legitime Ehe gehandelt hat. Selbst Edward Gibbon (1737 bis 1794), dessen Werk "The History of the Decline and Fall of the Roman Empire" die Geschichtsschreibung des Römischen Reiches seit der Aufklärung maßgeblich beeinflusst hat, bezeichnet Minervina als ein "obskures, aber rechtmäßiges Objekt der jugendlichen Anhänglichkeit Konstantins". Wer wollte da widersprechen?
Aus der Ehe mit Fausta entsprangen mit
- Flavius Claudius Constantinus, bekannt als Konstantin II. (316 bis 340, reg. 337 bis 340),
- Flavius Julius Constantius, bekannt als Constantius II. (317 bis 361, reg. 337 bis 361) und
- Flavius Julius Constans (zwischen 320 und 323 bis 350, reg. 337 bis 350)
drei Söhne, alle spätere Nachfolger von Konstantin, sowie zwei Töchter,
- Constantia (um 320 bis 354) und
- Flavia Helena (vor 326 bis 360).
Was bei Letzterer namenstechnisch schiefgelaufen ist? Vielleicht war eine gleichnamige vergessene vermögende Großtante zweiten Grades aufgetaucht, die man sich gewogen halten wollte. Wir wissen so wenig.
Diocletian rettet sein Vermächtnis…
Wenn Du jetzt glaubst, es läuft auf ein Doppelkaisertum von Maxentius und Konstantin hinaus, machst Du es Dir zu einfach. Maxentius war ja von Galerius nie anerkannt worden und hatte sich mittlerweile auch mit seinem Vater Maximian zerstritten, der ja auch noch gerne ein wenig Kaiser sein wollte. Um die Dinge zu klären, kam es, wie wir wissen, 308 in Carnuntum zur Kaiserkonferenz, auf der Diocletian sein Vermächtnis hinsichtlich der Staatsordnung noch einmal retten konnte. Maximian verzichtete dabei wie 305 erneut auf seine Thronansprüche. Neben Galerius wurde Licinius zum augustus erkoren. Maximinus Daza blieb caesar im Osten, Konstantin für den Westen.
…Konstantin macht es zunichte
Das war alles allerdings nicht mehr als ein Formelkompromiss, da sowohl Maximinus Daza als auch Konstantin mit einer Position im zweiten Rang im Grunde nicht mehr einverstanden waren. Dies umso mehr, als Licinius ohne den Zwischenschritt als caesar gleich augustus geworden war, sie also quasi rangtechnisch überholt hatte. Wir wissen schon, wie es weiterging: Konstantin konnte erst seinen Schwager Maxentius besiegen, dann setzte sich Licinius gegen Maximinus Daza durch und schließlich schlug Konstantin Licinius.
Ganz so schnell ging es natürlich nicht. Im Jahr 316 wurde eine Verschwörung gegen Konstantin aufgedeckt. Einer der Verschwörer suchte bei Licinius Schutz, der sich wiederum weigerte, ihn an Konstantin auszuliefern. Es gebrauchte nun rasch eine Klärung, wer von beiden das Sagen hatte. In Illyrien kam es bei Cibalae, in der Nähe des heute in Kroatien liegenden Vinkovci, zum ersten Aufeinandertreffen. Licinius unterlag, obwohl er mit seinen 35.000 Mann eine fast doppelt so große Streitmacht in die Schlacht schickte. Erst einmal hieß dies nur, dass die Balkan-Halbinsel nun zu Konstantins Einflussbereich gehörte, der Osten unter Licinius war ein wenig kleiner geworden. Die eigentliche Machtfrage zwischen beiden blieb aber offen.
317 wurden die zwei Söhne von Konstantin und Fausta und der einzige Sohn Licinius‘ zu Caesaren ernannt. Das bedeutete aber keineswegs eine Rückkehr zum Kollegialprinzip der Tetrarchie. Vermeintliche Christenverfolgungen im Herrschaftsbereich von Licinius sowie Angriffe der Goten dort nahm Konstantin 324 zum Anlass, anzugreifen. Drei Schlachten, zwei zu Land – im Frühsommer bei Adrianopel in Thrakien und im September bei Chrysopolis, dem heutigen Stadtteil Üsküdar von Istanbul – und dazwischen eine zur See im Hellespont, die Crispus, Konstantins Sohn aus erster Ehe, gewann, brachten die Entscheidung. Konstantin versprach zwar, das Leben von Licinius zu schonen, 325 befahl er dennoch dessen Hinrichtung. Es wird keine Teilamnesie gewesen sein, sondern schlichtes Machtkalkül, die ihn dazu bewegte. Selbst dem eigenen Sohn Crispus erging es ein Jahr später nicht besser. Konstantin ließ ihn ebenso wie seine eigene Frau Fausta hinrichten. Was hierfür der Anlass war und ob beide Fälle miteinander in Verbindung stehen, ist unklar. Wir wollen nicht spekulieren, notieren aber, dass Konstantin in dem, was er tat, von brutaler Konsequenz war und im wahrsten Wortsinn keine Verwandten kannte. Die christlichen Werte hatte er wohl noch nicht so wirklich verinnerlicht.
Entscheidungen
Prägend für die Regierungszeit Konstantins waren fünf Elemente.
- Er verlegte die Hauptresidenz in den Osten und gründete in der am Bosporus strategisch gut gelegenen alten griechischen Kolonie Byzantion, benannt nach Byzas, einem thrakischen König aus der Mythologie, die neue Hauptstadt Konstantinopel. Rom war ja schon zu Zeiten Diocletians kein Regierungssitz mehr, so war dieser Schritt vielleicht nicht so dramatisch, wie es uns heute scheint. Der Osten war für die Wirtschaftskraft des Reiches von entscheidender Bedeutung und die latente Bedrohung der Sassaniden eine stete Gefahr.
- Er setzte die von Diocletian begonnenen Reformen von Militär und Verwaltung fort und sorgte so für mehr Effizienz durch straffere, zentralistischere Strukturen und ein durch kleinere Einheiten und Stärkung der berittenen Verbände flexibler einsetzbares Heer. Neu geschaffen wurde das Amt des magister militum, des Heermeisters. Unter den Nachfolgern Konstantins bekamen die Heermeister als Oberbefehlshaber eine regionale Zuständigkeit (beispielsweise für Gallien, Illyrien oder Italien und Afrika). Diese Rolle müssen wir uns merken, wir werden noch einige Amtsträger kennenlernen.
- Es gelang, die über viele Jahrzehnte, eigentlich Jahrhunderte kritische Rhein- und Donaugrenze zu stabilisieren, auch wenn es immer wieder kleinere Auseinandersetzungen gab, so 328 in Gallien mit den Alamannen, 332 an der Donau mit den Goten und 334 mit den Sarmaten.
- Auch mit den Persern blieb nicht alles friedlich, insbesondere als Schapur II. (309 bis 379, reg. 309 bis 379) im Jahr 336 nach Armenien einfiel und den dortigen christlichen König Chosroe II. (gest. 338/339, reg. 330 bis 338/339) vertrieb. Konstantin war ja so etwas wie ein Schutzherr der Christen, konnte sich aber auch aus machtpolitischen Gründen die Aktion der Sassaniden nicht gefallen lassen. im Jahr 337 sollte es zu dem Gegenschlag kommen. Doch Konstantin verstarb vorher an Pfingsten 337. Auf dem Totenbett ließ er sich noch taufen, wurde aber trotzdem wie viele Kaiser vor und auch noch nach ihm nach seinem Tode vergöttlicht.
- Der Aufstieg des Christentums war sicherlich sein am nachhaltigsten nachwirkendes Vermächtnis.
Konstantin, ein Christ?
Bevor wir sehen, wie es weiterging, blicken wir also noch kurz auf die Religionspolitik Konstantins. Wie viele Menschen in dieser Zeit hing er dem Trend an, aus dem reich bevölkerten Pantheon eine höchste Gottheit zu erwählen (Henotheismus). Meist, so auch bei Konstantin, war dies der unbesiegte Sonnengott (sol invictus). Der gedankliche Schritt zum monotheistischen Christentum war von dieser Position nicht mehr ganz so weit. So wird es auch bei vielen der vielleicht zehn Prozent der Bevölkerung des Römischen Reiches gewesen sein, die sich als Christen bezeichneten und in der Mehrzahl anscheinend nicht so die großen Probleme hatten, den Absolutheitsanspruch des christlichen Gottes mit der heidnischen Götterwelt inklusive vergöttlichter Kaiser in Einklang zu bringen.
Konstantin nutzte die Nähe zur christlichen Kirche auch politisch. Die hierarchische Struktur der Kirche half ihm, seinen alleinigen Machtanspruch zu untermauern, der ja das zu Beginn ja durchaus erfolgreiche Tetrarchie-Konzept Diocletians aushebelte. Was Gott im Himmel war der Kaiser auf der Erde. Damit überführte er die auch von Diocletian sehr betonte sakrale Komponente des Kaisertums vom Heiden- auf das Christentum und schuf einen Grundstein für den Gedanken des Gottesgnadentums, der bis in das 20. Jahrhundert hineingewirkt hat. Der deutsche Kaiser Wilhelm II. (1859 bis 1941, reg. 1888 bis 1918) oder der russische Zar Nikolaus II. (1868 bis 1918, reg. 1894 bis 1917) können hier als abschreckende Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit dienen, dass die Überzeugung von der eigenen Auserwähltheit schwierig sein kann. Wir wollen hier aber nicht Konstantin die Schuld für abwegige Gedanken neuzeitlicher Herrscher geben.
Seine auch gegenüber der Kirche herausgehobene Position brachte Konstantin in die Rolle, in kirchendogmatische Auseinandersetzungen eingreifen zu müssen. So war beispielsweise zu klären, wie mit denen umzugehen sei, die während der Christenverfolgungen unter Diocletian nicht standhaft geblieben waren und beispielsweise Kultgegenstände oder Bücher an die Verfolger ausgeliefert hatten, wohl wissend, dass diese dann verbrannt werden würden. Aber lieber die Bücher, als wir selber, war ein Standpunkt, dessen Logik auch wir uns nicht ganz verschließen können. Dieser Streit eskalierte am meisten in Nordafrika. Konstantin griff dort zu Gunsten dieser Traditoren ein, die von den sogenannten Donatisten, benannt nach Donatus von Casae Nigrae (vor 313 bis um 355), einem im Gesamtgemenge eher unbedeutenden Vertreter dieser theologischen Richtung, als Verräter an der Kirche angesehen wurden. Ganz beilegen konnte er den Konflikt allerdings nicht. Donatisten hielten sich bis zum Beginn des 6. Jahrhunderts insbesondere in Nordafrika.
Noch wirkungsmächtiger war der sogenannte arianische Streit. Arius (um 255 bis vermutlich 336), ein Gemeindevorsteher (Presbyter) aus Alexandria interpretierte das wahre Wesen von Jesus Christus dahingehend, dass er nicht wesensgleich zu Gott-Vater sein könne, da es ja vor Christi Geburt auch einen Gott gegeben habe. Er sah eher eine himmlische Hierarchie mit Gottvater an der Spitze, dem Jesus als Gottes Sohn "wesensähnlich", aber eben nicht von gleichem Wesen quasi nachgeordnet war. Der Heilige Geist stand in dieser Rangfolge an dritter Stelle. Dieser Streit breitete sich über die gesamte Kirche aus und wurde zunehmend erbittert geführt. Wir können hier nicht in die Tiefen der Argumentationslinien abtauchen. Inwieweit Konstantin dies tat, ist unsicher. Sicher ist, dass er von diesen Diskussionen wenig angetan gewesen sein wird. Aus seinem Rollenverständnis als Schutzpatron der Kirche beanspruchte er für sich allerdings die Rolle als Schiedsrichter und Entscheider. Folglich organisierte er im Mai 325 das erste Konzil von Nicäa, dem heutigen Iznik, 130 Kilometer südöstlich von Istanbul. Auf dem Konzil wurde ein Kompromiss geschlossen, der - wie meist bei dogmatischen Diskussionen - nicht hielt. Man entschied gegen die Lehre von Arius, formulierte dies aber relativ schwammig. So wurde Arius zwar verbannt, jedoch 327/28 wieder rehabilitiert, vielleicht 333 dann erneut verurteilt. Konstantin legte sich nicht fest, tendierte aber gegen Ende zur Seite der Arianer. Der Wortführer der Gegner, Athanasius (um 297 bis 373), wie Arius aus Alexandria stammend, wurde 335 ebenfalls verbannt. Nach dem Tod von Arius 336 und Konstantin 337 schwelte der Streit weiter. Erst Ende des 4. Jahrhunderts unterlagen die Arianer endgültig. Gegenüber den heidnischen Religionen blieb Konstantin tolerant.
Das nächste Mal schauen wir dann, was seine Söhne und Nachfolger aus dem Erbe Konstantins machten.