In der letzten Folge haben wir die ersten Überfälle der Hunnen auf das Gebiet des Römischen Reiches erlebt. Zunächst hatten sich die Steppenkrieger zwar wieder zurückgezogen, aber damit war das Problem nicht aus der Welt. Weitere Überfälle folgten, auch wenn diese erst einmal erfolgreich abgewehrt werden konnten.
Ein Kammerherr besiegt die Hunnen, ein Heermeister unterliegt
So gelang es Eutropios (gest. 399), dem wichtigsten Berater von Arcadius, im Jahr 397 einen hunnischen Angriff im Osten zurückzuschlagen – ein bedeutender Erfolg für einen Eunuchen und Kammerherrn, selbst wenn er als praepositus sacri cubiculi, also als "Vorsteher der heiligen Kammer", schon an der Spitze dieser Hierarchie angekommen war. Sein Stern ging dann aber auch schnell unter. Arcadius musste sich 399 eines Aufstands des Greutungen Tribigild (fl. 399) erwehren. Der Gote Gainas (gest. 400), General und Heermeister, wollte diesen nur bekämpfen, wenn Eutropius entmachtet würde. Da auch Stilicho seine Hilfe von dieser Bedingung abhängig machte, musste Arcadius einlenken. Jeder wollte ein möglichst großes Stück vom Kuchen der Macht und Arcadius schien den größten Kuchen zu haben. Eutropius wurde seiner Ämter enthoben und bald darauf sogar hingerichtet. Gainas konnte dann zwar Tribigild schlagen, unterlag aber im darauffolgenden Jahr einem Herrn Uldin (gest. um 409). Dieser hatte zuvor in römischen Diensten gestanden und war nun der führende Kopf der Hunnen, die das Reich bedrohten.
Zugehörigkeiten und Grenzlinien sind mitunter sehr ambivalent. An diesen beiden Aktionen – 395/397 die Angriffe im Kaukasus und im Jahr 400 die Niederlage Gainas‘ an der Donau – können wir das Vordringen der Hunnen nach Westen ablesen. Lag 395 die Hauptkraft noch weit östlich, konnten sie fünf Jahre später bedeutende Erfolge westlich des Schwarzen Meeres erzielen. Wir haben schon erläutert, dass es kein hierarchisch organisiertes Hunnenreich gab, dass Uldin also nicht zwingend die gebündelten hunnischen Truppen anführte. Immerhin war er stark genug, es mit Ostrom erfolgreich aufzunehmen.
Die Hunnen als römische Ordnungsmacht?
401 kam es zu einem ersten Vertrag zwischen Römern und Hunnen. Ob der Kopf des Gainas, den Uldin zu einer von freundlicher Zugewandtheit geprägten Kommunikationsaufnahme nach Konstantinopel schickte, hierfür hilfreich war, wissen wir nicht. Zumindest war die Aktion erfolgreich. Arcadius wollte nördlich der Donau Ruhe haben und erhoffte sich die Hunnen als Ordnungsmacht. Dies funktionierte nur so halbgut. Uldin konnte oder wollte den Einfall des Radagaisus (gest. 406), seines Zeichens gotischer Heerführer, nach Italien im Jahr 405 nicht verhindern. Immerhin half er danach dem weströmischen Heermeister Stilicho, Radagaisus und seine Truppen in der Schlacht bei Faesulae nahe Florenz zu schlagen.
Uldin verschwindet
Mehr Freude als an solchen Abwehrkämpfen hatte Uldin an eigenen Raubzügen. Er nutzte seine Macht, um 405/406 plündernd in Thrakien einzufallen, erneut dann 408. Die zunehmende Ausbreitung der Hunnen führte in Folge zu einem Verdrängungskampf der germanischen Völker. Die berühmte Rheinüberquerung der Vandalen, Alanen und Sueben am Jahreswechsel 406/407, der Beginn einer Wanderung, die erst in Spanien und Nordafrika enden sollte, war ein Glied in dieser Kette. Ordnungsmacht im römischen Interesse klingt irgendwie anders. Verhandlungen nach den Plünderungen 408 scheiterten, worauf die Römer eine altbewährte Taktik einsetzten: Geld. Sie bestachen die Unterführer Uldins, welchselber sich plötzlich einer gewaltigen römisch-hunnischen Streitmacht gegenübersah und fliehen musste. Wir haben nie wieder von ihm gehört.
Theodosius baut eine Mauer
Die Hunnen lebten wie beschrieben nicht in einem stark zentralisierten Staatswesen. So war die Niederlage Uldins zwar eine persönliche, gefährdete die Stellung der Hunnen im mittleren und unteren Donauraum jedoch keineswegs. Die Macht lag in den Händen starker Führer, die sich auf ihre persönliche Ausstrahlung und ihre Gefolgsleute verließen, die dabei jedoch nicht durch zivile Verwaltungsstrukturen gestützt wurden. Wir hören von Herrschern wie Donatus (gest. 412/413), der von den Römern ermordet wurde oder von Charaton (gest. um 420), der hie und da die oströmische Provinz Moesien, westlich des Schwarzen Meeres gelegen, plünderte. Theodosius II. (401 bis 450, reg. 408 bis 450) und sein Präfekt Flavius Anthemius (gest. um 415) nahmen ihn zumindest so ernst, dass sie eine weitere knapp 20 Kilometer lange Stadtmauer errichten ließen – vielleicht auch in Fortfolge von Plänen, die bereits Arcadius gehabt hatte. Wir kennen sie als die Theodosianische Mauer, von der sich heute noch immerhin 5,7 Kilometer erhalten haben – in den folgenden Jahrhunderten ein zentraler Garant für das Überleben der Stadt und damit des Reiches.
Hunnen und Perser: Viele Feinde, viele Probleme
Der erste, dem wir eine einheitliche Führung über alle hunnischen Verbände zubilligen können, war Ruga (um 365 bis 434/435, reg. etwa 425 bis 434/435), der auch als Rua oder Rugila in den Geschichtsbüchern auftaucht. 422 nutzte er das klassische römische Dilemma der Reichsgröße und der damit verbundenen langen Grenzen und verwüstete Thrakien. Die dort eigentlich stationierten Truppen wurden nämlich mal wieder im Osten an der persischen Grenze benötigt. Die durch die Reichsteilung vielleicht gewollte stärkere regionale Konzentration der Truppen funktionierte weiterhin nicht, dafür war das oströmische Herrschaftsgebiet immer noch zu groß.
Waffenstillstandsvereinbarungen mit den Persern ermöglichten es dann, Verbände zurück nach Europa zu verlegen und das bedrohte Konstantinopel zu schützen. Die Verhandlungen mit den Hunnen hatten allerdings auch das Ergebnis, dass die Römer künftig jährlich 350 Pfund Gold zu zahlen hatten. Die Zahl musst Du Dir nicht merken, sie hatte nicht lange Bestand.
Ein König platzt
Ruga herrschte zu dieser Zeit noch gemeinsam mit seinem Bruder Oktar (gest. 430, reg. etwa 425 bis 430). Da dieser den Vertrag mit Konstantinopel nicht verhandelt hatte, sah er von diesen Tributzahlungen allerdings auch nichts. Verwandtschaft eben. Oktar starb 430. Der Legende nach habe er sich bei einem Festmahl überfressen und sei geplatzt. Wir wollen bei der nächsten Familienfeier daran denken und den dritten Nachschlag ablehnen.
Ruga macht Kohle
Auch die Unterstützung für den zu dieser Zeit amtierenden weströmischen Heermeister Aëtius in den Auseinandersetzungen mit seinen Rivalen Johannes (gest. 425, reg. 423 bis 425) und Bonifatius (vor 413 bis 432) Mitte der 420er Jahre ließ Ruga sich gut bezahlen. Nach wie vor ging es den Hunnen vornehmlich um Beute und nicht um den Aufbau eines Reiches. Sie ließen sich mit Gold entlohnen. Landzuweisungen, wie sie die Westgoten erstrebten, waren für sie nahezu wertlos. Auch Ruga herrschte keineswegs über alle Hunnen. Immerhin vermochte er es aber, eine Vielzahl der Verbände unter seiner Führung zu einen und wurde so zu einem der entscheidenden Machtfaktoren in den innerrömischen Kämpfen: Nur dank der Unterstützung hunnischer Truppen gelang es Aëtius 433, sich an der Spitze des weströmischen Staates durchzusetzen.
Auch nach innen zeigte Rugas Schaffen Wirkung. Mit Bleda (um 400 bis 445, reg. 434/435 bis 445) und Attila (gest. 453, reg. 434/435 bis 453) folgten ihm zwei seiner Neffen, ohne dass es zu einer erneuten Aufsplitterung der Machtstrukturen kam – es lässt sich vermuten, dass Ruga für eine gewisse Dezimierung der potentiellen Anwärter gesorgt haben könnte. Ruga wurde 434 oder 435 durch einen Blitzschlag plötzlich aus dem Leben gerissen. Wie häufig sind wir bei den Jahreszahlen nicht so ganz sicher.
Die Preise steigen
Ähnlich wie Ruga sich die Herrschaft mit seinem Bruder Oktar vor dessen Zerplatzen geteilt hatte, herrschte Attila zunächst mit seinem Bruder Bleda. Wir können hier allerdings nicht von einem Doppelkönigtum nach römischen Vorbild ausgehen, wo zwei Herrscher über ein gemeinsames Staatswesen herrschten. Eine hunnische Staatsbildung hatte ja nie wirklich stattgefunden, so dass es wohl eher so war, dass die jeweiligen Anführer über ihre eigenen Truppen herrschten und für deren Erfolg auch eigenständig die Verantwortung trugen. Diese Herrschaft war insbesondere dann gesichert, wenn es gelang, die eigenen Krieger hinreichend mit Beute, Gut und Geld zu versorgen.
Für Attila und Bleda war es daher zu Beginn ihrer Herrschaft entscheidend, dass sie mit Ostrom bereits zu Beginn ihrer Herrschaft den Vertrag von Margus, einem Ort nahe der Donau etwa 75 Kilometer östlich von Belgrad, schließen konnten. Sie bekamen künftig statt der von Ruga verhandelte 350 Pfund Gold die doppelte Menge. Zudem lieferte Konstantinopel hunnische Flüchtlinge aus, sicherte den Hunnen Zugang zu Handelsplätzen und verpflichtete sich einseitig dazu, keine gegen die Attila und Bleda gerichteten Verträge mit Dritten zu schließen.
Die Nutzung der römischen Märkte war für die Hunnen ebenso wichtig wie das Geld der Tributzahlungen. Als Reiternomaden trieben sie keine Landwirtschaft, mussten also die entsprechenden Lebensmittel erbeuten oder zukaufen. Beutezüge fanden immer wieder statt, mittlerweile waren sie aber in der pannonischen Tiefebene angelangt, das stete Weiterziehen nach Westen war schwieriger geworden. Die Gebiete waren mittlerweile dichter besiedelt und insofern war die Gegenwehr massiver. Der Blick wandte sich jetzt immer wieder in Richtung Süden, wo lukrativere Beute lockte. Auch Attila und Bleda zogen bald nach dem Vertrag von Margus wieder plündernd gen Thrakien.
Einen anderen Passus in dem Vertrag von Margus sollten wir ebenfalls nicht überlesen. Die Forderung nach Rückführung hunnischer Flüchtlinge zeigt uns zum einen, dass es Gruppierungen gab, die mit den neuen Herrschern nicht einverstanden waren und ihr Glück woanders suchen wollten. Wir finden ja immer auch hunnische Kontingente in den römischen Truppen, nicht allein bei Aëtius. Vermutlich wichtiger für Attila und Bleda waren im Zweifel geflohene Adelige, die als potentielle Konkurrenten um die Gesamtherrschaft hätten auftreten können. So wurden Mama (gest. um 435) und Atakam (gest. um 435), Angehörige der Herrscherfamilie, sofort nach ihrer Rückführung noch an der Grenze gekreuzigt.
Ostrom unter Druck
Bei dem Blick nach Süden konnte man an Konstantinopel nicht vorbeischauen. Ab etwa 440 fühlten sich Attila und Bleda nach innen so sicher, dass sie nicht mehr nur blicken wollten. 441 oder 442 machten sie sich also auf, überschritten die Donau und eroberten in Illyrien und Thrakien eine Reihe römischer Orte wie Belgrad (Singidunum) oder Niš (Naissus), die entlang einer wichtigen Versorgungsstrecke lagen. Die römischen Legionen waren zu dieser Zeit größtenteils in Sizilien, um sich auf den Feldzug gegen die mittlerweile nach Nordafrika gelangten Vandalen vorzubereiten. Auch die persische Grenze wollte weiterhin gesichert sein.
Ende 442 waren die Legionen aus Sizilien zurückgerufen und der hunnische Raubzug wieder vorbei. Man vermutet ein neues Abkommen mit Konstantinopel – sicherlich nicht zu schlechteren Bedingungen für Attila und Bleda. Die Tributzahlungen an die Hunnen waren zwar eine hohe Belastung für den oströmischen Staat. Die Steuereinnahmen aus den von Hunnen, Goten, Vandalen und anderen besetzten Gebieten fielen aus, es wird von Senatoren berichtet, die Hab und Gut, Möbel und Schmuck verkaufen mussten und sich zu Tode hungerten. Auch wenn dies mit absoluter Sicherheit Propagandageschichten sind – fake news sind keine moderne Erfindung –, weisen sie uns aber dennoch ein wenig die Stimmungslage, die in der römischen Führungsschicht herrschte. Insgesamt verfügte das Oströmische Reich aber immer noch über hinreichend Einnahmequellen. Das reiche Ägypten lieferte weiterhin zuverlässig Steuern und Ressourcen. Auf der anderen Seite wurden diverse prächtige Fürstengräber und Münzhorte hunnischen Ursprungs gefunden, das Gold kam also an.
Eine Atempause…
444 entschied Theodosius II., die Zahlungen einzustellen. Dies mag seinen Grund in dem zusehenden Ansehensverlust des Kaisers in Konstantinopel haben, der zusehends gefühlt alle Schätze des Reiches den Barbaren in den Rachen warf. Zudem stiegen die Spannungen zwischen den Hunnen und Westrom, so dass man darauf hoffte, ein wenig aus der Schusslinie zu kommen. Kurzfristig schien dies zu funktionieren, letztlich musste Theodosius aber doch wieder ins Portemonnaie greifen.
Attila töte zu dieser Zeit, wohl Anfang 445, seinen Bruder Bleda. Das brachte ihm zwar die Alleinherrschaft, allerdings bekam er sie nicht auf dem Silbertablett. Bledas Gefolgsleute waren zunächst not amused. Mit Drohungen, Geld und guten Worten – wahrscheinlich genau in dieser Reihenfolge – konnte er sie jedoch überzeugen. Diese innerhunnischen Klärungen gaben beiden römischen Reichen ein wenig Zeit, zu verschnaufen.
…mit bitterem Ende
447 war die Ruhepause zu Ende. Hatte man vorher vermutet, dass die Zwistigkeiten zwischen Attila und Ravenna in einen Krieg eskalieren könnten, traf es dann doch zunächst Ostrom. Am 26. Januar war Konstantinopel und die gesamte Region von einem verheerenden Erdbeben erschüttert worden. Die theodosianischen Wehrmauern waren zu großen Teilen eingestürzt, 57 Wehrtürme standen nicht mehr. Die Hunnen rückten vor und in der Bevölkerung stieg die Panik. Die Hauptstadt konnte zwar nicht erobert werden, aber 70 Städte in der Region fielen Attilas Truppen zum Opfer. Bis Gallipoli und bis zu den Thermopylen kam er, an Konstantinopel biss er sich die Zähne aus. Flavius Zenon (gest. vor 457), Vater des späteren gleichnamigen Kaisers, konnte die Stadt erfolgreich verteidigen. Seinem Kollegen Arnegisclus (gest. 447), der die Hunnen an der Donau stellen wollte, erging es schlechter. Er starb, seine Armee wurde vernichtet.
Theodosius II., der oströmische Kaiser, hatte keine Wahl, er musste einen Friedensvertrag mit Attila schließen. Die Tributzahlungen wurden auf 2100 Pfund Gold verdreifacht, 6000 weitere Pfund waren einmalig zu zahlen. Zudem musste eine Zone von fünf Tagesreisen südlich der Donau, also ein etwa 150 Kilometer breiter Landstreifen, demilitarisiert werden. Das war alles keine gute Presse für den Kaiser in Konstantinopel. Die Unzufriedenheit mit dem nachgiebigen Theodosius schaukelte sich bis kurz vor einen Bürgerkrieg hoch, der nur durch den Tod des Kaisers im Jahr 450 verhindert wurde. Attila saß in der pannonischen Tiefebene, freute sich über seinen Erfolg und schmiedete weiter Pläne.
Attentatspläne
Das tat man allerdings auch in Konstantinopel, wo das Ansehen des Kaisers angesichts der letzten Rückschläge doch arg beschädigt war. Das Erdbeben und die Angriffe Attilas wurden als göttliche Strafe für das Unvermögen Theodosius‘ angesehen. Mit Bittprozessionen war dem allein nicht beizukommen. In richtiger Analyse der hunnischen Machtstrukturen erkannte man, dass der Tod Attilas die andauernde Bedrohung schnell beenden könnte. Fähige Attentäter waren gefragt. Man überredete Edekon (gest. 469), einen hunnischen Adeligen, der 448/449 Konstantinopel besuchte, um Geschenke abzuholen – mittlerweile eine seitens der Hunnen liebgewordene Gewohnheit –, eine römische Delegation zu Attila zu begleiten und diesen dann zu ermorden. 50 Goldpfund wären dann sein. Edekon wusste jedoch, wer der wirklich Mächtige zu dieser Zeit war, und verriet das Komplott. Bei einem Scheitern hätte er nicht mehr lange zu leben gehabt, eine Perspektive, die ihm verständlicherweise nicht als sehr lohnend erschien.
Die Hunnen zivilisieren sich
Gegen Attila stellte man sich nicht ungestraft. Er war spätestens nach seinen Erfolgen gegen Ostrom 447 der unbestrittene Herrscher der hunnischen Verbände. Wir sollten aber auch erkennen, dass diese sich mit der Zeit veränderten. Der Kontakt zum römischen Kulturraum blieb nicht ohne Folgen. Der Hunne an sich lebte nicht mehr allein auf dem Pferderücken, es wird von befestigten Siedlungen berichtet, in Teilen sogar Gebäuden aus Stein. Durch die vielen Verhandlungen und Gesandtschaften fand ein reger Austausch mit beiden römischen Höfen und sicher auch mit den an Pannonien angrenzenden Provinzen statt. Über die Zugangsrechte zu den Markt- und Handelsplätzen haben wir ja schon gesprochen. So gab es Ehen zwischen Hunnen und Römern, Attila hatte einen römischen Sekretär, der ihm sicher bei der Administration seiner Herrschaft mit den Erfahrungen aus der über tausendjährigen römischen Geschichte den ein oder anderen Tipp geben konnte. Aus den vielen unterschiedlichen Verbänden mit ihren Anführern war ja mittlerweile eine hierarchische Führungsstruktur entstanden, die auch zunehmend dynastische Züge trug. Immerhin war Attila ein Neffe seines Vorgängers Ruga. Alles fußte weiterhin auf dem militärischen Erfolg des Herrschers. Wenn die Beute und das Gold nicht mehr flossen, wurden die hunnischen Krieger unruhig und es kamen Gedanken auf, ob jemand anders nicht einen Tick erfolgreicher sein könnte. Attila ritt also in gewisser Weise einen Tiger.
Attila schaut nach Westen
Dies ist der Hintergrund für den Umbruch in Attilas Politik im Jahr 450. Theodosius‘ Tod war hierbei eine wichtige Facette. Auf den eher ängstlichen und auf Ausgleich bedachten Kaiser folgte mit Flavius Marcianus (um 390 bis 457, reg. 450 bis 457), auch als Markian bekannt, ein kampferprobter Soldat, der nicht bereit war, immer nur das Opferlamm zu spielen. Beutezüge in die Provinzen südlich der Donau lohnten sich für Attila auch nicht mehr, die waren mittlerweile zu zerstört, als dass es da noch etwas zu holen gegeben hätte. Notwendigerweise ging der Blick nun doch weiter nach Westen.
Ob dahinter der Gedanke stand, sich irgendwann ein Stück aus dem Kuchen des Römischen Reiches zu schneiden und dort als Teil des Imperiums zu leben, wissen wir nicht. Ganz logisch wäre es nicht, denn er saß ja schon in einem ehemaligen Teil des Reiches. Ostrom hatte ihn sogar vor Jahren zum magister militum ernannt – vielleicht auch nur, um die Tributzahlungen gegenüber den Rechnungsprüfern besser begründen zu können. Die sind ja manchmal mit ihren bohrenden Fragen wirklich lästig. Wenn Attila deren Abrechnung hätte einsehen können, wäre er vielleicht nicht ganz so nachsichtig gewesen. Das Oströmische Reich hatte durch seine Plünderungszüge zwar einige Blessuren davongetragen, war aber in seinen Grundfesten keineswegs erschüttert. Aus Syrien und Ägypten flossen die Steuereinnahmen weiterhin verlässlich nach Konstantinopel, so dass es Attila durchaus möglich gewesen wäre, sich weiter an diesen Fleischtöpfen zu bedienen. Er hatte andere Pläne. Was aus diesen wurde, schauen wir uns das nächste Mal an.